Die Schweiz ist nach wie vor ein bedeutender internationaler Finanzplatz, auch wenn er in den letzten Jahren im Vergleich zu New York und London an Kraft verloren hat. Es ist ein schwacher Trost, dass in den asiatischen Märkten Hongkong zugunsten von Singapur laufend an Terrain verliert. Auch die Schweiz muss jährlich substantielle Marktanteile an Singapur abgeben und dürfte dereinst – was die Finanzindustrie betrifft – von diesem autoritär regierten Kleinstaat überholt werden.
„All politics is local.“ Jedes politische Handeln ist lokal orientiert. Der in den USA geprägte Begriff trifft für viele Demokratien dieser Welt zu. Die Schweiz bildet dabei keine Ausnahme. Auf den wichtigsten Finanzplätzen der Welt hat die Politik jedoch gelernt, sich darauf zu konzentrieren, die Rahmenbedingungen für die Finanzindustrie möglichst optimal zu gestalten.
Erstaunlicherweise nicht so in der Schweiz. Hier herrscht der politische Tunnelblick. Der Wille des Bundesrats und der Verwaltung ist ungebrochen, Lösungen zu erarbeiten, welche der Finanzindustrie das Überleben ermöglichen sollen. Nur fehlt zu oft die langfristige und internationale Perspektive. So lässt sich der Finanzplatz Schweiz nicht international wettbewerbstauglicher gestalten.
Die lokale Schweizer Politik hat immer höchst verstimmt reagiert, wenn sich Exponenten der Finanzindustrie kritisch zu Wort meldeten. Es erstaunt daher nicht, dass sich die Bankenverbände, aber insbesondere auch Top-Bankenkader erstaunlich wenig zum Fehlen der neuen Schweizer Finanzplatzstrategie äussern. Vielleicht sind es die Kommunikationsabteilungen, welche ihrem Management empfehlen, in dieser Frage möglichst ruhig zu bleiben. Oder es sind die Banken-CEOs, welche fürchten, mit kritischen Aussagen in ein negatives mediales Fahrwasser zu geraten.
Tatsache ist: Die offizielle Schweiz müht sich seit Jahren ab, im zermürbenden Kleinkampf der Abwehr von Angriffen auf den Finanzplatz Schweiz den Kopf über Wasser zu halten. Dabei übersieht sie, dass die anderen Finanzplätze von internationaler Bedeutung dies geschickt für die eigenen Interessen zu nutzen wissen. Grosse Würfe bleiben in der Schweiz aus.
Innovationsförderung und Ausbildung sind Elemente, wo die Überlegungen zu einer echten, neuen Finanzplatzstrategie der Schweiz beginnen können. Gleichzeitig zeigen sie auf, vor welchen Fehlern sich die Branche zu schützen hat. Schweizer KMUs sind unbestritten deshalb eine starke Stütze des Landes, weil sie über alle Branchen hinweg im internationalen Vergleich anhaltende, hohe Innovationsfähigkeit unter Beweis stellen.
Unternehmerische Leistung ist ein zentraler Faktor. Rahmenbedingungen können dazu beitragen. Bundesrat und Parlament wissen dies und haben 2012 die Vorlage zur Schaffung eines nationalen Innovationsparks verabschiedet. Nachdem der Bund bereits früher jährlich mehr oder weniger sinnvoll über 100 Millionen Franken in die Innovation bei KMUs investierte, soll diese Summe für die Schaffung des nationalen Innovationsparks massiv erhöht werden.
Dabei zeichnet sich ab, dass zwar die beiden ETHs richtigerweise den Lead haben, sich das Lokale aber auch hier leider durchgesetzt hat. Anstatt eines grossen, nationalen Innovationszentrums entstehen kleine, regionale Technoparks. Sie werden qualitativ und von der Ausrichtung her nicht in der Liga spielen, welche die Schweiz im internationalen Vergleich wettbewerbstauglicher machen wird.
[simple-google-ads-ad-tag id=“ip_content_middle“]
Dem Schweizer Finanzplatz würde eine Art nationaler Innovationspark gut tun. Da aber eine Finanzplatzstrategie des Bundes nicht existiert und die Diskussion, welche Zielsetzungen eine Finanzplatzstrategie der Schweiz haben muss, um den Finanzplatz wettbewerbsfähig zu halten, ausbleibt, richtet die Finanzindustrie Innovationen an den derzeitigen Marktentwicklungen aus. Grundlagenforschung ist unterentwickelt und angewandte Forschung kaum existent. Mit dem Risiko, von Singapur, London oder von aufstrebenden Finanzplätzen überholt zu werden.
Zweiter Beweis, wie orientierungslos die Schweiz handelt, ist der Faktor Ausbildung im Finanzbereich. Weit verbreitet ist die Meinung, die Universität St. Gallen gehöre zu den führenden Ausbildungsstätten der Welt mit einer entscheidender Bedeutung für den Finanzplatz Schweiz. Tatsache ist, dass St. Gallen jährlich an internationaler Ausstrahlung verliert.
Einen Führungsanspruch kann die HSG mit ihren 2’600 Studierenden noch in der Disziplin Management auf Masterstufe in Anspruch nehmen. Bei den Finanzwissenschaften taucht sie in den meisten internationalen Rankings nicht oder weit hinten auf. Auf Executive-Ebene ist das IMD in Lausanne weltweit Spitze. Nur strahlt das IMD nicht in die Schweiz hinein, zumindest nicht auf den Finanzplatz. Der Stolz des politischen Establishments, die Fachhochschul-Quote in den letzten 20 Jahren massiv gesteigert zu haben, scheint berechtigt. Jedoch bilden Fachhochschulen Praktiker aus. In der Finanzindustrie reicht dies kaum zu echter Innovationsfähigkeit.
Fast jeder wichtige Wirtschaftszweig dieses Landes geniesst auf Stufe Bund höchste Beachtung, wenn er in der Krise ist. Die Palette reicht von der mit Milliarden aufgespritzten Landwirtschaft bis zum gehätschelten, investitionsschwachen Tourismus. Das Prinzip „All politics is local“ führt zum Beispiel in der Landwirtschaft dazu, dass wir heute mehr Käse in die Schweiz importieren als wir eigenen exportieren.
Die Schweiz steht weiterhin hervorragend da. In grossen Teilen gilt das auch für die Schweizer Finanzindustrie. Aber was gestern genügt hat, reicht morgen längst nicht mehr. Die Politik muss erkennen, dass sie nicht in der Lage ist, alles allein zu lösen. Im Berner Kämmerlein eine Finanzplatzstrategie für die Schweiz zu entwickeln, führt nicht zu tragfähigen Resultaten.
Bundesrat, Verwaltung und Parlament müssen erkennen, dass Handeln für den Finanzplatz Schweiz jetzt angesagt ist: zusammen mit den hellsten und international erfahrensten Köpfen der Finanzindustrie in der Schweiz. Dies ist weit mehr als die Einsetzung einer Expertengruppe. Und das Prinzip „All politics is local“ muss endgültig über Bord geworfen werden.
Lieber Namensvetter! Sie sprechen mir aus dem Herzen! Das von Ihnen angesprochene „Kämmerlein in BundesBern“ hat tatsächlich leider keine Möglichkeit Impulse zu geben für echte Innovationen im Finanz- bzw. Bankenbereich. Ihr Ziel (und jenes der FINMA) ist es ja bloss – in den meisten Fällen – zu schauen, dass ja niemand etwas „ausserhalb des normalen Rahmens“ tut. Und dass die Linke in den beiden Räten dieses Gewerbe auch noch stets mit Füssen tritt und keine Chance auslässt die Gurgel stets noch mehr zuzuschnüren ist evident!
So reicht es definitiv nicht gegen SIN, NY & LDN anzutreten! Und, dass sich die „digitale Bankenwelt“ zusehends in Zug zu etablieren scheint, zeigt dieses Malaise doch deutlich. Wohl kaum jemand versteht auch, dass wir, das heisst alle unsere relevanten Banken, zusammen mit dem Bund – nicht mal in unserem eigenen Land – längst einen Lehrstuhl mit absoluten Topshots hochfahren kann, ist doch eigentlich nur noch bedenklich. Wenn nicht in unserem Land – dann wo könnte man besser eine hochspezialisierte Finanz- und Business UNI etablieren? Es wäre, vor dem Hintergrund unserer wichtigsten Dienstleistungsbranche – wahrlich kein Luxus – speziell für unsere Banker von morgen!