Die in der Not des Zusammenbruchs der UBS und des massiven Drucks des Auslands durch die Zusammenlegung der ehemals selbständigen Banken- und Versicherungsaufsicht entstandene FINMA kommt nicht zur Ruhe. Der Apparat wurde, wohl um Stärke nach aussen zu zeigen, schnell und massiv aufgeblasen wie die Ballone an Jahrmärkten. Vor zwei Jahren wurde der nicht immer glücklich agierende und den schweren Rucksack der UBS-Vergangenheit tragende Haltiner durch die bankenneutrale, angesehene Professorin Anne Héritier-Lachat als Präsidentin ersetzt. Im 2011 inthronisiert, liess sie kürzlich in der Presse durchblicken, dass sie spätestens 2015, lieber aber früher wieder abtreten werde.
Seit Gründung der FINMA amtet mit Dr. Patrick Raaflaub ein Versicherungsmann an der Spitze. Für das Bankwissen wurde der Engländer und Ex-UBS Mann Mark Branson als Stellvertreter des CEO eingesetzt. Vor kurzem hat nun CEO Raaflaub seinen Abgang innerhalb von nur zwei Wochen per Ende Januar bekanntgegeben, und der Verwaltungsrat ernannte Branson zum CEO ad interim. Das zeugt definitiv nicht von Führungsstärke.
Wie plötzlich der Abgang von Raaflaub wirklich war, weiss wohl nur der Verwaltungsrat. Aber selbst wenn er wirklich nur mit dieser zweiwöchigen Frist geschehen ist, hätte die FINMA, wäre sie ein gut geführtes Unternehmen, über einen Plan für das Schlimmstmögliche verfügen müssen. Spätestens nach 48 Stunden muss selbst nach einer Tragödie in der obersten Führungsetage einer Behörde oder einer Firma das Leben weitergehen. Die Risiken für den plötzlichen Verlust eines Geschäftsführers sind mannigfach: Unfall infolge grosser Reisetätigkeit, Krankheit aufgrund von Überforderung, um nur die wesentlichsten zu nennen.
Es ist die Aufgabe der Verwaltungsräte, die Vorbereitungen zu treffen, damit das Schiff auch in stürmischer See und bei Ausfall des Kapitäns sich ruhig den Weg durchs Wasser bahnt. Noch mehr, in einer akuten Notsituation ist es die Pflicht des Verwaltungsrates, selbst hinzustehen und Verantwortung zu übernehmen – nicht einfach diese weiterzureichen.
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Die Analyse der Ereignisse bei der FINMA zeigt deutlich, dass offenbar nicht jeder Verwaltungsrat für den „Worst case“ gewappnet ist. Grundsätzlich und nach aller Erfahrung wäre es die oberste Pflicht des Verwaltungsrates, im Falle des unvorbereiteten Abgangs des CEOs die Aufgabe sofort „ad interim“ einem Mitglied des VRs zu übertragen, bis die neue Führungsperson an Bord ist. Damit setzt man nicht nur das klare Zeichen „Wir sind handlungsfähig“, sondern bleibt in der Nachfolgeregelung auch von internen Kandidaten vollkommen unabhängig – die Geschäftsleitungsmitglieder arbeiten alle in ihren Kernfunktionen weiter wie bis anhin.
Im Fall des FINMA-Verwaltungsrats hätte das bedeutet, sich die Zeit zum nachzudenken zu geben, ob es wirklich opportun ist, einen Ausländer an diese extrem im Scheinwerferlicht stehende Position zu setzen. Und das Gremium hätte sich in Ruhe überlegen können, ob eine Aufsichtsbehörde ausgerechnet von einer Person geführt werden soll, die in delikaten Dossiers in Ausstand treten muss, weil sie dort einst in federführender Position war, als gleichzeitig die Erde verbrannte.
Dass der Verwaltungsrat versagte, ist umso überraschender, als die Zusammensetzung auf den ersten Blick ein gelungener scheint. Vielleicht etwas alt, mit mehrheitlich Personen rund ums Pensionsalter, aber mit drei Professoren, je zwei Personen aus der Versicherungs- und Bankenbranche sowie einem Politiker verspricht er Stabilität.
Aber diese breite Palette von Erfahrung und Wissen konnte nicht verhindern, dass der VR bei Ereigniseintritt die von ihm geforderte „Leadership“ nicht in ausreichendem Mass aufbrachte. Es wurde Mark Branson als nominierter Stellvertreter scheinbar folgerichtig an die Front gestellt und mit dem Prädikat „ad interim“ einstweilen lückenfüllend etabliert. Hinzu kam die Verlautbarung, dass ein Suchprozess für die Nachfolge des abtretenden Patrick Raaflaub angelaufen sei, in welchen auch Mark Branson miteinbezogen würde.
Was signalisiert die FINMA mit ihrem Vorgehen? Zunächst einmal hat der VR klar gezeigt, dass sich die Mitglieder des Gremiums mehr als unsicher sind, ob der aktuelle Stellvertreter die Fähigkeiten zum CEO hat. Mit diesem von seinen Vorgesetzten angehefteten Makel muss Mark Branson nun weiter als Leiter Geschäftsbereich Banken amten, wird aber zusätzlich noch interimistischer Vorgesetzter seiner Kollegen, zu welchen er womöglich in wenigen Monaten wieder gehört, wenn er es nicht schafft, wie Thomas Jordan innert kürzester Zeit in das neue Amt hineinzuwachsen – dort auch mangels ernsthaften anderen Kandidaten. Im Englischen nennt man Personen in Positionen, in die der VR den bemitleidenswerten Mark Branson beförderte, eine „Lame duck“. Womit nicht gesagt ist, dass diese in jedem Fall versagen, aber das Risiko der Überforderung ist enorm gross.
Wenn also der FINMA-VR am Ende des Suchprozesses zum Schluss kommt, dass nicht Mark Branson, sondern ein Aussenstehender neuer CEO werden soll, würde damit einerseits kundgetan, dass man als oberstes Gremium eine ungeeignete Person zum Stellvertreter befördert hatte, und, dass Mark Branson unfähig sei, eine Behörde wie die FINMA zu führen. Diese öffentliche Demütigung dürfte dem Chef des Geschäftsbereichs Banken, definitiv die sensibelste Position innerhalb der FINMA, den Abgang nahelegen, wenn denn der Posten nicht mit einer erst noch degradierten „Lame duck“ besetzt bleiben soll.
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Seit Jahren wird uns in regelmässigen Abständen „vordemonstriert“, wie die FINMA ihren Auftrag nicht wahrnimmt, dass Zusammensetzung und Bankenhörigeit des VRs das Hauptproblem sind, und dass nicht Herr Raaflaub die Ursache allen Übels ist. Wo sind BR und Parlament diesem unerträglichen Treiben endlich ein Ende zu setzen? In der Privatindustrie wäre soetwas undenkbar.
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Nun mal langsam.
Dass Branson als Zuständiger für die Banken installiert wurde, war eine Notlösung (wurde jedenfalls so begründet und dafür kann man sogar Verständnis haben). Aber bereits damals hätte der VR sehen müssen, dass das keine Lösung sein kann (sonst könnten wir die Schweizer Armee gleich abschaffen und den eigenen Geheimdienst in die CIA integrieren etc.). Es ist unverzeihlich, dass der VR nicht sofort (nach einer sog. „Notlösung“) sich mit einer langfristigen Lösung beschäftigt hat.
Es scheint, dass Scenario Planning im Finma VR unbekannt ist. Noch schlimmer, das Denken in Varianten und das Erarbeiten von „vorbehaltenen Entschlüssen“ scheinen Fremdwörter zu sein.
Wo haben diese Leute ihre Ausbildung gemacht?
Wir müssen zurück zu freien Märkten (kein Neo-Liberalismus, einfach Adam Smith lesen).
Dazu die Situation vorbehaltlos analysieren:
Die Grossbanken sind keine schweizerischen Unternehmen mehr, das muss endlich zur Kenntnis genommen werden. Sie zahlen bescheidene, oder gar keine Steuern in der Schweiz. Das Management ist überheblich und kein vernünftiger Mensch würde diese Figuren in der Schweiz vermissen.
Den KBs muss endlich Bescheid gestossen werden, dass sie sich an den Auftrag zu halten haben und keine Casinos zu betreiben haben (betrifft natürlich nur die grössenwahnsinnigen, wie ZKB etc.).
Es wird sich in dieser Sache (Finma) zeigen, ob die Schweiz noch eine eigenständige Elite hat, oder ob wir den Löffel abgeben, oder schon abgegeben haben. Es wird ohne Zweifel eines Tages eine würdigere Generation (nach Durchschreiten des Jammertales) das Banner wieder erheben und die Schweiz voranbringen.
Bis dahin können wir nur rufen: Gott stehe uns bei!-
…wir handeln in Szenarien, passt da. Und das ist üblich geworden in der Not der Bankenwelt. Aber nicht in Stein gemeisselt.
Zudem muss ja jemand Projekte und Papier sammeln und zwischendurch zwischen twittern.
Wie beim SKS – ex.Arbeitsstelle einer BR – wir schauen uns um, weisen drauf hin und haben schon immer gesagt man sollte. Ach wie die Zeit vergeht…
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Lieber Autor, es ist uns armen Nicht-Muttersprachlern nicht immer leicht gefallen, den goldenen Fäden ihrer interessanten Sätze zu folgen. Sie scheinen uns auf dem Kriegsbein zu stehen mit Syntax, Bezügen und Genera: so ist für uns zum Beispiel nicht erhellend, dass der verdiente Eugen Haltiner eine Präsidentin gewesen sein sollte. Semantisch, verwenden Sie mit der so genannten lamen Ente ein etwas kurioses Rahmenwerk, eingebettet in eine Satzstruktur so komplex wie ein stochastisches Kalkül einer CPPI. Inhaltlich, stimmen wir nicht mit allen Punkten überein, freuen uns aber über ihre Kernthesen.
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Bin mit der Schlussfolgerung, ohne Bedauern, einverstanden und würde die Chance für den FINMA-VR begrüssen, eine unternehmerische und erfolgreiche SCHWEIZER Persönlichkeit (nicht vorzugsweise aus einer Grossbank) als CEO auszusuchen. Hr Branson verdient Zeit, seine eigenen Problemen auszukochen.
Der FINMA VR seinerseits braucht eine Verstärking durch unternehmerische top- Banker -Versicherer und -Politiker.
Vielleicht könnte ein neuer FINMA-Beirat aus Schweizer Erflogs-Leadern den parxisbezogenen Punch verleihen, um dann endlich der internationalen Konurrenzfähigkeit und Wachstum des Finanzplatzes zu helfen.
Bin mit der Schlussfolgerung, ohne Bedauern, einverstanden und würde die Chance für den FINMA-VR begrüssen, eine unternehmerische und erfolgreiche SCHWEIZER…
Lieber Autor, es ist uns armen Nicht-Muttersprachlern nicht immer leicht gefallen, den goldenen Fäden ihrer interessanten Sätze zu folgen. Sie…
Nun mal langsam. Dass Branson als Zuständiger für die Banken installiert wurde, war eine Notlösung (wurde jedenfalls so begründet und…