Die kleine Zürcher Privatbank Hyposwiss geriet letzten Herbst zwischen die Fronten zweier Russen-Oligarchen. Diese bekriegen sich um Hunderte von Millionen Dollar.
Dank einem Positiv-Gutachten ihrer Revisorin PwC schien die Hyposwiss aus der Schusslinie zu gelangen. Doch nun zeigt ein E-Mail eines Oligarchen-Anwalts, dass die 100-Prozent-Tochter der Sankt-Galler Kantonalbank ein Compliance-Problem hat.
Das Dokument stammt von einem Anwalt der Zürcher Kanzlei BodmerFischer. Einer der Anwaltspartner ist Hans Bodmer, der im Zuge der Affäre im November aus dem Hyposwiss-Verwaltungsrat ausgeschieden war. Bodmer wurde vor Jahren in den USA schuldig gesprochen.
Das Büro Bodmer arbeitet heute für jenen Oligarchen, der das Zepter beim russischen Nickelproduzenten Norilsk schwingt. Dessen Widersacher ist der Chef des russischen Alukonzerns Rusal.
Der Rusal-Chef wirft dem Norilsk-Zampano vor, via Hyposwiss-Konten Gelder in den eigenen Sack abgezweigt zu haben.
Bodmers Anwaltskollege verschickte sein Mail mit brisanten Ausführungen und Bezug auf ein Gespräch „with Hans“ am 24. November, wenige Wochen nach Ausbruch der Krise bei der Hyposwiss. Empfängerin ist eine Mitarbeiterin von Grosskundin Norilsk.
„Dear Marianna“, beginnt der Wortlaut und beruhigt nur kurz rund um die Hyposwiss (die im Mail „H-Bank“ genannt wird). „H-Bank does not increase or change the compliance standards.“
Das ist die einzige Passage, die zum Gutachten der PwC passt, dass nämlich alles in bester Ordnung sei.
Was dann folgt, ist dicke Post für die Hyposwiss. „However, the implementation of the existing standards is stricter“, bringt es der Schweizer Norilsk-Anwalt gleich zu Beginn auf den Punkt.
Auf den folgenden Zeilen macht der Jurist klar, dass die Hyposwiss im Zuge der Affäre die Anforderungen für die verschlungenen Oligarchen-Transaktionen massiv erhöht hat. Was früher offenbar ohne Angabe von Gründen akzeptiert wurde, bedurfte plötzlich konkreter Gründe.
„In the past we had only to indicate the legal base in order to effect the payment“, steht dazu im Anwaltsmail. „Now, the bank needs also to know the economic purpose.“
Mit anderen Worten: Solange niemand um die Verstrickung der Hyposwiss in den Russen-Krieg wusste, gab sich die Hyposwiss mit reinen Deklarationen zufrieden, wonach alles rechtens sei.
Um klar zu machen, was sich geändert hatte, führt der Anwalt in seinem Schreiben an die Norilsk-Mitarbeiterin ein paar Beispiele auf.
„a) Payment under loan agreement dated …. in order to finance the purchase of a yacht; or b) Capital contribution to X-company in order to finance the purchase of a real estate located at …“
Aus den Angaben geht hervor, dass es der Hyposwiss-Compliance-Abteilung bis dahin offensichtlich nicht wichtig schien, ob Schiffe oder Häuser hinter den Transaktionen standen.
Trotz diesem Gebaren sprach die PwC, Revisorin von Hyposwiss-Mutter Sankt-Galler Kantonalbank, die Verantwortlichen der kleinen Privatbank von jeglichem Fehlverhalten frei.
Anfang Dezember verkündeten die Hyposwiss-Chefs mit Bezug auf das PwC-Gutachten, dass es „keine Hinweise auf den Tatbestand der Geldwäscherei“ gäbe, dass „keine Meldepflichten verletzt“ worden und die „Standesregeln zur Sorgfaltspflicht“ eingehalten worden seien.
Der PwC-Freispruch überrascht umso mehr, als weitere Äusserungen im Mail des BodmerFischer-Anwalts eine lockere Compliance-Kultur bei der Hyposwiss rund um deren Milliarden-Oligarchen nahelegt.
„Further, in the past we could send the payment instructions to H-bank by fax and the compliance information afterwards by ordinary mail“, hält der Bodmer-Anwalt im Mail fest. „The bank cannot accept this any longer.“ Neu bräuchte die Bank die „compliance information and documentation“ zusammen mit den Zahlungsanweisungen.
Besonders bemerkenswert ist der Nachsatz. „Agreements which are not yet signed by one or all parties will be problematic“, schreibt der Anwalt.
Das deutet darauf hin, dass die Hyposwiss-Compliance bis zu diesem Zeitpunkt unvollständige Zahlungsaufträge akzeptiert hatte.
Das Dokument wirft auf mehrere Akteure ein schlechtes Licht. Die Hyposwiss respektive deren Muttergesellschaft, die St. Galler Kantonalbank, verstanden unter Compliance ganz offensichtlich, ihrem Milliardär und dessen Schweizer Bevollmächtigten keine Steine in den Weg zu legen.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die Compliance-Chefin der Hyposwiss eine Ex-Assistentin ist und ihr Rüstzeug in einem Kurs an der Fachhochschule in Winterthur holte.
Für die PwC entwickelt sich das Hyposwiss-Gutachten nach dem „Persilschein“ für Notenbank-Chef Philipp Hildebrand zum zweiten unglücklichen Fall in kurzer Zeit. Es stellt sich die Frage, inwiefern solche Gutachten bei der führenden Bankenrevisorin der Schweiz System haben.
Hoffentlich wird die SGKB zur Rächenschaft gezogen und nicht der St. Galler Steuerzahler!!! Abschaffung der Staatsgarantie bevor es zu spät ist!
Solche Deklarationsverpflichtungen zu Transaktionen sind nun mal reine Pflichtübungen, und letztlich ist es völlig unrealistisch, von der Bank zu verlangen, dass sie die Angaben der Kunden wirklich überprüft. In den meisten Fällen kann sie das sowieso nicht.
Die Bank kann den Kunden bloss händeringend mahnen, doch bitte ein wenig deutlicher zu werden, und hoffen, dass niemals ein Steuerkommissär auf die Idee kommen wird, die Angaben nachzuprüfen, um ihr bei falschen Angaben eine Verletzung der Sorgfaltspflicht anzuhängen.
Damit bin ich nicht ganz einverstanden… Es ist heute mit mehr oder weniger Aufwand möglich, solche Deals und Transaktionen zu verifizieren oder verifizieren zu lassen. Leider kostet das Geld, aber im Endeffekt kommt es günstiger, solche Background-Checks zu bezahlen, als Reputations-Schäden zu provozieren…
Zur Ehrenrettung der Dame: Sie ist in bester Gesellschaft. Die beschriebene Praxis ist gang und gäbe bei vielen (Schweizer) Banken, die mit Russen geschäften. Anders gehts nämlich gar nicht – ausser man will einen Kunden vorsätzlich loswerden.
Tatsache ist, dass sich Compliance-Leute mit stereotypen, formellen Begründungen für die meist millionenschweren Transaktionen zufrieden geben (müssen): inter-company loan siehe Vertrag datiert vom … – alles ordentlich Russisch u Englisch abgefasst u. von Offshore-Administranten in Zypern, BVI oder Seychellen unterzeichnet u. abgestempelt. Tausendfach, seit Jahren.
Der wirtschaftliche Hintergrund der Transaktionen muss gar nicht erst erfragt werden, sondern ist für jeden klar, der einigermassen bei Verstand ist: Kapitalflucht und Steueroptimierung. Zwischendurch vielleicht mal die eine oder andere Schmiergeldzahlung, sicherheitshalber von einem separaten Konto aus getätigt (beliebte Begründung „loan to business partner“ – bemerkenswerterweise ohne Rückzahlung).
Reines „Witch-Hunting“! Zu behaupten, die Bank hätte irgendetwas zugegeben, ist bare Sensations-Mache und Unsinn. Dass im Bereich „Compliance“ auf Grund von Erfahrungen/Entwicklungen, immer wieder Anpassungen der Prozesse etc. vorgenommen werden, ist normal, ja zwingend. Jede Qualitätskontrolle funktioniert so. Jedes Modell eines Autos oder einer Uhr hat Verbesserungen (und macht neue Fehler), ohne dass deswegen das vorherige Modell als Schrott abqualifiziert werden muss. Das ist der selbstverständliche Weg zu besseren Produkten, Verfahren etc.
Ja schon. Doch müssen wir den Medien zugestehen, dass sie 1 und 1 zusammenzählen. Wir können ja immer noch mit der Information machen, was wir wollen. Nach dem „Gefälligkeitsgutachten“ der PwC bei der SNB wird man halt hellhörig…