Am Freitag morgen herrschte Mattscheibe im neuen Vontobel-Handelszentrum. An den 400 ultramodernen Arbeitsplätzen in der Zürcher City lief nur noch das Internet.
Das „Frontnet“, eine Kernapplikation des Vontobel-Handelssystems, hatte einen Notstopp ausgelöst. In der Folge schaltete sich das ganze System automatisch ab.
Für die Informatiker der Privatbank war der Ernstfall eingetreten. Bei laufendem Betrieb am ersten Handelstag nach den Festtagen ging im ganzen Vontobel-Handel nichts mehr.
Vom Crash des „Frontnets“ waren über 1’000 „User“ der Bank betroffen. Diese waren am Vormittag des 3. Januar auf Vontobels „Derinet“ aktiv, der Handelsplattform der Bank.
Vontobel wollte sich gestern nicht zum IT-Debakel äussern.
Zum totalen Blackout im Investmentbanking, der Sparte mit dem höchsten Umsatz, hatte eine neue Software-Version geführt.
Bei der Installation war es zum Crash gekommen. Das System registrierte einen Fehler und führte einen Vollstopp durch, um Schlimmeres zu verhindern. Nach rund einer Stunde lief es wieder.
Der Vorfall wirft Fragen auf. Vontobel rühmt sich, über eine der modernsten Banken-Plattformen zu verfügen.
Diese wird auch Drittbanken angeboten, darunter der Raiffeisengruppe. Mit der Genossenschaftsbank befindet sich Vontobel wegen einer Langfrist-Kooperation im Streit.
Es geht um den Kernpunkt, ob Raiffeisen über ihre eigene Privatbankentochter Notenstein Geschäfte abwickeln darf, bei denen die Vontobel mit ihrer teuren IT auf Exklusivrecht pocht.
Eine erste Einschätzung des zuständigen Schiedsgerichts steht an. Laut Insidern standen die Chancen für Raiffeisen bisher schlecht.
Nun könnte Raiffeisen versuchen, den IT-Crash von letzter Woche für sich zu nutzen. Lieber auf 2 statt nur einem Bein stehen – so könnte die 3. Kraft von Swiss Banking argumentieren.
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Für die Bank Vontobel, die auf Avaloq setzt und viel Geld in ihre IT-Plattform investiert hat, ist der System-Shutdown nicht nur wegen dem Streit mit Raiffeisen ein Problem.
Der Absturz wirft auch die Frage auf, ob der Umzug in einen neuen Luxustempel am Bleicherweg nahe beim Zürcher Paradeplatz mit grösseren Problemen verbunden ist, als bisher angenommen wurde.
Am ehemaligen Geschäftssitz der Revisionsgesellschaft Ernst & Young hat die Privatbank alle ihre Investmentbanking-Aktivitäten zusammengelegt.
Dafür hat Vontobel für geschätzte 30 Millionen einen kleinen Palast mit viel Glas und Stahl, offenen Räumen und Unmengen von Bildschirmen hingestellt.
Im neuen Herzen der Investment-Sparte, die vor allem im Geschäft mit Strukturierten Produkten eine führende Kraft ist, kommt damit ein Arbeitsplatz auf fast 100’000 Franken zu stehen.
Für Vontobel, eine mittelgrosse, ambitiöse Privatbank, handelt sich um eine grosse Investition in die Zukunft. Das neue Büro-Wahrzeichen soll Aufbruch und Stärke symbolisieren.
Der IT-Crash trübt die Freude. Er könnte mit dem Umzug ins neue Gebäude zusammenhängen.
Es fragt sich, ob die Verantwortlichen die Systeme in der neuen Umgebung genügend getestet haben, bevor sie diese live geschaltet haben.
Dass es allein wegen einem System-Update zu einem totalen Shutdown kommt, ist ungewöhnlich.
Solche Komplettabstürze werden in der Regel verhindert, indem die neuen Programme im voraus in einer Testumgebung auf Herz und Nieren geprüft werden.
Zudem überrascht, dass im Fall der Vontobel-Bank nicht sofort ein Notsystem ansprang, das minimale Funktionen am Laufen hält.
Bei anderen Banken mit ungleich älteren Kernapplikationen gehören IT-Probleme zum Alltag. Dass durch Softwareprobleme jemals der ganze Handel ausfiel, ist nicht bekannt.
Wenn Vontobel mit ihrer kostspieligen, stolzen und grossen Informatik von solchem Ernstfall betroffen ist, wirft das ein Schlaglicht auf die Technik-Abhängigkeit der Finanzindustrie.
Diese ist zum Rückgrat aller wichtigen Banken geworden. Banking gleich IT, lautet ein Schlagwort.
Die Aufwände für komplexe Host- und Handels-Systeme nehmen exponentiell zu. Weil die Schweiz zu wenig Fachleute hat, verpflichten die Banken Spezialisten aus Indien und von anderswo.
Oder sie lagern ganze Prozesse an Drittanbietern und ins Ausland aus – mit steigendem Risiko.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ein Totalausfall ist in der Tat kein Ruhmesblatt für Vontobel. Kostenseitig wird sich der Verlust – auch bei Klagen von Kunden – in Grenzen halten. Operativ dürfte das System nach diesem Schuss vor den Bug künftig deutlich stabiler sein.
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…und dann behaupten die Trader immer, dass sie Geld verlieren, wenn das System nicht läuft. Kann aber genau so gut sein, dass sie kein Geld verlieren, weil eben das System nicht läuft. Dank dem kleinen Systemausfall hat die Bank vielleicht sogar einen Gewinn gemacht…
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„Weil die Schweiz zu wenig Fachleute hat, verpflichten die Banken Spezialisten aus Indien und von anderswo.“ Bitte aufhören mit diesem QUATSCH! Die Schweiz hat sogar echte Fachleute! Das Problem liegt im Management: Entweder interessiert sich niemand für die Ratschläge der Experten, oder es wird beim Testen gespart. Die Code-Qualität der schweizerischen IT ist GRAUENHAFT!
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Zur Ehrenrettung der Inder: Auch Schweizer haben vielfach bewiesen, dass sie schlechten Code produzieren können. 😉
Aber ich stimmte Dir zu: In Ermangelung an IT-Wissen und fehlendes Vertrauen in die Fähigkeiten der eigenen Mitarbeiter, lässt man sich gerne von externen Firmen beraten, die mit günstiger near oder far shore SW-Entwicklung locken. Die Folgen sind für die interne IT teils dramatisch.
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Super Artikel. Spricht mir aus dem Herzen. Angefangen mit Hildebrand und jetzt mit seinem Nachfolger, wurde eine SNB-Zeit eingeläutet, die an Dummheit kaum zu übertreffen ist. Obiger Artikel veranschaulicht dies par excellence.
1. Fehler: Anbindung des CHF an den Euro (unter anderem zufolge Druck von unfähigen Politikern und Medien)
2. Fehler: Änderung der Bilanzierung des Goldbestandes.
3. Fehler: Investitionen in ausländische Anleihen
4. Fehler: Es wurden trotz diverser Möglichkeiten keine Devisenbestände verkauft als dies mit Gewinn möglich war
5. Fehler: Investitionen in Bonds in einer Tiefstzinsphase. Sobald die Zinsen kehren wird sich der SNB Verlust ungebremst multiplizieren (wird in obigem Artikel bestens beschrieben)
6. Fehler: Unbelehrbarkeit der SNB Führung
Die vorerwähnten Fehler würde kein einziger Lehrling begehen. So offensichtlich sind diese unglaublichen Fehler. Da braucht es kein Fachwissen
Die Zukunft der SNB ist rabenschwarz, wenn nicht endlich eine Kehrtwendung einsetzt. Leidtragende werden die Schweizer Bürger sein. -
Hört doch auf….. Bei so einem umzug kommt es immer wieder vor dass was schief läuft. und 1 stunde ausfall ist jetzt gar nichts, wenn man natürlich von der dimension aus geht.
„bim zügle gaht mal öppis kaputt“!
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Mir sind beim Lesen folgende Fragen in den Sinn gekommen:
– Wird der Bonus eines Mgmt-Mitglieds passend zum Vorfall gekürzt/angehoben?
– Wie kann ein System, das komplex ist, bereits nach einer Stunde wieder laufen? (Wenn ein Vollstop/Notstop eintritt, müssen doch zahlreiche Werte plausibilisiert und Zwischnespeicher neu aufgebaut werden…)
– Wird die Bank Vontobel genauere Informationen dazu preisgeben?-
… so ein komplexes system läuft nach einer 1h wieder, wenn das problem entsprechend harmlos war.
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Der IT Supergau wird irgendwann bei einer Bank stattfinden. Wir wissen nur noch nicht bei welcher Bank und wann. Deshalb ist es ratsam, nicht nur mit 1 Bank zusammenzuarbeiten !
Der IT Supergau wird irgendwann bei einer Bank stattfinden. Wir wissen nur noch nicht bei welcher Bank und wann. Deshalb…
Mir sind beim Lesen folgende Fragen in den Sinn gekommen: - Wird der Bonus eines Mgmt-Mitglieds passend zum Vorfall gekürzt/angehoben?…
Hört doch auf..... Bei so einem umzug kommt es immer wieder vor dass was schief läuft. und 1 stunde ausfall…