Im Schatten des 2-Milliarden-Derivate-Crashs vom September wird die Grossbank UBS von einem früheren Betrugsfall eingeholt. Wie im jüngsten Debakel um Junior-Händler Kweku Adoboli spielten sich auch die damaligen Ereignisse in der Londoner Zentrale der Schweizer Grossbank ab.
Die Aufarbeitung des damaligen Gross-Betrugs fördert fast täglich pikante Details zutage. Gestern wurde bekannt, dass die englische Bankenaufsicht einen Ex-UBS-Kadermann mit 1,25 Millionen Pfund büssen will, „eine der höchsten individuellen Bussen“, wie die Financial Times heute schreibt.
Eigene Recherchen zeigen, dass der London-Fall weite Kreise bis in die Chefetagen der Zürcher Konzernzentrale der UBS zieht. Schon bekannt ist, dass der Ex-Chef der Londoner Einheit, John Pottage, trotz einer erstinstanzlichen Verurteilung einen Risiko-Job im Headoffice erhalten hat.
Doch Pottage ist nicht der einzige in den Fall involvierte Manager, der im Herzen der Bank weiter Karriere machen kann. Auch eine Österreicherin im Rang einer Managing Direktorin und mit Verantwortung für ein grosses Marktgebiet war in den Londoner Fall von Mitte der 2000er Jahre involviert.
Die Rede ist von Caroline Kuhnert. Kuhnert kriegte den neuen Job in Zürich, obwohl damals in ihrem Bereich ein grosser Teil der Verluste angefallen waren. Die Kaderfrau muss derzeit als Zeugin im laufenden Prozess in London gegen Ex-Kollegen aussagen, wie ein Sprecher der UBS bestätigt.
Der Revisionsprozess dreht sich um spektakuläre Vorkommnisse rund um die damalige Vermögensverwaltung der UBS England. Es ging um das Offshore-Geschäft aus London heraus, betroffen waren reiche ausländische Kunden. Über deren Konti wickelten UBS-Manager unerlaubte Deals ab, ohne dass sie die Kunden infomierten.
Einer der Händler war gemäss Financial Times Leiter des sogenannten Asia-II-Desks. Laut der Zeitung hatte der Manager im Zuge einer ersten Aufarbeitung einen anderen Händler entlassen, der am Afrika-Desk nicht authorisierte Transaktionen via Kunden-Konti ausführte. Dass er zur selben Zeit ebenfalls betrügerische Deals abwickelte, bezeichnete die englische Bankenaufsicht gestern eine „atemberaubende Scheinheiligkeit“.
Die UBS ist nicht Gegenstand des laufenden Gerichtsverfahrens, das voraussichtlich bis Anfang 2012 dauert. Die Grossbank hatte ihr eigenes Urteil im 2009 akzeptiert und der englischen Aufsicht 8 Millionen Pfund Busse bezahlt.
Damit gestand der Schweizer Finanzmulti ein, dass die internen Risiko-Kontrollen zu lasch waren. Die Bank entschädigte auch betroffene Kunden mit 42 Millionen Dollar. Trotzdem zog der Fall weitere Kreise und führte zu Ermittlungen ausländischer Behörden.
Innerhalb der Zürcher Konzernzentrale gibt die Londoner Vergangenheit vor allem wegen der Weiterbeschäftigung der damals Verantwortlichen am UBS-Hauptsitz zu reden. John Pottage, Ex-Chef der Londoner Einheit, wurde mit 100’000 Pfund gebüsst. Er rekurriert dagegen und wird von der UBS finanziell unterstützt.
Als damaliger London-CEO war Pottage für die oberste Risiko-Kontrolle und die Compliance verantwortlich, also die Einhaltung der Vorschriften. Das war ihm nicht gelungen, wie die Bussen und Prozesse zeigen.
In Zürich ist Pottage von der UBS erneut mit einem Risiko-Job betraut worden. Er ist in der Swiss Bank, dem eigentlichen Kern der Grossbank, für Risk Management und Compliance tätig. Laut Insidern handelt es sich dabei um eine Schlüsselstelle im „Herzen der Vermögensverwaltung“ der UBS. Das Schweizer Wealth Management ist ungleich grösser als jenes in der Aussenstelle London.
Neben Pottage erhielt die Österreicherin Caroline Kuhnert von der Bank die Chance, ihre Karriere fortzusetzen. Kuhnert war in London Chefin International und damit eine wichtige Mitarbeiterin von Pottage. Unter anderem hatte sie das Indien-Team unter sich. Wegen den damaligen Unregelmässigkeiten leiteten die indischen Behörden Ermittlungen über Kundenkonten in Belgien und auf Mauritius ein.
Nach ihrem London-Job erhielt Kuhnert am Zürcher Konzernsitz die Chefstelle für Zentral- und Osteuropa sowie die aufstrebende Region Türkei offeriert. Aus der Bank ist zu vernehmen, dass sie in dieser Funktion rund 20 Milliarden Franken Kundenvermögen verantwortet.
Ein UBS-Sprecher betont, dass Kuhnert nur als Zeugin im laufenden Revisionsprozess in London befragt würde. Sie sei weder gebüsst worden, noch sei gegen sie ein Berufsverbot ausgesprochen worden.
Kommentare