Dorian Selz ist in der Technologie-Szene ein bekannter Name. Selz gründete ursprünglich Local.ch, der Suchdienst, der soeben unter dem Dach der Swisscom eine Grossfusion mit Search.ch vollzieht.
Nun hat sich Selz einen mächtigen Finanzkonzern zum Feind gemacht. Der Informatiker zeigte vor 10 Tagen niemand Geringeren als die Postfinance an.
„Im Rahmen einer Kapitalerhöhung hat die Postfinance AG uns durch rechtswidriges Verhalten Schaden zugefügt“, steht in einer Eingabe von Selz an die Finanzmarktaufsicht (Finma).
Trotz eingeschaltetem Ombudsmann würden „sowohl der Geschäftsführer der Postfinance AG wie auch der Verwaltungsratspräsident“ eine „einvernehmliche Lösung“ ablehnen.
Ziel der Anzeige sei es „sicherzustellen, dass weitere Kunden der Postfinance nicht durch das unzulässige und rechtswidrige Verhalten der Postfinance geschädigt“ würden.
Bei der Finma wollte sich niemand äussern. Bei der Postfinance hiess es, die Sache sei bis zur Unternehmensleitung eskaliert. Den Äusserungen des Chefs sie nichts hinzuzufügen.
Der heisst Hansruedi Köng und ist faktisch ein Grossbanker. Die 100-Prozent-Tochter der Post ist in voller Staatshand und dürfte bald zu den Too-Big-To-Fail-Playern gehören.
Köng schaltete sich persönlich in den Disput mit Tech-Unternehmer Selz ein. Er zeigte sich diesem gegenüber reuig. Als Wertschätzung offerierte Köng 200 Franken und Gebührenverzicht.
Das war ein Bruchteil dessen, was Selz verlangte. Der wollte von Köng und seiner Postfinance knapp 10’000 Franken.
Hintergrund ist die Kapitalerhöhung von Selz‘ Firma Nektoon AG in Zürich. Dafür richtete Selz bei der Postfinance ein Kapitaleinzahlungskonto ein.
Ein Standardvorgang, müsste man meinen.
Am Anfang schien auch alles normal zu laufen. „Hiermit bestätigen wir, dass bei uns der Betrag von 2’000’001.78 für die Kapitalerhöhung“ hinterlegt worden sei, schrieb der zuständige Berater der Postfinance am 6. Februar 2014.
Das Geld sei auf einem „auf den Namen (der Nektoon AG) eröffneten Kapitaleinzahlungskonto gutgeschrieben“ worden. Es bleibe bis „nach erfolgter Publikation“ der Transaktion im Schweizerischen Handelsamtsblatt „gesperrt“.
Eine Formalie, wie bei jedem Kapitaleinzahlungskonto. Die Bank muss Gewissheit haben, dass das Unternehmen korrekt registriert ist respektive dass die zuständigen Gremien der Firma das neue Kapital formell beschlossen haben.
Am 11. Februar erfolgte die „ordentliche Kapitalerhöhung“ der Nektoon AG, am 14. Februar wurde diese im Register publiziert.
Den entsprechenden Auszug schickte Selz sofort der Postfinance. Diese bestätigte umgehend, dass der Auszug am 17. Februar bei ihr eingegangen sei.
Alles war richtig aufgegleist und bereit.
„Zu diesem Zeitpunkt hätte das Geld freigegeben und auf unser Bankkonto überwiesen werden sollen“, hielt Selz später in einer Eingabe an die Postfinance fest.
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„Dies“, so Selz, „ist nicht geschehen.“
Nicht am Montag, 17. Februar, nicht am Freitag der gleichen Woche, nicht eine Woche später.
Am Mittwoch, 26. Februar, platzte Selz der Kragen.
„Trotz vorheriger schriftlicher Zusicherung weigerte sich die Postfinance, die Überweisung zu tätigen“, erklärt Selz sein Vorgehen in seinen schriftlichen Eingaben.
Die Bank habe „weitere Unterlagen“ der Firma eingefordert; nota bene eine Schweizer Aktiengesellschaft eines bekannten Schweizer Unternehmers.
Selz und seine Leute versuchten den ganzen Mittwoch, die 2 Millionen loszueisen. Erfolglos. Am Abend um 18.30 Uhr lag das Geld immer noch auf dem gesperrten Konto beim Gelben Riesen.
Laut Selz wollte sich „offensichtlich kein Verantwortlicher“ seinem Notfall annehmen.
Am Donnerstag, 27. Februar, tauchte ein Mitarbeiter „persönlich am Hauptsitz“ der Postfinance auf, wie es in der Eingabe heisst. Er meldete sich am Empfang – und wartete und wartete.
Um 10 Uhr an jenem Wintermorgen wurde er von einem Postfinance-Mann empfangen. Der meinte, dass „ohne Bestätigung der Beschlüsse des Verwaltungsrates das Geld nicht freigegeben werden“ könne.
Für diese Formalie gab es keine rechtliche Basis. Um 13 Uhr wurden die 2 Millionen schliesslich auf ein Firmenkonto der Zürcher Kantonalbank überwiesen.
Nun begann das Nachspiel. Dabei ging es um Geld, Egos und Rechtsempfinden.
Am 21. März schrieb Postfinance-CEO Köng in einem 2-seitigen Brief an Selz, dass er sich „in aller Form“ für die „Verzögerung“ entschuldigen würde.
„Als Zeichen unserer Wertschätzung haben wir Ihnen CHF 200.- überwiesen und auf die Kosten für das Kapitaleinzahlungskonto verzichtet“, meinte Köng.
Alle übrigen Forderungen von Selz lehnte der Postfinance-Chef ab. „Die Verrechnung eines Sollzinses von 9,5% ist aus unserer Sicht nicht begründet.“ Basis seien 0,05%, die man im Moment als Kunde bei der Postfinance für sein Geld kriege.
Das gäbe für 10 Tage – so lange hatte die Postfinance die 2 Millionen von Selz irregulär blockiert – „einen Zinsertrag von rund CHF 30.-„.
Selz liess sich nicht abspeisen.
Der „Minuszinssatz“ stamme von der Postfinance selbst, hielt er in seiner Antwort an Köng am 4. April fest. So viel würde die Postfinance für negative Kontosaldi ihren Kunden belasten.
Für 10 Tage mache dies 5’205 Franken. Zudem wäre das Geld „ohne unsere Intervention“ nicht ausbezahlt worden. „Wir machen diesen Aufwand geltend.“
Selz meinte es ernst. „Betrachten Sie dieses Schreiben als erste Mahnung.“
Mitte Juni kam es zur Schlichtungsverhandlung vor dem „Ombudsman der Postfinance“.
Laut dortiger Einschätzung hat die Postfinance nicht alles falsch gemacht, sondern „sachlich branchenübliche Anforderungen“ gestellt.
Dann aber gibt der Ombudsmann – im vorliegenden Fall ist es eine Frau – Kläger Selz vollumfänglich recht.
Selz habe bereits im Januar 2014, also lange vor der Kapitalerhöhung, das „Investor Agreement“ vorgelegt.
Diesem liessen sich „sämtliche Details der Transaktion“ entnehmen, „weshalb eine Freigabe bereits basierend auf den Informationen dieses Agreements möglich gewesen“ wäre.
Nur sei der zuständige Kundenberater „zu diesem Zeitpunkt in den Ferien“ gewesen.
Dass dadurch das wichtige Dokument in der entscheidenden Phase nicht zugänglich gewesen sei, „überrascht die Ombudsfrau doch sehr“, steht in deren „Schlichtungsvorschlag“.
Die Postfinance soll Selz beim Verzugszins entgegenkommen und knapp 6’000 Franken zahlen, meinte die Frau. Der Sollzinssatz stamme schliesslich von der Postfinance. Im Gegenzug soll Selz seinen Aufwand abschreiben, schlug sie vor.
Die Postfinance lehnte ab. Da erneuerte Selz seine Forderung über 10’000 Franken und mahnte Köng am 30.Oktober zum dritten Mal.
Dieser zeigte sich in seiner Antwort unbeirrt.
Er und die Postfinance würden „an unserer Entscheidung“ festhalten und „der von Ihnen geforderten Entschädigung keine Folge leisten“.
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Postfinance verweigert Währungs-Startup Konto
„Für was bitteschön braucht’s Postfinance, wenn nicht für Konti für alle?“
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kindergarten für Erwachsene!
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Geschichte ist wohl wirklich komisch gelaufen. Was mich aber belustigt sind die Kommentare wegen Staatsdienst, Vergleiche mit Post und Postauto.
Dies sind getrennte Bereiche. Schlechte Dienstleistungen bei einem Schalter des Kantons verwechsle ich auch nicht mit einer KB in dessen Kanton. Wenn ich an der Migros-Kasse schlecht bedient werde, löse ich auch nicht mein Konto bei der Migros Bank auf…. -
Wirklich nützlich so Ombudsman, um sich dann zu foutieren. Unglaublich seitens PF.
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Meine persönliche Erfahrung mit Postfinance zeigen folgendes:
-Trading ist super, weil das die Waadtländer KB macht.
-Geld einzahlen und mit dem Kärtli beziehen klappt auch.
-Alles andere was sie anbieten probieren sie so professionell zu machen wie sie es halt können und es wird zur Gedulds- und Mutprobe für den Kunden!Aufgrund verschiedener Vorkommnisse die mein Vertrauen beeinträchtigt haben, habe ich mich dieses Jahr entschieden meine 3te Säule weit weg zu transferieren von der PF. Nach rund 10 Telefonaten und 8 Mails war es dann vollbracht, brauchte aber geschlagene 5 Monate!
Ich habe mir vorgenommen dies nächstes Jahr nochmals zu üben mit dem Institut.
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Oh, die Frau Ombudsfrau war überrascht… nein sowas. Darüber wie zahn- und nutzlos diese Ombudsstelle ist, liessen sich ganze Bundesordner füllen. Reiner Schein-Konsumentenschutz und gesetzlich vorgeschriebenes Feigenblatt. Immerhin einen Trost hat man als Kunde der Postfinance: In unserem Land mit seinem kapitalistischen System darf man mit den Füssen abstimmen.
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Sorry, aber diese Kapitalerhöhung war alles andere als transparent. Man müsste halt mal den HR-Auszug der Nektoon genauer anschauen: AK von Fr. 565’982 auf 749’767. Hä? Wie und wo passen da die 2 Mio. rein? Vor allem wenn auch noch Forderungen von fast einer Kiste verrechnet wurden. Also ich hätte die 2 Mio. jedenfalls auch nicht einfach so freigegeben, ohne zusätzliche Plausibilisierung und Dokumentation! Wäre auch gesetzeswidrig (GwG).
PS: Mit Kapitaleinzahlungskonten wird immer wieder Schindluder betrieben: Schwarzgeld via Treuhänder/Anwalt einzahlen und nach erfolgter Gründung/Kapitalerhöhung elegant als Weissgeld an die Firma auszahlen. Vielleicht ganz gut, wenn die FINMA hier mal genauer hinschaut.
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@ Sandra Niggli: 100% einverstanden! Hätte die PF die Gelder sofort freigegeben wären die GWG-Richtlinien wahrscheinlich nicht erfüllt gewesen.
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Ich denke, Fehler gibt es überall. Und natürlich gibt es immer besonders Dumme. Und: wann immer ich grossen Mist machte, machte ich es gleich doppelt.
Die wichtige Botschaft des Artikels betrifft m.E. die Ombudsmänner und -Frauen für Bankenprobleme: Die Kunden haben das Gefühl, das sei eine Art Schiedsgericht oder Schlichtungsstelle oder dergleichen. FALSCH: es sind reine Vorschaltwiderstände. Die Kunden sollen Zeit und Energie investieren und alle Argumente offenlegen. Vielleicht pflichtet die Ombudsperson ihnen bei. Aber ob die Bank mitmacht, steht auf einem ganz anderen Blatt Papier. Darum geht es sehr oft einfach ein halbes Jahr später doch noch auf den normalen Prozessweg.
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Wenn das ein „verdammter Kapitalist“ gemacht hätte und nicht der König der Postfinance, dann hätte man zu Recht von „ungetreuer Geschäftsbesorgung“ gesprochen (Politiker und Staatsanwälte wären sofort aktiv geworden).
Nachdem es die Postfinance ist, wird von „Ferienbezug eines Angestellten“ gesprochen (dagegen kann ja niemand sein).
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Die Postfinance beweist einmal mehr, dass sie ein verknöcherter Staatsbetrieb ist, der noch immer viel zu viel Beamtenmentalität an den Tag legt (=> siehe auch Postfinance verweigert Währungs-Startup Konto). Echten Unternehmern kann ich nur DRINGENDST davon abraten mit der Postfinance zu geschäften (abgesehen vom Zahlungsverkehr). Das Enttäuschungspotential ist riesengross!
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Zahlungsverkehr kannst du überall haben!
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Nur sei der zuständige Kundenberater “zu diesem Zeitpunkt in den Ferien” gewesen. Mit anderen Worten: mieser Organisationsgrad bei der PF. Erschreckend wenn man bedenkt dass jede/r Mitarbeiter/in Anrecht auf 4 bis 5 Wochen Ferien hat. Dafür kann ich an den Postschaltern während des Wartens Kochbücher lesen und überlegen ob ich dann noch ein MARS oder TWIX kaufe!!!!!!!
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Wir haben ähnliche Erfahrungen mit PF im Zusammenhang mit der Eröffnung eines Gemeinschaftskontos gemacht. Notabene alles Schweizer Bürger, ein schweizer Träger etc. Dies sei alles kein Problem lautete einer erste Auskunft und gehe schnell von statten. Nach und nach kam dann die PF mit immer weiteren formellen Erfordernissen, die erfüllt hätten werden sollen. Das Ganze haben wir nach zwei Monaten (!) abgebrochen und bei einer Bank eröffnet (ging dann eine Woche). Fazit: Ein Billiganbieter wie PF kann halt keine qualitativ hochwertigen Dienstleistungen erbringen, Zahlungsverkehr ist OK, alles andere sollte man den Profis überlassen.
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Postfinance ist keine Bank. Das ist eine Geldaufbewahrungsstelle mit staatlicher Protektion. Primär ein Produkt der linken Politiker, die auf vermeintliche „Sicherheit“ bestehen. Eine Sicherheit, die es im Wirtschaftsleben gar nicht geben kann.
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Tolle Geschichte, wenn ich mir Aufwände und Streitwert so anschaue… was für ignorante Idioten allesamt! Selig sind…
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Post und Postfinance sind halt Monopolisten und müssen sich um guten Service nicht scheren. Dank der überhöhten Postgebühren (da ist Post Weltmeister!) werden die anderen Geschäftsbereiche subventioniert und bekommen über tiefere Gebühren einen höheren Marktanteil, als sie eigentlich verdient hätten.
Letzte Woche wollte ich die Basis-Mastercard auf meinem Postkonto beantragen (habe auf einem Konto einer Privatbank eine solche seit mehr als 15 Jahren) und bekam die Antwort, ich solle „150’000 Fr. auf dem Konto deponieren, nur dann würde ich eine MC bekommen, da mein Lohn nicht über die Postfinance laufe.“ Zu dem Zeitpunkt waren ’nur‘ ca. 80’000 Fr. auf dem Konto. Nota bene ist MC keine wirkliche Kreditkarte, sondern bucht per LSV jeden Monat automatisch ab (was die Bank sehr einfach kontrollieren kann).
Als der Postbus diesen Sommer mehr als drei Monate unser Dorf (Schindellegi) nur mehr stark verspätet morgens beglückte, so dass die Zugverbindung nie erreicht werden konnte, gab es eine Tafel Schokolade zur Entschuldigung (!) nach drei Beschwerdebriefen bei Post und Gemeinde mit Hinweis auf 4 bezahlte GAs in der Familie.
Von einer professionellen und kundenfreundlichen Organisation sind beide noch sehr weit entfernt…
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Also da kann ich Ihnen nur Zustimmen. Die Post hält das Monopol und ist absolut nicht bemüht, sich für Probleme und Anliegen der Kunden einzusetzen. Die Gebühren erhöhen, das geht schnell… in dem sind sie dann verdammt schnell. Hatte ein ähnliches Erlebnis. Deshalb… adieu PF!
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Herr Selz scheint zu verkennen, dass die FINMA als Aufsichtsbehörde gerade nicht für die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (im vorliegenden Fall wohl Schadenersatz) zuständig ist, sondern dass das in die Kompetenz der Zivilgerichte fällt.
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Dass innovative Unternehmer durch grosse „Administrationsbetriebe“ behindert werden ist bekannt. Er reicht eben nicht, nur in der Werbung KMU-freundlich aufzutreten.
Empfehlung: Alles abziehen und die Post nur noch für Weihnachtskarten als Geschäftspartnerin verwenden.
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Ist doch altbekannt. Will jemand einen Millionenbetrag von einer Bank zur anderen verschieben, dann werden administrative „Vergällungstaktiken“ der Banken angewendet, um eine Ueberweisung nicht nur hinauszuzögern, sondern gleich zu verhindern. Alles klar gegen das Gesetz, aber sie kommen noch oft damit durch. Selber schon erlebt.
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Die ist typisches Vorgehen der Postfinance! Unglaublich, dass es haufenweise Unternehmer gibt, welche ein Konto dort bewirtschaften.
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Post und Postfinance sind halt Monopolisten und müssen sich um guten Service nicht scheren. Dank der überhöhten Postgebühren (da ist…
Postfinance ist keine Bank. Das ist eine Geldaufbewahrungsstelle mit staatlicher Protektion. Primär ein Produkt der linken Politiker, die auf vermeintliche…
Dass innovative Unternehmer durch grosse "Administrationsbetriebe" behindert werden ist bekannt. Er reicht eben nicht, nur in der Werbung KMU-freundlich aufzutreten.…