Heute jährt sich der Event, als Wegelin im Schoss der Raiffeisen landete. Es war ein Paukenschlag: Der Deal führte allen vor Augen, wie dramatisch der US-Steuerdisput geworden war.
Erst jetzt wird klar, dass Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, der damals das Rennen machte, nicht der einzige Bieter für die St. Galler Privatbank war.
Zugreifen wollte auch die Zürcher Vontobel. Deren Chef Zeno Staub und Wegelin-Oberpartner Konrad Hummler hatten sich im Vorfeld über einen Verkauf unterhalten.
Staub und Hummler kannten sich von früher. Als HSG-Student arbeitete Staub für Wegelin, später landete seine einstige IT-Firma bei den St. Gallern.
Im Herbst 2011, also wenige Wochen vor dem Deal, trafen sich Staub und Hummler, um über eine mögliche Übernahme zu sprechen. Das bestätigen mehrere Quellen.
Staub stand unter Druck. Er hatte 600 Millionen in seiner Kriegskasse für Übernahmen bereit.
Diese hatten bis dahin nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Nicht Vontobel schlug jeweils zu, wenn eine Bank auf den Tisch kam, sondern die Konkurrenten Safra und Julius Bär.
Staub drohten, die Felle davonzuschwimmen. Umso stärker setzte er auf einen Wegelin-Deal.
Die Bank passte perfekt. Sie war schwergewichtig im Schweizer Private Banking tätig, hatte in allen wichtigen Städten einen Ableger und mit 20 Milliarden Assets die richtige Grösse.
Zeno Staub versuchte Hummler zu überzeugen. Am Geld sollte es nicht liegen.
Doch Hummler schlug das Angebot aus. Er verfolgte andere Pläne.
Es vergingen wenige Monate, da kam Wegelin unter massiven Druck. Drei Mitarbeiter wurden Anfang 2012 von der US-Justiz angeklagt, ein Partner wurde als nächstes Opfer anvisiert.
Nun hätten Hummler und sein Kollege Otto Bruderer zum Telefon greifen und Zürich anrufen können. Zeno Staub wäre bereit gewesen.
Sie entschieden sich anders. Bruderer traf sich mit Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz, der zuvor mit einem Grosseinstieg ins Private Banking gescheitert war; Hummler lotete derweil bei Schweizer Industriellen das Interesse nach Wegelin aus.
[simple-google-ads-ad-tag id=“ip_content_middle“]
Vincenz biss sofort an. Am Ende zahlte er mit fast 600 Millionen einen stolzen Preis.
Ob Vontobel-Staub gleichviel bezahlt hätte, ist offen. Das Geld dafür hätte bereit gelegen.
Für Vontobel wäre Wegelin eine Once-in-a-lifetime-Chance gewesen. Die Ostschweizer hätten den Zürchern in ihrer Krisensparte Private Banking endlich Schub verliehen.
Dass Hummler Vincenz statt Staub den Vortritt gewährte, hing mit den Synergien zusammen. Seine Wegelin unter den Fittichen der Vontobel-Bank wäre zum Blutbad geworden.
Wie Wegelin ist auch Vontobel an allen zentralen Orten der Schweiz präsent. Die Zürcher hätten die St. Galler integriert und Doppelspurigkeiten eliminiert.
Vor allem Hummler fürchtete sich vor dem Prestigeverlust. Der eloquente „Aussenminister“ der Bank wollte als Patron in die Geschichte eingehen, der bis zuletzt für die Mitarbeiter schaute.
In Vincenz hatten die Wegelin-Verkäufer einen „Bullen“ an der Leine, der um alles in der Welt ins Private Banking einsteigen wollte, um endlich die Abhängigkeit vom Hypo-Geschäft zu schmälern.
Vincenz zahlte für Wegelin einen stolzen Preis. 2 Jahre nach seiner Offensive steht er vor einem grossen Kostenproblem. Er muss seine in Notenstein umfirmierte Wegelin rasch sanieren.
Das mag unangenehm sein. Doch für Wegelin-Nebenbuhler Zeno Staub ist die Lage keineswegs komfortabler.
Der Vontobel-CEO hat sich zwar keine Übernahme-Kosten aufgebürdet. Doch von seinem Ziel, zu den führenden Privatbanken der Schweiz aufzuschliessen, ist er weiter entfernt denn je.
Vontobel fehlt die kritische Grösse. Als einzigen nennenswerten Deal im Private Banking hatten die Zürcher 2009 die Schweizer Commerzbank übernommen.
Die Bank liegt bei 30 Milliarden Privatkunden-Assets. Das ist im Vergleich zur Basler Safra-Sarasin und erst recht zu den grossen Genfer Privatbanken und Julius Bär viel zu wenig.
Stattdessen muss sich Staub mit neuen Konkurrenten wie Notenstein herumschlagen, die mit 20 Milliarden Assets auf einen Schlag in die Nähe seiner Vontobel gekommen sind.
Über Headhunter „kauft“ Staubs Mann fürs Private Banking, der ehemalige Operations-Chef Georg Schubiger, Stars von Konkurrenten ein.
Von der Bank Rothschild stiess Jean-Pierre Stillhart dazu, von Safra-Sarasin wechselte Werner Rüegg zu den Zürchern, von der HSBC Schweiz ist es Karin Ruckstuhl, die Chefin des England-Teams in Zürich, welche zur Familien-Privatbank geht.
Das mögen klangvolle Namen sein, vor allem Karin Ruckstuhl wird in der Branche gelobt.
Doch wie immer lautet die Frage, ob es den verpflichteten „Cracks“ gelingt, viele Kunden mit grossen Vermögen an den neuen Ort mitzunehmen.
Früher sprach man von maximal 20 Prozent der Assets, die mitgehen würden und zusammen mit dem Berater die Bank wechselten. Heute könnte dieser Anteil höher liegen.
Doch auch so bleibt es der kleinere Teil des zuvor verwalteten Vermögens, der als „Mitgift“ wechselt.
Das Motto „Buy bankers, not banks“ klingt zwar gut.
Nur bedingt es einen langen Schnauf und Leute, die nach Ablauf ihrer vorteilhaften Anstellungsbedingungen nicht gleich zum nächsten Konkurrenten weiterspringen.
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Nicht nur aus Industrielogik sondern auch aus Nachhaltigkeitsüberlegung macht der Verkauf von Notenstein an Raiffeisen Sinn. Ein Blutbad, welches bei einem Deal mit Vontobel wohl die Folge gewesen wäre, konnten die Teilhaber damit verhindern. Bruderer, Hummler & Co. wurden ihrer sozialen Verantwortung voll und ganz gerecht. Apropos Kostenproblem: Es liegt im Auge des Betrachters, wie eine Kostensituation interpretiert wird, Kosten sind nicht a priori schlecht, die Zeit wird zeigen, ob es sich bei den Kosten nicht doch um Investitionen handelt, die sich mehr als auszahlen werden…
-
Hummler und soziale Verantwortung? Mir kommen gleich die Tränen. Schon vergessen, dass er Steuerhinterziehung legitimierte – als Notwehr gegen einen angeblichen fiskalischen Unrechtsstaat? Das eigene Portemonnaie ist hier die höchste moralische Instanz!
-
Liebe Sandra Niggli, sie verwechseln hier wohl etwas. Herr Hummler hat wohl keine Verantwortung dafür, ob seine Kunden die Konten bei der Steuererklärung deklarieren oder nicht. Wie soll er dies bloss kontrollieren?
Tja Frau Niggli, schön wenn man die Verwantwortung jemand anderem abschieben kann.
P.S. Ist Ihr Konto versteuert? Weiss das ihre Bank? Es liegt der Verdacht nahe, dass ihre Bank eine Verbrecherin, da sie es genau nicht weiss!
-
-
Früher ja, da konnte man etwa mit 20% rechnen. Es ist gerade umgekehrt, heute kommt viel weniger mit. Die Kunden sind heute träger, zudem spielt jetzt wo das Schwarzgeld verschwindet auch die Bindung zum Betreuer weniger, welcher aus alten Tagen stammend in der Regel ein mittelmässiger Verwalter war. Das war damals noch egal, heute zählt aber Performance und da sind andere Qualitäten gefragt. Zudem sind die Banken heute sehr viel agiler und professioneller wenn es darum geht die Kunden zu behalten.
-
Scheint doch noch ein paar Realisten zu geben.
-
Bei den meisten kommt eine schön runde Zahl mit, nämlich exakt „0“/Null! – Und nach 2 Jahren zieht man zum nächsten „Opfer“ weiter, bis sie dann final vom Banking-Karren fallen. – Dann machen sie dann plötzlich in Immobilien oder Strategieberatung etc…
-
-
Als praktisch einzige Topf 3-Bank im DOJ-Programm agiert Vontobel aus einer Position der Stärke.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
-
Raiffeisen Topf 4-Bank
Notenstein nicht betroffen–> gibt anscheinend Banken, welche in der noch besseren Position sind
-
-
„Früher sprach man von maximal 20 Prozent der Assets, die mitgehen würden und zusammen mit dem Berater die Bank wechselten. Heute könnte dieser Anteil höher liegen.“
Ein Freund im internationalen Private Banking tätig sagt mir: die Zeiten werden härter. Durch den grossen Wettbewerb, hohe Fluktuation und vorkehrende Massnahmen bei den Instituten wird es immer schwieriger als Private Banker Kunden zur Konkurrenz mitzunehmen, insbesondere wenn man keinen „Starstatus“ hat. Zudem sind Jahrzehnte lange Mandate selten geworden.
"Früher sprach man von maximal 20 Prozent der Assets, die mitgehen würden und zusammen mit dem Berater die Bank wechselten.…
Als praktisch einzige Topf 3-Bank im DOJ-Programm agiert Vontobel aus einer Position der Stärke. Wer zuletzt lacht, lacht am besten!
Raiffeisen Topf 4-Bank Notenstein nicht betroffen --> gibt anscheinend Banken, welche in der noch besseren Position sind