Die UBS hatte am Mittwochnachmittag, 15. März 2023, im ersten offiziellen Meeting mit Bern und Nationalbank, ihre Trümpfe auf den Tisch gelegt.
Vom berühmten 11 Forderungs-Plan zur faktischen Übernahme der CS war dazu bisher die Rede. Der gestrige PUK-Mammut-Bericht fördert jetzt einen weiteren Punkt zutage.
Und der hat es in sich.
Die entscheidende Passage lautet: „Die Forderungen der UBS bezogen sich auf Restrukturierungsfragen, zukünftige Kapitalanforderungen (…). Auch die AT1-Abschreibung wurde erwähnt.“
Der letzte Satz ist ein Game-Changer.
Es war die UBS, die – im Nachgang zu diesem Auftakt-Meeting am Donnerstag – als Erste den sogenannten „Wipe-out“ der 17 Milliarden US-Dollar schweren CS-Spezial-Obligationen ins Spiel gebracht hatte.
Diese sahen vor, dass hoch verzinste Wandel-Bonds im Krisenfall der CS in frisches Eigenkapital umgewandelt würden, um die Bank wieder sicherzumachen.
Im PUK-Bericht findet sich zum zeitlichen Ablauf rund um den AT1-Abschreiber folgende Passage:
„Aus den Anhörungen der PUK und den analysierten Verwaltungsunterlagen geht hervor, dass die wichtigsten Änderungen gegenüber den Forderungen vom Vortag folgende waren: Neu erwähnte der Forderungskatalog der UBS erstmals die Abschreibung der AT1-Anleihen.“
Als Quelle nennt die PUK „DRAFT conditions for initial discussion, UBS, 16.3.2023. In diesem wichtigen Dokument der obsiegenden ewigen Erzivalin der CS heisst es im Original:
„protection against impact of purchase accounting which might lead to potential valuation write-downs, considering a ATI write-down; support from the regulator for SPV structure involving an ATI write-down to limit downside balance sheet risks for defined portfolios.“
UBS-Präsident Colm Kelleher, ein an der Wallstreet gestählter Banker der welthöchsten Liga, spielte das Unschuldslamm.
Kelleher, der seit Sommer 2022 rund um die Uhr seinen CS-Coup vorangetrieben hatte, wollte just während des High-noons über die „Kleinigkeit“ von 17 Milliarden Dollar zugunsten der UBS nichts gewusst haben?
Auf Nachfrage der SNB meinte er, der verlangte AT1-Wipeout sei „ohne sein Wissen“ zustande gekommen; man würde eine „bessere Lösung“ schicken.
C’mon.
Die UBS-Chefs unter dem Kommando des ausgeschlafenen Kellehers und seinen Anwälten von Bär & Karrer mit Rolf Watter an der Spitze wollten um jeden Preis, dass diese AT1-Milliarden-Schulden verschwänden.
Denn nur das würde die am Boden liegende CS zum wahren Geschenk des Jahrhunderts machen.
Kein Wunder, haben die UBS-Cracks dies bis zum gestrigen PUK-Tag stets verschwiegen. Noch krasser: Sie haben lange gänzlich Anderes behauptet.
Im Buch von „Bilanz“-Chefredaktor Dirk Schütz „Zu hart am Wind“, das auf den Insider-Schilderungen der UBS-Sheriffs basiert, hiess es, der AT1-Wipeout sei nicht Teil der UBS-Forderungen in den Not-Meetings ab 15. März 2023 gewesen.
„Es war die Finma, die seit Ausbruch der Krise im Oktober die Abschreibung dieser Anleihen im Falle des CS-Untergangs stets als probates Instrument angezeigt hatte“, nahm Schütz die UBS aus der Verantwortung.
Eine Geschichtsklitterung der Milliarden-Klasse.
In Tat und Wahrheit war der Wipe-out der AT1-Bonds in den Wochen und Monaten vor den vier entscheidenden Tagen zur Not-Rettung der Credit Suisse kaum je ein Thema gewesen.
Die Finma und das Finanzdepartement wussten knapp, wie man AT1 buchstabierte.
Wie genau die Wandelbonds funktionierten und was die Folgen einer Ausradierung wären, darüber scheint man sich in Bern jedenfalls wenig Gedanken gemacht zu haben.
Im PUK-Bericht ist die Rede von einer ersten Erwähnung im Oktober 2022 auf unterer Stufe.
„An der genannten Sitzung wurde gemäss den Informationen, die der PUK vorliegen, auch erstmals im (Ausschuss Finanzkrisen, AF) die Anordnung der Abschreibung der AT1-Anleihen thematisiert.“
Weiter hinten im Bericht bezieht sich die PUK auf dieses Meeting. Sie präzisiert „zur möglichen Anordnung der Abschreibung von AT1-Anleihen“, die man damals besprochen hätte:
„So war die Abschreibung bereits im AF vom 19. und im (Lenkungsgremium, LG) vom 21. Oktober 2022 thematisiert worden. Die UBS nahm in ihrem revidierten Forderungskatalog vom späten Abend des 16. März neu auch die Abschreibung der AT1-Anleihen auf.“
Die PUK-Ausführungen ändern nichts daran, dass es die UBS war, die im entscheidenden Moment, drei Tage vor dem Ende der CS und deren Übernahme zum Schnäppchenpreis, die AT1-Ausradierung ins Spiel brachte.
Genau das aber versuchten die UBS-Kapitäne, bis zum heutigen Tag geheim zu halten.
Noch im März dieses Jahres, als sich die Not-„Verschmelzung“ der CS zum ersten Mal jährte, wiederholte UBS-Chairman Kelleher das historische Ablenkungsmanöver.
„Mit dem AT1-Entscheid hatten wir nichts zu tun“, sagte er der NZZ im März 2024. „Die Anweisung, die AT1-Anleihen abzuschreiben, erfolgte durch die Finma.“
Formell mag das stimmen, effektiv hat die PUK aber genau das Gegenteil herausgefunden. Die UBS brachte den AT1-Abschreiber als Erste aus Tapet.
Dass der Wipe-out nicht ohne UBS-Druck verlief, tönte Kelleher im NZZ-Interview sogar erstmals selbst an.
„Die Frage ist, was wir getan hätten, wenn die AT1-Anleihen nicht abgeschrieben worden wären“, führte der UBS-Kapitän aus.
„Ich denke nicht, dass wir zu einer praktikablen Einigung gekommen wären, denn es klaffte eine Kapitallücke von 16 Milliarden Franken.“
„(M)it einem 16-Milliarden-Loch hätten wir die Transaktion anders gestalten müssen“, gab Kelleher damals zu.
Die jetzt dank der guten PUK-Arbeit zum Vorschein kommende ganze Wahrheit ist weniger prosaisch.
Die UBS, die sich spätestens seit Sommer 2022, also rund dreiviertel Jahre, auf die Übernahme der CS vorbereitet hatte, diktierte die Bedingungen.
Alle. Insbesondere den Abschreiber von 17 Milliarden Dollar Verpflichtungen.
Der Clou des Ganzen.
Das scheinbar heftige Gerangel um den Kaufpreis verblasst neben diesem entscheidenden Brocken zum Schattenboxen.
SNB-Chef Thomas Jordan hatte eine Milliarde vorgeschlagen, die wichtigste Beraterin von Finanzministerin Karin Keller-Sutter offerierte der CS dann 2 Milliarden.
Am Ende einigte man sich auf 3 Milliarden.
Beim AT1-Ding gehts um mehr als das Fünffache. 17 Milliarden.
Die UBS konnte dank dem Ausradieren dieser Verpflichtungen, welche die CS gegenüber grossen und kleinen Investoren hatte, einen Sondergewinn der Himalaya-Klasse verbuchen.
Maximal viel Geld, um die CS-Integration ins eigene Reich zum sicheren Gewinngeschäft zu machen. Das zeigte sich beim ersten Abschluss:
Fast 30 Milliarden Profit im 2023, dem Jahr der Übernahme. Der Löwenanteil stammt aus der AT1-Küche.
Der Wipe-out war zentral dafür, dass die UBS sich „gnädigerweise“ für die Abwendung eines Zusammenbruchs der Schweiz hergab. Im Bericht steht dazu auf Seite 424:
„Die PUK hält es ferner für glaubwürdig, dass die UBS dem Zusammenschluss mit der CS ohne Abschreibung der AT1-Anleihen nur zugestimmt hätte, wenn der Bund weitaus höhere Garantien zugesprochen hätte.“
Das wollten FDP-Magistratin Keller-Sutter und ihre zentrale Spitzenfrau Daniela Stoffel als Chefin des Staatssekretariats für internationale Finanzfragen um jeden Preis vermeiden.
Am Ende akzeptierten Keller-Sutter und Stoffel das, was das gegenüber sitzende Power-Duo Colm Kelleher und Anwalt Watter um jeden Preis haben wollten.
Die AT1-Ausradierung. 17 Milliarden Dollar Verschwindibus. The Big Prize im Jahrhundert-Poker.
Die UBS-Herren spielten die grosszügigen Herren. Man beharre dank des Entgegenkommens bei den AT1s nicht mehr auf einer vollen Garantie für die „heissen“ CS-Investmentbank-Anlagen.
Sondern erst, nachdem man die ersten 9 Milliarden Dollar potenzieller Verluste selbst getragen hätte. Und auch dann müsste der Steuerzahler nur für die nächsten 5 Milliarden geradestehen, den Rest würde man später aushandeln.
Nach wenigen Monate gab die UBS bekannt, sie benötige die Verlustgarantie der Eidgenossenschaft nicht mehr. Halleluja.
Der „Bluff“ war aufgegangen. Die UBS hatte die Schweiz zur AT1-Ausradierung gedrückt, mit einem Entgegenkommen, das sich als völlig vernachlässigbar herausstellte.
Die ganze AT1-Geschichte ist alles andere als ein Nebenschauplatz.
Finanzkräftige internationale Grossinvestoren, die einen Totalausfall in schmerzhafter Dimension erlitten, haben Klagen rund um den Globus vom Zaun gerissen.
Einer dieser Vorstösse nimmt direkt die Schweizer Eidgenossenschaft ins Obligo. Anfang 2025 wird ein New Yorker Gericht entscheiden, wie es mit dieser Klage weitergeht.
Sollte die Schweiz verlieren, dann würde der helvetische Steuerzahler zur Kasse gebeten. Der Taxpayer des Alpenlands müsste die Zeche für das einzigartige AT1-Milliardengeschenk des Bundesrats an die „Monster“-Bank UBS berappen.
Der gleiche Taxpayer, der in einer nächsten Grosskrise die UBS retten müsste. Irgendwie crazy, wie das läuft in der schönen, gepflegten Republik mit ihren heiligen Banken.
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