Letzten Donnerstag feierte „Wunderinvestor“ Rainer-Marc Frey seinen Fünfzigsten. Das Mitglied des UBS-Verwaltungsrats konnte auf eine stolze Unternehmerkarriere und viel Geld zurückblicken.
Gleichzeitig musste es Frey mulmig werden. In London wurden just an Freys Geburtstag Marcel Rohner und weitere Ex-Spitzenmanager der Grossbank von einer englischen Parlamentarier-Kommission mit „inkompetent, ignorant und grobfahrlässig“ abgekanzelt. Rohner&Co. schwiegen.
Grobfahrlässigkeit könnte die Tür für Klagen öffnen. Damit würde wohl auch der berühmte Rainer-Marc Frey, der im 2002 seine RMF-Hedgefunds für 1,3 Milliarden verkaufte, in Erklärungspflicht geraten.
Frey wurde am 23. April 2008 ins oberste Führungs- und Aufsichtsgremium des Schweizer Finanzmultis gewählt. Nach fast 40 Milliarden Subprime-Abschreibern kam es zu einem ersten Generationenwechsel im VR.
Frey nahm Platz im Risk Committee. Als Hedgefund-Star, der seinen Weg in der Finanzindustrie als erfolgreicher Unternehmer gemacht hatte, lag diese Wahl auf der Hand.
Das Risk Committee wurde damals neu gegründet. Zuvor gab es keines. Neben Frey gehörten der frühere Morgan-Stanley-Manager David Sidwell und der BMW-Chef Helmut Panke zur ersten Risk-Kerntruppe auf strategischer Ebene der UBS.
Dass die Einschätzung von Risiken von zentraler Bedeutung war, musste allen Risk-Topleuten klar sein.
Die UBS war als eine von mehreren globalen Investmentbanken nach massiven Fehleinschätzungen der eigenen Positionen in Schieflage geraten und brauchte notfallmässig frisches Kapital.
7 Tage vor Rainer-Marc Freys Wahl in den UBS-Verwaltungsrat mit anschliessender Delegation ins Risk Committee schrieb die führende Finanzzeitung Wall Street Journal in einem inzwischen berühmten Artikel erstmals gross über mögliche Manipulationen beim Libor-Zinssatz.
„Bankers Cast Doubt on Key Rate Amid Crisis“, lautete die Headline, darunter stand im Untertitel pointiert: „One of the most important barometers of the world’s financial health could be sending false signals.“
Die Zeitung machte damit als erstes globales Wirtschafts- und Finanzmedium unmissverständlich auf mögliche Manipulationen der am Libor-Verfahren beteiligten Banken aufmerksam.
Den Reportern war die Differenz zwischen den Libor-Eingaben der jeweiligen Banken und deren Risiko-Aufschlägen für eigene Kredite im freien Markt ins Auge gestochen.
„The Libor system depends on banks to tell the truth about their borrowing rates“, stand im Artikel an einer Stelle.
Damit war klar: Das renommierte Blatt fragte implizit nach Lug und Betrug beim Libor.
Am Schluss verwiesen die Wall-Street-Journalisten auf die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die „Zentralbank aller Zentralbanken“.
In einem Bericht hatte die BIZ mit Blick auf die täglichen Libor-Eingaben der beteiligten wichtigsten Finanzhäuser der Welt festgehalten, dass „banks might have an incentive to provide false rates to profit from derivatives transactions“.
In jenen Frühlingswochen 2008, als mit Bear Stearns die erste Wallstreet-Bank gerettet werden musste, drehte sich alles um Investmentbanken und deren Risiken. Wegen ihren horrenden Verlusten war die UBS besonders exponiert.
Der Artikel des Wall Street Journals stach aus dem Informations-Ozean heraus, weil er einen neuen möglichen Abgrund des Finanzsystems auftat.
Für die Spitzenbanker der involvierten Finanzmultis musste auf Anhieb klar sein, dass es sich bei allfälligen Libor-Manipulationen um ein hochrelevantes Thema handelte. Am Libor-Satz hängt bis heute praktisch die ganze Kredit-Welt.
Just in jener Zeit bereitete sich der Schweizer Risiko- und Hedgefund-Star Rainer-Marc Frey auf seinen Einsatz bei der UBS vor.
Ein Mandat im erlauchten Kreis der UBS-Verwaltungsräte galt selbst in jener Zeit, als die Bank in argen Nöten steckte, als Eintrittsticket in die obersten Zirkel der helvetischen Wirtschaftselite.
Unter Frey und seinen Risk-Committee-Kollegen ging es mit der UBS zuerst weiter steil bergab. Die Bank musste ein halbes Jahr nach Freys Start von der Eidgenossenschaft und der Nationalbank vor dem Untergang gerettet werden.
Noch kein Jahr war vergangen, da musste die Schweiz ein zweites Mal für die UBS in die Bresche springen.
Das Land opferte ihr 75-jähriges Bankgeheimnis, um die Bank im US-Steuerstreit vor einer Anklage als „kriminelle Organisation“ zu schützen.
Hinter den Kulissen mit den atemberaubenden Rettungsaktionen lief der Libor-Betrug in jener Zeit innerhalb der UBS auf Hochtouren.
Unbemerkt von Tausenden von Risk-Managern und vermeintlich ausgeklügelten und teuren Überwachungssystemen bog mehr als ein halbes Hundert UBS-Angestellte und -Manager praktisch täglich den Libor nach eigenem Gusto zurecht.
Erst Ende 2009 war Schluss. Eine interne Untersuchung brachte den umfassenden Betrug ans Tageslicht. Vor Weihnachten bekannte sich die Bank für Manipulationen mit dem Japan-Libor schuldig und zahlte 1,4 Milliarden.
In den „heissen“ Libor-Jahren kam Rainer-Marc Frey und seinen Kollegen im UBS-Risk-Committee entscheidende Bedeutung zu.
Gemäss UBS Corporate Governance ist der gesamte VR verantwortlich für „die Festlegung der Risikogrundsätze, des Risikoappetits und der wichtigsten Portfoliolimiten sowie ihre Zuweisung an die einzelnen Unternehmensbereiche“.
Ins Pflichtenheft des Risk Committees fällt „das Risikoprofil und die Umsetzung des vom Verwaltungsrat genehmigten Systems für Risikomanagement und -kontrolle“.
Das Risk Committee „beurteilt und genehmigt“ zudem „die wichtigsten Methoden zur Risikomessung“.
Erst jetzt kommt die operative Konzernleitung ins Spiel. Sie ist „für die Umsetzung des Systems für Risikomanagement und -kontrolle zuständig, kontrolliert das Risikoprofil der Bank und genehmigt die wichtigsten Risikorichtlinien“.
Diese klare Aufgabenteilung machte UBS-Riskchef Philip Lofts letzte Woche klar. Lofts stellte sich den englischen Abgeordneten einen Tag vor Rohner.
Er und seine Kollegen im Management seien für die Umsetzung der Risikoaufsicht zuständig, sagte Lofts.
Das Risiko-Kontrollsystem sei hingegen Sache des Verwaltungsrats respektive des entsprechenden Risk Committees.
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Ich hatte diverse Diskussionen mit Herrn Frey über die Finanzmärkte. Er erinnert sich sicher nicht mehr daran, ist ja schon Jahre her.
Er hatte nie eine prononcierte oder interessante Meinung, sondern kaute die Gemeinplätzchen wieder, die man morgens in der FT liest.
Aus meiner Sicht ein cleverer Geschäftemacher, der zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und sich die richtigen Leute „gewogen“ gemacht hat.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit ist er voll geleveraged in die Finanzkrise 2008 hineingerasselt, andernfalls hätte er wohl kaum im dümmsten Moment UBS-Aktien verkaufen müssen.
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Keine Ahnung wo RMF war. – Wissen Sie’s? – Vielleicht im Urlaub, gerade auf der Toilette, in der Kaffee-Pause?
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Von wegen „Hedge Fund Star“.
Hätte Raini das Rentenanstalt Management/ Dominique Morax nicht mittels Equity Anteil an der RMF AG für die privaten Konti (via Beteiligung durch die Long Term Strategy AG) des Swiss Life/Rentenanstalt Managements „beeinflusst“ (das ist noch sehr diplomatisch ausgedrückt…), wären die Milliarden geflossen und RMF hätte den Laden schliessen müssen, denn die Performance seiner Hedge Funds waren erbärmlich. Niemand würde von ihm sprechen und von UBS VR keine Spur.
Aber so kommen diese Geschäftemacher halt weiter, scheffeln Kohle und bauen ihr Network auf und finden sich alle bei den grossen Banken.
Nein, ich bin kein Neider, aber es muss einfach gesagt werden, wass wahr ist.
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Da haben Sie vollkommen recht. Es war auch ein stattlicher Preis, den die Käufer für RMF bezahlt haben, wenn man bedenkt, dass die RMF nur ein oder zwei Jahre einen kleinen Gewinn ausgewiesen hat. Man vergesse auch nicht, dass der Verkauf nach dem Platzen der .com-Blase erfolgt ist. Ein Schelm ist, wer denkt, dass er die Käufer noch aus seinen Londoner Zeiten kannte…:-) Und nochmals, ein VR der seine Anteil an der Firma verkauft, bei derer er im VR sitzt und behauptet, er hätte keine Einsicht in den Geschäftsgang, für was sitzt er dann im VR?
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Das ist doch die Höhe, dem armen RMF etwas in die Schuhe zu schieben, schliesslich hat er nach seinem Eintritt bei der UBS seine Aktien verkauft und unmissverständlich klar gemacht, dass er als Verwaltungsrat KEINEN Einblick in den Geschäftsgang der UBS habe, also weit weg von jeglichem Insiderwissen gehandelt habe. Ich finde, das ist Beweis genug, dass er aus der Sache raus ist…
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Wers der Inside – UBS laubt zahlt en Batze!
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Ironie ist nicht Ihre Stärke, oder?
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Was soll das heissen für einen, der bei der UBS in der Schweiz die Hypothek aufgenommen habe? Ausgerechnet eine mit Libor?
Haben sie einem auch hier in der Schweiz abgezockt? -
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Libor ist eine globale Grösse. Wenn also manipuliert wurde, dann hat das auch Einfluss auf die Schweiz! Wann es jedoch positive und wann negative Auswirkungen auf wen gehabt hat, dürfte sehr schwer zu beweisen sein. Wir können die amerikanischen Sammelklagen nun beobachten und ev. „daraus etwas lernen…“.
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im Gegenteil, sie mussten den Zins ja so tief als möglich darstellen, um hohe Bonität und somit tiefe Aufschläge vorzugauckeln….
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Frau Jametti, an Ihrer Stelle würde ich mich warm anziehen und einen grösseren Betrag zur Seite stellen. Die Amerikaner kommen bestimmt noch auf die Idee weiteren Profiteuren der Manipulation Geld einzufordern…
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Was soll das heissen für einen, der bei der UBS in der Schweiz die Hypothek aufgenommen habe? Ausgerechnet eine mit…
Libor ist eine globale Grösse. Wenn also manipuliert wurde, dann hat das auch Einfluss auf die Schweiz! Wann es jedoch…
im Gegenteil, sie mussten den Zins ja so tief als möglich darstellen, um hohe Bonität und somit tiefe Aufschläge vorzugauckeln....