Michele Moor ist eine grosse Figur auf dem Finanzplatz Lugano. Der 47-jährige war Leiter des Tessiner Wegelin-Ablegers, präsidierte die Schweizerische Offiziersgesellschaft, wollte in den Nationalrat.
Jetzt sieht sich Moor mit Fragen aus der Vergangenheit konfrontiert. Der Spitzenbanker, der kürzlich eigene Firmen im Handelsregister eintragen liess, war bei Wegelin ab Januar 2010 direkter Vorgesetzter von Alessandro C. Dieser sass ab jenem Zeitpunkt in Moors kleiner Geschäftsleitung.
Am Samstag wurde Alessandro C. von den Tessiner Behörden verhaftet. Laut Ticino News geht es um Betrug, Veruntreuung und Vertuschung. Der Blick berichtete am Montag auf der Frontseite.
Alessandro C. war zuerst bei Wegelin und ab Anfang 2012 bei deren Nachfolgerin Notenstein für den Bargeldhandel zuständig. Das Geschäft galt Wegelin-intern als Steckenpferd von C’s Vorgesetzten Michele Moor. Es blühte dank den vielen italienischen Grenzgängern im Südkanton.
Zusammen mit einem externen Wechselstubenbesitzer soll Notenstein-Banker C. einen Schaden von 15 Millionen Franken angerichtet haben, melden Medien mit Bezug auf die Ermittler. Diesen trägt die Raiffeisen als Notenstein-Mutterbank.
Alessandro C. ist laut Ticino News teilgeständig. Der Wegelin-Notenstein-Banker soll mit dem zweiten Verhafteten Währungsspekulationen rund um die Euro-Anbindung der Nationalbank von September 2011 getätigt haben.
Der Tessin-Sitz der Ex-Wegelin und heutigen Notenstein liegt in der ehrwürdigen, teuer ausgestatteten ehemaligen SNB-Liegenschaft mitten in Lugano. Es handelt sich um eine repräsentative Immobilie, die eher an eine imposante Villa als an ein funktionales Geschäftshaus erinnert.
Eine Sprecherin von Notenstein bestätigt den Vorfall. “Es handelt sich um das nur im Kanton Tessin betriebene Geschäft der Bargeldverarbeitung”, sagt Dominique Meier. “Notenstein Privatbank hat nach ihrer Übernahme entschieden, dieses Geschäft einzustellen.”
Dabei seien vor kurzem “Unregelmässigkeiten in Bezug auf zwei Bargeldverarbeiter” zum Vorschein gekommen und die “notwendigen rechtlichen Schritte” eingeleitet worden.
Michele Moor reagierte am Telefon kurz angebunden. Er wolle nichts sagen, solange nicht klar sei, wer seine Privatnummer angeben würde. Per Mail nachgereichte Fragen liess Moor unbeantwortet.
Moor galt als Kern-Partner bei Wegelin. Er wurde von Konrad Hummler und Otto Bruderer, den Gründervätern der damals aufstrebenden Privatbank, zum vierten von zuletzt acht geschäftsführenden Teilhabern des St. Galler Instituts gekürt.
Als Wegelin vor Jahresfrist nur noch das US-Geschäft behalten hatte, wurde Moor letzter Geschäftsführer der Rumpfbank.
Moor ist zwar ausgebildeter ETH-Ingenieur, war aber fast sein ganzes Berufsleben lang im Private Banking tätig. Sein Vater war Direktor der Rothschild-Bank im Tessin.
Von Hummler und Bruderer fasste Moor Ende der 1990er Jahre den Auftrag, die Niederlassung Lugano zu gründen und von dort aus Wegelin auf die Tessiner Landkarte zu setzen.
Hummler und Moor sind beide hohe Offiziere. Wie sein langjähriger Chef hat es Moor zum Oberst im Generalstab gebracht.
2005 schaffte Moor überraschend die Wahl zum Präsidenten der einst einflussreichen Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG). Nach nur 3 Jahren gab er das Amt ab. Er wolle für die CVP kandidieren, was sich schlecht mit dem SOG-Job vertrage.
Letzten Sommer wurde bekannt, dass die erfolglose Tessiner SVP Moor für sich gewinnen wollte. Laut dem Tessiner SVP-Präsidenten habe Moor als Gegenleistung gefordert, nach einer erfolgreichen Wahl ins nationale Parlament als Bundesratskandidat aufgestellt zu werden. Dies berichtete die Zeitung “Der Sonntag”.
Moor, stets perfekt gekleidet, ist ein Frühaufsteher. Er soll fast täglich morgens ausreiten, heisst es aus seinem Umfeld.
Kein Glück hatte Moor mit der Wahl der ehemaligen Tessiner FDP-Regierungsrätin Marina Masoni. Masoni war von 2008 bis Ende 2009 Leiterin der Lugano-Filiale von Wegelin. Anfang 2010 ging sie ohne Angabe von überzeugenden Gründen von Bord.
Masonis Geschäftsergebnisse sollen nicht schlecht gewesen sein, sagen Insider. Nach Masonis Abgang setzte sich Wegelin-Tessin-Leiter Moor selbst in den Lugano-Chefsessel.
Wegelin-Käuferin Raiffeisen hält die Karten bedeckt. Ein Sprecher wollte nicht sagen, ob die Bank einen allfälligen Schaden bei Hummler&Co. einfordern würde.
Raiffeisen hatte vor Jahresfrist Wegelin ohne USA für rund eine halbe Milliarde Franken gekauft und in Notenstein umgetauft.
Ein etwas anderer Blickwinkel auf die Wegelin Affaire:
Ehrenhafter Abschluss einer Affäre
http://bazonline.ch/wirtschaft/unternehmen-und-konjunktur/Ehrenhafter-Abschluss-einer-Affaere/story/17826153
Aus der Website von Herrn Moor: “Ich bin Oberst im Generalstab. Zur Zeit bin ich im Stab der Territorialregion 3 als Unterstabchef Operationen eingeteilt.”
Oder: Früher wusste ich nicht, wie man Stab(s)chef schreibt, jetzt bin ich selber einem …
Oh Herr Angst. Das ist ja hochrelevant. Sicher haben Sie Ihr ganzes Leben noch nie einen Tipp- oder Rechtschreibefehler gemacht, vor allem nicht in einer Fremdsprache.
Ich vermisse noch den Seitenhieb auf Pierin und eine unprofessionelle Due Diligence, welche das 15-Millionen-Loch nicht erkannte. Ebenfalls könnte man ja vielleicht die geographische Nähe und bergige Landschaft des Kantons Tessin auch dazu verwenden, Moor auch mit dem “Bergler”-Duo infernale EWS + Pierin zu verbinden.
😉
Herrlich! Eine klassische Ticino-Story wie ausm Bilderbuch. Und gleichzeitig wird immer klarer, worauf die sagenhafte Wegelin-Erfolgsgeschichte gründete. Bargeldverkehr als Geschäftsmodell im Tessin, man stelle sich das mal vor! Sowas
haben ab 2005 nur noch die leichtsinnigsten der zweitklassigen Banken verfolgt. Passt aber wunderbar ins Gesamtbild: US-Steuerhinterzieher an Bord geschleppt, dazu dubiose Russen en masse – und heute, als Notenstein-Zombie, noch Kasachen und Konsorten. Nix, aber auch gar nix dazugelernt. Damned to die. Und das ist auch gut so.
@Sandra: Notenstein als Zombie zu bezeichnen ist wohl ein wenig falsch. Seit ich die Anlagemethode kennenlernen durfte, muss ich sagen, dass dies in der Schweizer Bankenlandschaft einzigartig ist. Wäre für Sie vielleicht mal eine Anregung, sich diese erklären zu lassen –> vorallem im Bereich Vermögensverwaltung – extraklasse! Nur darum wird es wohl so sein, dass die Kundenvermögen bereits wieder wachsen…
In allen Landesteilen der Schweiz summieren sich kriminelle Unregelmässigkeiten bei Banken je länger je mehr. Dass dabei altgediente Schlacht-Rösser wieder ins Lampen-Licht gezerrt werden, macht die Sache noch prekärer! Die wirtschaftlich-politische Kumpanei im Fall Moor (mit Bundesrats-Allüren -:)) zeigt wieder eindrücklich auf, wie zweifelhafte Liaisons dazu dienten ‘auf Teufel komm raus’ Profite und Wachstum zu generieren.
Nun ist der Schaden angerichtet;
aber keiner fühlt sich verpflichtet!
Keiner fühlt sich verpflichtet? Wie ist das wohl zu verstehen?
Wenn 15 Mio. Schaden entstanden ist, geht diese zu Lasten der Notenstein Erfolgsrechnung –> ist also doch jemand verpflichtet!
Ebenfalls nicht ganz nachzuvollziehen was dieser Artikel mit “Profit und Wachstum” zu tun hat, wenn ein einzelner Mitarbeiter Geld verspielt. Dies gibt es beim Kirchenchor wie bei Grosskonzernen überall in gleichem Ausmass…
Was mal wieder zeigt, dass es gewissen Personen nur dann gelingt “Erfolg” zu haben, wenn sie sich in Organisationen einnisten und zu Lasten der Eigentümer und Mitarbeiter am Rande der Legalität wirtschaften. Dass Finanzindustrie, Politik und Religion (CVP) auch eine gewisse Anziehung auf “Schädiger” haben, ist ja bekannt, doch dass diese “Schädiger” direkt aus dem jahrelangen Führungsstaab unserer kollegialen Milizarmee stammen gibt schon zu denken..
Ich denke es wäre intelligenter die Softskills von HR-Leuten und Managern zu fördern, anstatt (sorry für die Ausdrucksweise) hochdekorierte …… einzustellen und die Rechnung dann den Genossenschaftern zu präsentieren.
Ich glaube hier wird was verwechsel – nicht Michele Moor ist der Mitarbeiter, welcher einen Schaden angerichtet hat! Oder verstehe ich was falsch?
Nein, C.L., Sie verstehen das nicht falsch. Aber der Durchschnittsmensch verrennt sich halt nur zu gerne in Entrüstung gegen solche, die erfolgreich sind. Neid. Nichts Neues.
Es ist nicht sehr klar wie stark die betroffene Persönlichkeit in diesen Missstand verwickelt ist. Der Artikel impliziert hier jedenfalls alles andere als Unwissen. Wer anstelle von Gerüchten und Mutmassungen lieber Fakten mag, liest wohl besser Gerichtsentscheide oder die Inhaltsangaben von Lebensmitteln.
Lasst sie endlich ruhen! Nach dem Vergleich (USD58m) von heute gegen die früheren Verantwortlichen von Wegelin ist die Zeit gekommen, dieses Kapital zu beenden. Ein guter Vergleich und aus Sicht der CH endlich ein Schritt in die richtige Richtung. Lasst uns vorwärts schauen und endlich die ECHTEN wichtigen Herausforderungen anzupacken, anstatt immer in den gleichen Wunden zu grübeln. Die ehemaligen Verantwortlichen von Wegelin sind genug abgestraft und haben es verdient, wieder vorwärts schauen zu dürfen.