Wenn Martin Scholl im beigen Regenmantel durch Zürichs Strassen schlendert, erkennt ihn kaum jemand. Umgekehrt Raiffeisen-Zampano Pierin Vincenz, der ist auf allen Kanälen präsent.
Martin Scholl, vor 35 Jahren als kaufmännischer Lehrling zur Zürcher Kantonalbank (ZKB) gestossen, und Pierin Vincenz, der seinen St. Galler Wirtschaftsabschluss gerne zur Schau stellt, wetteifern um die Vorherrschaft im Heimmarkt.
Immer ist Doktor Vincenz eine Nasenlänge vor Scholl. Sezession bei der Bankiervereinigung? Vincenz steht im Vordergrund. Aduno-Zahlungsverkehrs-Kooperation? Vincenz ist VR-Präsident. Six-Börsengruppe? Vincenz ist dabei, die ZKB vertritt nicht CEO Scholl, sondern deren Handelschef.
Vor allem hat Vincenz seine Strategie bereits umgesetzt. Mit Wegelin-Notenstein meldete er seine Ansprüche im Schweizer Private Banking an.
Scholl ist derweil noch nirgends. Von allem ein bisschen und viel zu gross für den Kanton Zürich – so präsentiert sich die ZKB nach 5 Jahren unter dem vom Stift zum CEO hochgekletterten Banker.
Ende der Schonzeit, sagt sich offenbar der 51-jährige, und forderte kürzlich via Bankrat 2 Milliarden von Besitzerin Kanton Zürich. Was Vincenz kann, das kann ich auch.
Wie das gehen soll, bleibt verschwommen. Scholl wolle zuschlagen, wenn sich die Berner Valiant ein nächstes Mal zum Kauf anbietet, heisst es in Zürcher Bankerkreisen.
„Klar, auch wir machen uns Gedanken über eine Konsolidierung im schweizerischen Bankgewerbe und wollen bereit sein, wenn es tatsächlich dazu kommen sollte“, sagt die ZKB. Konkret laufe „gegenwärtig“ aber nichts.
Andere behaupten, die ZKB wolle das Geld für den Zusammenkauf vieler kleiner und mittelgrosser Privatbanken.
So oder so hat die Bank längst auf agressives Wachstum umgeschaltet.
„Die ZBK ist – gemessen an den Vorschriften der Finma – nicht üppig mit Kapital ausgestattet“, sagt Bankenprofessor Martin Janssen. „Die Korrektur der knappen Kapitalisierung und die Möglichkeit, bei einem möglichen Konsolidierungsprozess im Bankenmarkt auf der Käuferseite stehen zu können, würden den Umfang der Kapitalerhöhung verständlich erscheinen lassen.“
Für die Zürcher Steuerzahler, die für die Risiken der ZKB haften, ist der Vorstoss gefährlich.
In den letzten Jahren ist die ZKB unkontrolliert gewachsen, ohne dass sie sich genug Gedanken über das Ziel gemacht hat.
Das zeigt die stark ausgeweitete Bilanz. Hatte die ZKB 2007, also vor der Krise, erst 103 Milliarden auf den Büchern, waren es Ende 2011 bereits 134 Milliarden – ein Drittel mehr. Die beiden Grossen UBS und CS haben in der gleichen Zeit ihre Bilanz in etwa halbiert.
Umgekehrt verlief die Entwicklung beim Gewinn. Lag dieser 2007 noch bei stolzen 843 Millionen, erreichte er 4 Jahre später nur noch 769 Millionen.
Aufgeblähte Bilanz mit viel mehr Risiken, gleichzeitig rückläufiger Gewinn: Die ZKB kaufte sich in den letzten Jahren Marktanteile der schrumpfenden und regulierten Grossbanken zu Tiefpreisen.
Auf den Lohn von Martin Scholl hatte die Entwicklung keine negativen Auswirkungen. Dessen gesamte Entschädigung blieb zwischen 2008 und 2011 praktisch unverändert bei 1,7 Millionen.
Besonders im umstrittenen Investment Banking zog die ZKB unter CEO Martin Scholl, der seinen Weg im klassischen Kreditgeschäft und nicht auf der Handelsseite gemacht hatte, Geschäfte an Land.
Sie tat dies punktuell und ohne sichtbare Strategie. So holte sie vor einiger Zeit ein 18-köpfiges Index-Team der Credit Suisse an Bord. Von der CS und anderen Banken stellte sie sich zudem eine Equipe im Geschäft mit „Commodity Trade Finance“ zusammen.
Stolz verweist die Bank auf den Erfolg im boomenden Index-Business. „Das Total der passiv verwalteten Vermögen beläuft sich per Ende Dezember 2012 auf 32 Milliarden Franken, davon 15 Milliarden ETF’s – ein eindrücklicher Leistungsausweis der „CS-Truppe“ im Asset Management der ZKB“, sagt Sprecher Urs Ackermann.
Der ZKB-„Leistungsausweis“ ist relativ. Das von der CS übernommene Team versprach laut einem Insider 20 Milliarden investierte Assets. Davon ist die Bank trotz Boommarkt ein gutes Stück entfernt.
Und: Der ETF-Markt – leicht handelbare Exchange Traded Funds – ist hart umkämpft. Soeben hat die CS die Waffen gestreckt und die von ihr verwalteten 18 Milliarden Dollar ETF-Anlagen an US-Assetmanagerin Blackrock verkauft.
Beim ETF-Business und anderem Investment Banking der ZKB handelt es sich um Kundengeschäfte, bei denen viel Stroh gedrescht werden muss, um auf ansprechende Gewinne zu kommen. Es ist ein Umsatzbusiness mit mageren Margen.
Das zeigt der Gewinn in der Sparte Handel. Trotz massivem Ausbau stieg er nur leicht, von 341 Millionen im 2007 auf 356 Millionen im 2011.
Ausser Spesen nichts gewesen.
Schlimmer noch: Dem mangelhaften Ertrag steht eine Explosion bei den Risiken in den Handelsbüchern gegenüber.
Die Derivatekonstrukte waren bis 2009 mit 65 Milliarden nur eine Fussnote in der ZKB-Buchhaltung. Dann schossen sie in die Höhe. 2010 betrugen sie 382 Milliarden, Ende 2011 sogar 447 Milliarden.
Auch hier umgekehrte Welt: Die Grossen UBS und CS bauen ihre gigantischen Derivateberge ab, die ZKB legt massiv zu.
Nur ja kein Aufhebens machen, sagt sich die Staatsbank offenbar. Per Anfang 2013 hat sie ihr Investment Banking umgekauft. Neu heisst der Bereich Institutionals & Multinationals.
„Der Begriff Investment Banking ist stark negativ besetzt“, meint ein Sprecher. „Da fragten wir uns: Warum bringen wir nicht wie in allen anderen Vertriebseinheiten der Bank den Kundenfokus der Handelsabteilung zum Ausdruck?“
Der grosse Vorteil der ZKB ist ihre Staatsgarantie. Diese führt zu einem Triple-A bei allen Ratingagenturen und verbilligt die Geldaufnahme im Interbankenmarkt.
Während die CS rund 120 Basispunkte Aufpreis zum Benchmark zahlen muss, sind es bei der ZKB vielleicht 20.
Das verzerrt den Wettbewerb. Die ZKB kann sich ungleich günstiger refinanzieren und die aufgenommenen Gelder für ihren Ausflug ins Handelsgeschäft nutzen. Ohne Garantie des Kantons läge das Rating der ZKB tiefer.
Neu will die ZKB für den einzigartigen Vorteil etwas abliefern. Viel ist es nicht.
„Die von der ZKB vorgeschlagenen 20 Millionen als Entgelt für die Staatsgarantie sind ohne weitere Informationen nicht nachvollziehbar“, sagt Professor Martin Janssen. „Sie scheinen mir eher tief.“
Für den grossen Aufbruch der Kantonalbank unter ihrem CEO Martin Scholl steht allein der Steuerzahler gerade.
„Die Frage stellt sich schon, wer die Kapitalerhöhung der ZKB finanzieren soll, der Steuerzahler oder der private Anleger“, sagt Janssen.
„Aus marktwirtschaftlicher Sicht kann man weder die Gratisversicherung der Grossbanken durch die Eidgenossenschaft noch die Erhöhung des Kapitals der Kantonalbanken durch den Steuerzahler noch eine staatliche Postbank begrüssen.“
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Hochgeschätzter Herr Hässig,
Sie mögen mir den Themensprung verzeihen, Ihr „5 Minutes Interview“ von heute 18.01. scheint mir fast bedeutsamer zu sein, sicher aber interessanter, als die ZKB-Geschichten.Ein paar Fragen am Rande des Kriegsschauplatzes:
Sie meinen, für Hummler gäbe es nichts zu gewinnen – er schlage nur so um sich mit seiner Klage gegen Hrn. Darbellay.Zitat: „..es ist nicht das, was der freie Schweizer unter Demokratie und freier Meinungsäusserung versteht.“
Da mir diese Sichtweise persönlich nicht ganz unumstritten scheint, möchte ich Sie gerne freundlich einladen, in folgende Dokumente kurz Einsicht zu nehmen:
1. http://www.nzz.ch/finanzen/nachrichten/ich-habe-keinen-steuerbetrug-gefunden-1.2066801
2. http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/…/gutachten-grundlagen-d.pdf
(Kap. V – Schlussfolgerung)Nun also die $1Mio.-Fragen:
1. Wie kann es sein, dass ein gewählter Parlamentarier Aussagen zu einem politischen Geschäft tätigt sowie Diffamierungen gegen einen nach Schweizerischem Recht handelnden Bürger vornimmt, ohne die rechtliche Grundlage dazu zu kennen?
2. Wäre es nicht angebracht, dass eben dieser Politiker sich mit den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und -sicherheit der Schweizerischen Eidgenossenschaft auseinander setzt, bevor dieser sich zu solchen Äusserungen hinreissen lässt?
3. Wie könnte man Ihrer Ansicht nach verhindern, dass sich inskünftig solche peinlichen Vorstösse seitens profilierungssüchtiger und gleichsam desinformierter Amtsträgern (Muahahahaaa..) aus Bern wiederholen können?
Meine Wenigkeit, sowie vermutlich die ~140 K Bankmitarbeiter der Schweiz sehen Ihren Ausführungen mit grossem Interesse entgegen.
Ich darf Sie sodann bitten, dieses Informationsbegehren asap an die Hand zu nehmen und grüsse inzwischen hochachtungsvoll
Ihr Schorsch Gagnepasbien
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Der Grössenwahn und die Hybris von Herrn School muss jetzt von der Politik gestoppt werden. Die ZKB soll gemäss Ihrem Auftrag Bankdienstleistungen für den Raum Zürich bringen.
Pierin Vinzenz ist eine andere Liga als ZKB / School und kann hier nicht verglichen werden.
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Die Erhöhung des Dotationskapitals ginge in Ordung, wenn gleichzeitig endlich auch Partizipationskapital emittiert würde. Warum geschieht dies nicht, obwohl das Kantonalbankengesetz es so vorsieht?
§ 4. Das Grundkapital besteht aus dem Dotations- und dem Partizipationskapital.
Das Dotationskapital wird der Bank vom Staat zu den Selbstkosten zur Verfügung gestellt.
Das Partizipationskapital erwirbt die Bank durch die Ausgabe von Partizipationsscheinen, die vor allem im Kanton Zürich breit gestreut werden. Es darf die Hälfte des Dotationskapitals nicht übersteigen. -
Lieber Bankenprofessor Martin Janssen, vielen Dank für diese treffende Aussage. Sind Sie einer der Einzigen, der diese Tatsachen sieht?
Wann sieht das unsere Politik und das Volk ein? “Aus marktwirtschaftlicher Sicht kann man weder die Gratisversicherung der Grossbanken durch die Eidgenossenschaft noch die Erhöhung des Kapitals der Kantonalbanken durch den Steuerzahler noch eine staatliche Postbank begrüssen.”
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Für die Strategie zuständig ist letztlich der Bankrat, und er scheint diese Flucht nach vorn zu unterstützen. Der „Bankrat“ ist bekanntlich eine „politische“ Instanz. Fragt sich allerdings, welche Kräfte sich dort durchsetzen: sind es die „Experten“ oder die „Andern“?
Noch ein Wort zur Prämie zur Abgeltung der Staatsgarantie: Fr. 20 Mio. p.a. sind versicherungstechnisch bei der vorliegenden quantitativen und qualitativen Risiko-Exposition nicht realistisch und jenseits internationaler Usanz. Eine Staatsgarantie ist risikomässig deutlich höher zu entschädigen. Das beste wäre wohl, die ZKB würde Kapital im Markt aufnehmen, und zwar ohne Staatsgarantie-Hintergrund; dann würde die marktmässige Höhe der Risikoprämie sichtbar. Die Diskussion zur Staatsgarantie ist einmal mehr eröffnet! -
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@ mathis: nun mal die Hosen runter: wer sind diese angeblichen Experten im Bankrat? Ich will Namen!
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Meine Worte. Als Zürcher Steuerzahler fürchte ich mich inzwischen vor der ZKB. So kann und soll es nicht weitergehen!
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wie sagte stephan müller (heute bei gam, vorher bei zkb im etf business) am breakfast event vom 30.10.12 treffend: „unser damals grösster etf erfolg geschah einfach, völlig ungeplant. wir haben einfach eine anfrage eines kunden umgesetzt und dritten zugänglich gemacht. sie können sich denken, dass wir über den erfolg der gedeckten gold etf selbst positiv überrascht waren, und dann nach legten.“ soviel zum strategischen prozess beim kantonalbänkli, da wird viel probiert, wenig geleitet, wohl wenig gedacht. die schlagen einfach maximal profit vom refinanzierungsvorteil. gut wenn man nicht zürcher steuerzahler ist. alle anderen freuts!
wie sagte stephan müller (heute bei gam, vorher bei zkb im etf business) am breakfast event vom 30.10.12 treffend: "unser…
Meine Worte. Als Zürcher Steuerzahler fürchte ich mich inzwischen vor der ZKB. So kann und soll es nicht weitergehen!
Für die Strategie zuständig ist letztlich der Bankrat, und er scheint diese Flucht nach vorn zu unterstützen. Der "Bankrat" ist…