Auftritt von „The Banker“ Oswald J. Grübel, 68: Der Ex-UBS-CEO ist morgen Abend Stargast der Zürcher SVP an ihrer traditionellen Januar-Veranstaltung im Zürcher Albisgüetli.
Normalerweise spricht der Bundespräsident oder die Bundespräsidentin. Das kam diesmal nicht in Frage.
Mit Eveline Widmer-Schlumpf ist derzeit jene Frau Amtsträgerin, mit der SVP-Tycoon Christoph Blocher, der das Albisgüetli zum grossen Event aufgebaut hatte, vor 4 Jahren aus dem Bundesrat gekippt wurde.
Grübel statt Widmer-Schlumpf – das verspricht Spannung. Zuerst will Grübel nichts dazu sagen und meint lediglich: „Ich werde das sagen, was ich schon immer gesagt habe.“
Dann aber lässt sich der bekannteste Banker des Landes, der die UBS letzten September nach einem 2-Milliarden-Crash verlassen hatte, doch noch in die Karten blicken.
Die Welt und damit jedes Land und jede Wirtschaft würden sich „in einem langjährigen Schrumpfungsprozess“ befinden, was Folgen für die ganze Wirtschaft“ habe, sagt Grübel . „Wo stehen wir, wo gehen wir hin, was müssen wir machen? Das will ich thematisieren.“
Eine Rede im SVP-Albisgüetli ist kein 0815-Auftritt. Gastgeberin SVP macht Werbung mit dem „grössten und bedeutendsten politischen Anlass der Schweiz“. In der Vergangenheit pilgerten jeweils über 1000 Partei-Anhänger und Interessierte in den grossen Saal hoch oben über dem Zürichsee, am Fusse des Zürcher Hausbergs Uetliberg.
Was also will Grübel, der als Teenager aus der damaligen DDR flüchtete, aus eigener Kraft ein Hundertfaches Millionenvermögen aufbaute und dieses nach seinem UBS-Abschied tagtäglich selbst bewirtschaftet, dem schweiz-nationalen SVP-Fussvolk in lauter Oktober-Fest-Atmosphäre antworten auf die Frage, was in der grössten Krise seit den 1930er Jahren zu tun sei?
„Meine Antwort? Wir müssen endlich vernünftig werden. Vernünftig heisst, dass ich mir erst dann ein Urteil erlaube, wenn ich alle Fakten auf dem Tisch habe. Das gilt in der Politik, in der Wirtschaft, überall im Leben.“
Dass dies keinen müden Hund hinter dem Ofen hervorlocken würde, lässt Grübel nicht gelten. „Mit der Wahrheit kann man die Leute fesseln, daran glaube ich, das versuche ich.“
Spätestens da wird klar, dass Grübel die Sache mit dem SVP-Albisgüetli ernst nimmt. Er, der in seiner Karriere unzählige Male unvorbereitet vor Journalisten getreten war, um aus dem hohlen Bauch heraus über die Märkte und das Leben zu philosophieren, setzte sich diesmal an den Tisch und brachte die Sätze für den morgigen Grossanlass zu Papier.
„Für einmal werde ich alles ab Blatt lesen, damit man mich ja nicht falsch versteht“, verrät Grübel. Und: „Diese Rede schreibe ich ganz allein, die sieht kein PR-Berater.“
Politische Ambitionen hat „The Banker“ offensichtlich keine. Obwohl er seit Jahrzehnten in der Schweiz lebt und sich als helvetischen Patrioten bezeichnet, ist er nicht Schweizer Staatsbürger, sondern hat seinen deutschen Pass immer behalten.
Politisch wird seine Botschaft aber sehr wohl sein. Grübel ist ein Mensch des Marktes, des Kapitalismus, des Geldes, des Wettbewerbs. Er liebt den Fight und ist überzeugt, die Stimmungen frühzeitig zu spüren und daraus Kapital schlagen zu können.
Sein Leben lang war Grübel ein Händler, der aus dem Bauch heraus entscheidet und nie den Fehler macht, sich gegen den Markt zu stemmen. Keiner ist stärker als die Masse, das weiss Grübel wie kein Zweiter.
Bei seinen privaten Investments sei er meistens früh eingestiegen und früh ausgestiegen, sagte Grübel kürzlich in einer „Homestory“ der Schweizer Illustrierten aus seinem Zürcher Büro. Er habe damit Geld auf der Strasse liegen gelassen, aber meistens sei die Rechnung auch so aufgegangen. So spricht ein erfolgreicher Händler.
Kein Erfolg war ihm am Ende seiner langen Karriere beschieden. Als er am 15. September 2011, einem Donnerstag, aus dem Flugzeug stieg und sein Handy anstellte, sah er, dass ihn sein Investmentbank-Chef Carsten Kengeter verzweifelt suchte. „Was ist los?“, fragte Grübel, als er zurückrief. „Diesmal ist es schlimm“, meinte Kengeter. „Mehr als eine Milliarde?“, hakte Grübel nach. „Zwei“, antwortete Kengeter. „Fuck!“, entfuhr es Grübel.
10 Tage später ging er von Bord, um die gigantische Kritikwelle gegen seine Bank zu stoppen, die durch ihre Subprimeverluste ab 2007 unter besonderer Aufsicht bei der Risikokontrolle stand.
Heute schaut Grübel gelassen auf seinen Abgang zurück. Auch für morgen Freitag gibt er sich betont cool.
„Ich, nervös? Nein, dafür bin ich zu alt.“ Es sei „nicht das erste Mal, dass ich vor 1000 Leute hinstehe und meine Meinung sage“, meint Grübel.
Eines wird der Albisgüetli-Star von 2012 nicht ansprechen. Die Affäre um Philipp Hildebrand und dessen Rücktritt als Notenbank-Chef vor anderthalb Wochen, der die Schweiz aufwühlt. „Zu Hildebrand werde ich sicher nichts sagen, das Ganze ist verwirrend“, begründet Grübel sein Schweigen.
Die philosophischen Einsichten eines Oswald Grübel sind gewiss interessant zu hören. Der Anlass, an welchem sie geäussert wurden, hat jedoch schon bessere Tage gesehen.
Letztlich sprach hier ein zurückgetretener Ex-Top-Banker zu einer Partei, welche gerade herbe Wahlverluste hatte hinnehmen müssen.
Auch sonst hing über der Veranstaltung ein grauer Schleier. Die Bekanntgabe Blochers, er habe den Hildebrand nun auch noch angezeigt, löste bei etlichen Hinterbänklern zwar Schenkelklopfen aus, die Nachdenklichen erfassten aber instinktiv, dass dieser Blochersche Revanchismus der Nationalbank (und damit der ganzen Schweiz und ihnen selbst) inmitten einer immer stärker werdenden Welt-Finankrise bloss schaden würde.
„….ich mir erst dann ein Urteil erlaube, wenn ich alle Fakten auf dem Tisch habe. Das gilt in der Politik, in der Wirtschaft, überall im Leben.”
Eine Lebensphilosophie, welche ich persönlich versuche umzusetzen und und zu praktizieren. Ich frage mich oft, wenn ich Leuten aller Art (Finanz, Politik, Stammtisch, etc.) zuhöre, wie schnell sich dieser oder jene kurz nach einem Ereignis eine glasklare Meinung über Thema X oder Fall Y gebildet haben. Meistens merke ich dann, dass diese „ihre Meinung“ gar nicht die ihrige ist, sondern eine projizierte Ansicht einer anderen Quelle (medial, religiös, etc. ).