Die letzte Schlacht im 4-jährigen US-Offshore-Krieg wird blutig. Und vernichtend für die Schweiz. Denn der Finanzplatz dürfte dem massiven Druck Amerikas vollständig nachgeben und sämtliche geforderten Informationen rund um das Geschäft mit vermögenden US-Kunden und ihrem unversteuerten Geldern innert Kürze offenlegen.
Die Banken werden wohl sogar persönliche Files ihrer Chefs inklusive aller Reisedaten – Flugbuchungen, Hotelübernachtungen, Spesenbelege, Angaben zu den Gründen der Reise – übermitteln, wie Recherchen zeigen. Die Datenoffenlegung ist umfassend, sie reicht vom 1. Januar 2000 bis zur Gegenwart.
Damit endet die Auseinandersetzung mit den Vereinigten Staaten in einem völligen Zusammenbruch der Schweizer Front. Wie die SonntagsZeitung gestern publik machte, fordern die USA nämlich innert 2 Wochen sämtliche Unterlagen zur grenzüberschreitenden Amerika-Vermögensverwaltung von Credit Suisse (CS), Basler Kantonalbank (BKB) und dem Schweizer Ableger der englisch-asiatischen HSBC.
Diese 3 Banken haben bereits einen Warnbrief der Steuerabteilung des amerikanischen Justizministeriums DOJ erhalten und müssen das umfassende Datenmaterial per 31. Dezember liefern.
4 weitere Banken – die Zürcher Julius Bär, die Sankt-Galler Wegelin, die Zürcher Kantonalbank (ZKB) und die Liechtensteinische Landesbank (LLB) werden den gleichen Brief des US-DOJ erhalten, und zwar „in den nächsten Tagen“, wie Recherchen zeigen. Auch sie müssen im Prinzip per Ende Jahr bereit sein mit der totalen Datenoffenlegung.
Nur die Namen der Kunden werden eingeschwärzt, damit das Bankgeheimnis – formell – gewahrt bleibt. Für 3 israelische Institute ist die Deadline offen, die Neue Zürcher Bank ist unerheblich, da in Liquidation.
Bereits morgen läuft für die 11 Banken die entscheidende Frist ab. Dann müssen ihre obersten Chefs dem Bund melden, ob sie mittels vereinfachter Rechtshilfe den USA die geforderten Unterlagen übermitteln wollen oder nicht. Die Banken seien „selbstverständlich“ frei, ob sie diesen Weg beschreiten wollen, liess Bern die Finanzhäuser am Freitag wissen. Man wäre aber bereit, sie auf diesem Weg „zu unterstützen“.
Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Banken querlegen. Nach einem monatelangen Trommelfeuer haben sie sich längst auf den Rücken gelegt und flehen um Verschonung. Weiteren Widerstand erachten sie nicht nur als zwecklos, sondern als riskant.
Der Grund liegt einerseits im harten Auftreten der Amerikaner. Andererseits sind die Institute selbst schuld an ihrer misslichen Lage. Die einen wie die CS gerieten in die Ecke, weil ihre Angestellten unversteuerte US-Kunden auf US-Boden betreut hatten. Das ist verboten.
Gegen die CS und ihr US-Offshore-Geschäft wird denn auch seit über 2 Jahren intensiv ermittelt, dieses Jahr sind mehrere Mitarbeiter, darunter der Ex-Chef des Bereichs, in Abwesenheit angeklagt worden ist.
Andere wie die kleine Basler KB erlagen im Nachgang zum von den USA erzwungenen Exit der UBS der Versuchung, US-Kunden der Grossbank Asyl zu bieten. Dass die USA solchem „Kriegsgewinnlertum“ durch die Offenlegungen von Kunden der UBS erfahren dürften, überlegten sich die Basler – und auch andere Institute – offenbar zu wenig.
Mit der Verhaftung eines Ex-UBS-Offshore-Bankers in Miami, der ab 2009 viele Kunden zur BKB transferiert hatte, geriet die Basler KB mitten ins US-Feuer. Sie muss für den erhofften Verzicht der USA auf eine Anklage gegen die Bank mit einer besonders hohen Busse rechnen.
Wie gravierend die totale Niederlage für die betroffenen Institute ist, zeigen die Warnbriefe der USA an die CS, die BKB und die HSBC und bald auch an die Julius Bär, die Wegelin, die ZKB und die LLB. Gemäss Recherchen will das US-Justizamt nichts weniger als alles ausser den konkreten Namen der Kunden.
Diese sollen später folgen; im Rahmen der erweiterten Amtshilfe – inklusive den verpönten „Fishing Expeditions“ oder Fischzügen -, sobald der Nationalrat in der Frühlingssession 2012 grünes Licht gegeben hat. Dass Schweizer Recht nur noch dem Schein nach eingehalten wird, ist für die meisten Beobachter längst klar.
Im erwähnten Warnbrief führen die US-Justizbehörden 8 ultimative Offenlegungs-Forderungen auf, alle für die Zeit vom 1. Januar 2000 bis heute. Diese sind:
1. Alle Daten zur Kommunikation zwischen Bankangestellten und US-Kunden inklusive Telefonnotizen, Memos, E-Mails etc.;
2. Alle Daten zur Kommunikation unter den Angestellten einer betroffenen Bank rund um US-Offshore-Kunden;
3. Alle Daten zur Kommunikation zwischen der Bank und Drittparteien wie Treuhändern und Anwälten, die Strukturen für die US-Kunden erstellt hatten;
4. Alle Unterlagen zu Reisen der Angestellten der Bank rund ums US-Offshore-Geschäft, inklusive Routen, unterwegs erstellte Notizen und Spesenaufstellungen;
5. Alle Dokumente zu Überweisungen von US-Offshore-Geldern an Drittbanken oder externe Vermögensverwalter;
6. Alle Dokumente rund um bisherige Strafverfahren gegen die Bank oder ihre Angestellten rund um das US-Offshore-Geschäft;
7. Alle internen Unterlagen wie Präsentationen, Memos, Berichte und Korrespondenz rund um das US-Offshore-Geschäft des Managements, der Geschäftsleitung und des Verwaltungsrats;
8. Alle persönlichen Unterlagen der obersten Verantwortlichen, des Managements und der Mitarbeiter rund um das betroffene Business.
Mit dieser umfassenden Datenoffenlegung erhalten die USA sämtliche Details, die sie benötigen, um ihr tatsächliches Ziel zu erreichen: Jagd machen auf alle noch nicht bekannten US-Steuersünder mit Konten in der Schweiz und Trockenlegung des Offshore-Paradieses Schweiz.
Die Deals, welche die 11 Schweizer Banken für ihre vorbehaltlose Kooperation von den USA im Gegenzug offeriert erhalten, beinhalten nämlich implizit sehr wohl auch die Kundendaten. CS&Co. werden durch ein Schuldeingeständnis und die Zahlung einer Busse zwar von einer unmittelbaren Strafanklage verschont, so wie dies die UBS vor 3 Jahren vorgemacht hatte.
Doch während einer bestimmten Frist müssen die Banken wohl wie die UBS kooperatives Verhalten zusichern, ansonsten die Abmachung ins Wasser fällt und eine Anklage wieder akut wird.
Kooperatives Verhalten umfasst vermutlich implizit auch die Offenlegung der Kundennamen. Die Banken bleiben am US-Haken, bis das Parlament den Weg für eine zweite „Mammut-Amtshilfe“ inklusive Namensnennung freimacht. Weigern sich die Gesetzgeber, geraten die 11 Banken erneut in den US-Würgegriff. Unter diesen Umständen ist zu erwarten, dass die Parlamentarier nur noch rhetorisch Widerstand leisten werden.
Damit erlebt die Schweiz die Kernschmelze ihres Bankgeheimnisses. Was das Land Amerika zugesteht, dürften die EU und weitere Länder bald ebenfalls einfordern.
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