Nicht der in der Öffentlichkeit bekannte und umstrittene Konrad Hummler wollte die Waffen im US-Streit strecken, sondern sein langjähriger Partner Otto Bruderer.
Das überrascht Beobachter. Hummler galt als starke Person, ohne die bei Wegelin nichts lief. Tatsächlich kam diese Rolle Hummlers Kompagnon Bruderer zu.
„Wenn man etwas wollte, rief man Bruderer an“, sagt ein Ex-Mitarbeiter der Bank Wegelin. „Hatte man Bruderers OK, dann konnte einen niemand stoppen.“
Solange Wegelin florierte, war die informelle Hackordnung nützlich. Erst im Moment der Krise begann sich Bruderers Machtstellung zu rächen.
In entscheidenden Momenten konnte der Wegelin-Partner nachgiebig sein.
Sowohl beim Canossa-Gang nach Amerika als auch im Umgang mit dem Ex-Kadermann, der die Wegelin den US-Strafbehörden ans Messer lieferte, entpuppte sich Bruderer in schwierigen Momenten als „Softie“.
Bereits heute historisch ist Bruderers Auftritt vom 3. Januar vor einem US-Strafgericht.
„Wegelin dachte, dass sie aus praktischen Gründen vor einer Verfolgung in den USA verschont bleiben würde“, sagte Bruderer Richter Jed Rakoff.
Dies, so Bruderer, „weil Wegelin keine Ableger in Amerika hatte und weil sie dachte, sie würde in Übereinstimmung und nicht Verletzung von Schweizer Gesetz handeln, und dass ein solches Verhalten üblich in der Schweizer Bankenindustrie sei“.
Richter Rakoff soll Bruderer laut einer Quelle mehrmals gefragt haben, ob er sich bewusst sei, dass er mit seinem Eingeständnis auf alle Rechte für einen Prozess und ein anderes Ergebnis im Steuerstreit verzichten würde.
Trifft das zu, dann geht die überraschende 180-Grad-Wende von Wegelin von Anfang 2013 auf das Konto von Bruderer.
Bis dahin hatten die Wegelin-Partner wiederholt öffentlich betont, dass sie die US-Anklage nicht fürchten und diese notfalls durch alle Instanzen in Übersee anfechten würden.
Der Kniefall von Bruderer provozierte die Schweizer Innenpolitik bis hin zu CVP-Präsident Christophe Darbellays berühmtem „Verräter“-Vorwurf. Hummler und Bruderer zerrten Darbellay vor 2 Wochen vor Gericht, gestern machten sie einen Rückzieher und verkündeten Frieden.
Verständnisvoll reagierte Bruderer auch in der entscheidenden Phase ab Herbst 2010, als Daniel S. von einem nicht bewilligten Trip aus den USA zurückkehrte und berichtete, wie ihn die USA inhaftiert und geständig gemacht hätten.
Dem Moment kommt zentrale Bedeutung für den ganzen Fall Wegelin zu. Daniel S. ist die Schlüsselperson, um den bis heute noch nicht richtig verdauten Zerfall eines Aushängeschilds von Swiss Banking einordnen zu können.
Daniel S. hatte für Vontobel das Karibik-Geschäft aufgebaut. Als er 2005 zu Wegelin wechselte, sollen die Partner der St. Galler Privatbank von Vontobel gewarnt worden sein.
„Ein hoher Vontobel-Mann sagte, S. habe den Posten auf den Cayman Islands wegen einer Bestechungsaffäre räumen müssen“, behauptet eine Quelle. Der Anwalt von Daniel S. liess bisher alle Anfragen unbeantwortet.
Bruderer und Hummler hätten die Warnung, falls es diese gab, in den Wind geschlagen. Daniel S. wurde angeheuert und Jung-Partner Christian Hafner unterstellt.
Hafner war von der UBS zur Wegelin gestossen und sollte die renommierte Privatbank zur grossen Nummer im globalen Offshore-Business mit Privatkunden aus aller Welt machen. Hafner gab den Auftrag weiter an Daniel S., worauf S. mit Leuten seines alten Vontobel-Teams loslegte.
Im 2010 flog S. auf. Der Wegelin-Kadermann wurde von englischen und amerikanischen Geheimdiensten in London gefilmt, wie er Hand für Geldwäscherei geboten haben soll. Die Gerichtsunterlagen des Falls sind unter Verschluss.
Bei der Einreise in Miami im Oktober 2010 nahmen die USA Wegelin-Banker Daniel S. fest. Kooperation oder schwere Strafe, lautete die Wahl für S., einen drahtigen Ausdauersportler mit Wohnsitz über dem Zürichsee.
Gegenüber Wegelin verheimlichte S. seine vorübergehende Verhaftung und die Absichten der USA nicht. „Er sagte mehr oder weniger deutlich, dass die US-Behörden einen Fall gegen die Wegelin vorbereiten würden“, sagt eine Quelle.
Bruderer, der bei Wegelin für alle wichtigen operativen Entscheide zuständig war, hielt trotz dieser ungemütlichen Lage weiterhin zum Offshore-Chef.
Statt mit Daniel S. einen harten Deal auszuhandeln – finanzielle Unterstützung gegen Zusicherung, den USA nichts Brisantes zu verraten –, offerierte Bruderer dem Manager einen alternativen Job innerhalb der Wegelin-Bank.
Erst als S. diesen ausschlug und mehr Details zu den Geldwäscherei-Vorwürfen aus den USA gegen ihn bekannt wurden, trennte sich Bruderer von Daniel S.
Bis heute ist das Verhältnis zwischen den Wegelin-Partnern und ihrem „Whistleblower“ von Rücksicht geprägt.
Laut der Quelle sollen die Wegelin-Leute für die Rechtsanwaltskosten von Daniel S. aufkommen. Eine Wegelin-Sprecherin wollte sich gestern nicht dazu äussern.
Die Appeasement-Strategie von Bruderer, einem vermeintlich „sturen“ Appenzeller Kopf, hat sich nicht bezahlt gemacht. Vieles deutet darauf hin, dass Daniel S. den grössten Schaden für die Bank erst nach seiner Rückkehr aus den USA angerichtet hatte.
Für Daniel S. nahm die Geschichte einen günstigeren Verlauf. Er kam mit einer milden Strafe in den USA davon und ist heute wieder als Finanzberater tätig.
Nach seinem Ausscheiden bei Wegelin wollte sich der gebürtige Bündner als Assetmanager selbstständig machen. Das Vorhaben soll von einer Selbstregulierungsorganisation abgelehnt worden sein, heisst es in der Branche.
Nun ist S. Geschäftsführer einer 2011 gegründeten Finanzgesellschaft, bei der sein Vater den Verwaltungsrat bildet. Das Domizil wurde letzten Sommer in den Kanton Zug verlegt.
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Somit können wir uns so beruhigt wie getrost zurücklehnen, da wir ja wissen, dass bei unseren übrigen Banken Hardliner die Zügel straff in der Hand halten. Ohne Rücksicht auf schweizerisches Recht werden geradlinig Daten von Kunden und Mitarbeitern preisgegeben. Eisern werden Eigeninteressen verfolgt. Eigenes Fehlverhalten wird hartnäckig unter den Teppich gekehrt oder zielstrebig geleugnet. Standhaft wird das eigene Schlamassel totgeschwiegen. Schnurstracks und der eigenen Linie treu bleibend ins Verderben. Da haben wir aber nochmal richtig Glück gehabt, dass so wenige Softies unter uns wandeln.
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Eine Meinung zu diesem Fall kann man sich erst bilden, wenn man auch eine etwas andere Beleuchtung einmal analysiert hat. Ich finde dies wurde in der BAZ Online ganz gut geschafft. Die Aussage, dass dies in der Schweiz üblich sei, war sicherlich nicht besonders klug, auch wenn dies bei vielen Banken tatsächlich so praktiziert wird. Für Interessierte hier der entsprechende Artikel:
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Interessante Informationen.
Besten Dank derweil. -
S. wird wohl noch ein paar Dinge wissen, deren Geheimhaltung etwas Kleingeld wert ist.
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Solche „Wisser“ gibt es bei allen Banken. Oder warum glauben Sie, dass sich die üblichen Nieten so hartnäckig halten können?
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Da hat sich „S“. aber einen groben Ver-„Sprecher“ geleistet.
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Da hat sich "S". aber einen groben Ver-"Sprecher" geleistet.
S. wird wohl noch ein paar Dinge wissen, deren Geheimhaltung etwas Kleingeld wert ist.
Solche "Wisser" gibt es bei allen Banken. Oder warum glauben Sie, dass sich die üblichen Nieten so hartnäckig halten können?