Hier der „Trader“ Philipp Hildebrand, dort die „sauberen“ Kollegen von der Spitze der Nationalbank (SNB): So lautete die Hoffnung des Bankrats – dieser kontrolliert die Mitglieder der operativen Leitung der Notenbank – und des Bundesrats als oberste SNB-Wahlbehörde.
Die Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Übermorgen Mittwoch muss der SNB-Bankrat unter seinem scheidenden Präsidenten Hansueli Raggenbass erklären, warum er trotz weiteren Eigengeschäften von mehreren Mitgliedern des 3-köpfigen SNB-Direktoriums und deren 3 Stellvertretern keine zusätzlichen disziplinarischen Massnahmen gegen Einzelpersonen ergreifen will.
Das Obergremium wird dies mit Verweis auf ein Gutachten der Revisionsgesellschaft KPMG tun. Laut einer mit dem Thema vertrauten Quelle haben die nach der Affäre Hildebrand beauftragten KPMG-Spezialisten mehrere Eigen-Deals der SNB-Spitze in den 3 untersuchten Jahren von 2009 bis 2011 zutage gefördert, die zu heiklen Zeitpunkten stattgefunden haben.
Keine dieser Transaktionen würde aber letztendlich einen weiteren Rücktritt eines Top-Manns der SNB zwingend machen, sagt die Quelle.
Das KPMG-Resultat ist brisant. Philipp Hildebrand, der vor zwei Monaten nach Bekanntwerden einer heiklen Dollar-Transaktion kurz vor der Anbindung des Frankens an den Euro im Herbst 2011 abtreten musste, war somit nicht der einzige Schweizer Spitzen-Notenbanker, der Währungen oder Wertpapiere zur Unzeit erworben oder verkauft hatte.
Ist die SNB-Spitze eine Truppe von Dealern in eigener Sache? Herrschte in den letzten Jahren bei der Hüterin des Schweizer Frankens in den obersten Rängen ein fast schon frivoles „Gamblen“ zwecks Aufbesserung der eigenen Saläre, die zwischen einer halben und einer ganzen Million betragen?
Diesem Eindruck will der Bankrat den Wind aus den Segeln nehmen, sagt der Insider. Deshalb werde die SNB-Aufsicht die entsprechenden Deals umfassend offenlegen und erläutern.
Das Problem liegt auf der Hand: Die obersten SNB-Köpfe fällen Entscheide von weit reichender Bedeutung. Sie öffnen die Geldschleusen, legen Zinsen fest, binden im Extremfall die Währung an. Damit können sie die „Preise“ auf den Finanzmärkten direkt beeinflussen. Die SNB-Chefs sind also die ultimativen Insider.
Die besondere Stellung ruft bei der SNB-Führungscrew nach besonders vorsichtigem Gebaren, wenn es um die eigenen Finanzen geht. Es wurde nicht befolgt.
Vielmehr kam es in der Ära von Philipp Hildebrand offenbar zu einer gefährlichen Lockerung der Sitten. Unter Hildebrand wurde ein Reglement für Eigengeschäfte eingeführt, das im Detail regelte, was dem Präsidenten und seinen Direktoriums-Kollegen an Wertpapier- und Devisenkäufen erlaubt war und was nicht.
Die Hildebrandsche Regelung der SNB-Eigengeschäfte schob gefährlichen Eigendeals aber keinen Riegel, sondern öffnete solchen Transaktionen in der Grauzone erst Recht Tür und Tor.
Denn nun stand nicht mehr der einfache Grundsatz im Zentrum, wonach niemand in der SNB-Spitze durch eigene Transaktionen den Ruf der Notenbank gefährden dürfte. Dieser Leitsatz stand in Konkurrenz zu vielen detaillierten Vorschriften, die bestimmten, was wann für wen erlaubt oder verboten war.
Das SNB-Eigenreglement mutierte zum klassischen Beispiel einer Vorschrift, die alles erlaubte, was nicht explizit untersagt war. Vor Hildebrand war hingegen nichts erlaubt, das auch nur den Anschein eines Interessenkonflikts in sich bergen konnte.
Einer, der trotz der Lizenz zum Dealen keine Schramme durch die KPMG-Untersuchung abbekommen hat, ist offenbar Thomas Jordan. Der Vize-SNB-Chef dürfte somit vom Bundesrat zum definitiven Nachfolger von Hildebrand berufen werden.
Weitere Nominierungen könnten durch die KPMG-Resultate beeinflusst werden. Es geht um die Bestimmung eines dritten Mitglieds des 3er-Direktoriums. Anstelle eines internen Manns könnte nun ein Externer bevorzugt werden.
Mit dem freien Handeln in eigener Sache dürfte bald Schluss sein. Der Bankrat plant, entweder sämtliche Deals zu verbieten. Damit würde die Aufsicht die obersten Führungsleute zu Anlage-Eunuchen in eigener Sache machen. Faktisch wäre ihnen nur noch ein Sparbüchlein erlaubt.
Vermutlich setzt sich aber das Lager der Liberalen im Bankrat durch, das der operativen Spitze lediglich vorschreiben will, dass sie ihre Vermögensverwaltung einem externen Beauftragten zu übertragen hat. Damit würden Vermögensverwaltungs-Aufträge zur Pflicht für die SNB-Führungsleute.
Dies hatte Philipp Hildebrand gegenüber seinem Private-Banker bei Sarasin explizit auf später verschoben. Wäre ein VV-Mandat schon zu seiner Zeit obligatorisch gewesen, hätte Hildebrand seinen Fall möglicherweise „überlebt“.
Ist KPMG wirklich unabhängig genug, um eine solch delikate Untersuchungen durchzuführen? Die (gewollt?) unterdotierte und zahnlose Finma kann es ja offensichtlich nicht. Ein glaubwürdiger Regulator muss aber in der Lage sein, mit eigenen Spezialisten zu operieren.
Ich könnte nicht mehr zustimmen; insbesondere betr. FINMA. Betr. KPMG hoffe ich, dass sie aus den „Nachwirkungen“ zur PwC-Arbeit etwas lernen (bekanntlich stirbt ja die Hoffnung zuletzt). Die FINMA ist in der Schweiz wirklich ein Problem. Es ist jedoch eine Grundtendenz, dass sich die politischen und regulatorischen Stellen von der Wirtschaft diktieren lassen, was zu tun ist. Andere Beispiele sind Preisüberwacher/SBB-Preise, Widmer-Schlumpf/SNB-Reglement, …