Mehr Grund zur Sorge als das Griechenlandproblem bereitet uns China. Im grössten „kommunistischen“ Land der Erde herrscht seit geraumer Zeit etwas sehr Unkommunistisches – der Turbokapitalismus in seiner perversesten Form. Ironischerweise hat gerade in China die pure Gier und der Turbokapitalismus auf seinem destruktiven Beutezug sein neues Zuhause gefunden.
Das Land hat drei gewaltige Probleme.
1. Eine immense Immobilienblase. In China zählte, auf Grund der minimalen Zinsen der staatlichen Geldinstitute, eine Eigentumswohnung zu der Wertanlage Nummer eins. Über 70 Prozent der Chinesen, welche bereits selbst eine Wohnung besitzen, haben deshalb ihr Vermögen in weiteren Immobilien angelegt.
Aus diesem Grund sind bereits Geisterstädte in der Grösse von Stuttgart entstanden, in denen fast niemand lebt. Mittlerweile verliert der Immobilienmarkt an Fahrt. Bereits 2014 sind die von Wohnimmobilien um zehn Prozent zurückgegangen. Der Immobiliensektor beeinflusst bereits zwischen 15 und 25 Prozent der lokalen Wirtschaft.
Ein implodieren des Immobilienmarktes würde die chinesischen Banken vor gravierende Probleme stellen, denn seit 2008 ist das Volumen an Hypothekenkrediten exorbitant gestiegen. Für zahlreiche Banken machen Hypothekenkredite inzwischen etwa 40 Prozent des gesamten Kreditvolumens aus.
2. Ein gigantisches Schattenbankensystem. Neben den trägen Staatsbanken hat sich in China ein grosser Markt von nicht-registrierten Geldinstituten etabliert – sogenannte Schattenbanken. Ein Grossteil des chinesischen Schattenbanksektors ist heute kaum noch zu durchschauen, geschweige denn zu kontrollieren und reglementieren.
Allein das Kreditvolumen der chinesischen Schattenbanken beträgt laut dem McKinsey Global Institute (MGI) 6,5 Billionen Dollar. Sie stehen für rund 30 Prozent aller chinesischen Schulden.
Zahlreiche Institute treten heute wie reguläre Banken auf. Das heisst: Sie sammeln Geld von Sparern ein, um dieses dann weiterzuverleihen, zu investieren oder eben damit an der Börse zu spekulieren. Der Schattenbanksektor prosperiert: Das Kreditvolumen vermehrte sich seit 2007 jährlich um 3 Prozent.
Schattenbanken erfreuen sich unter der Bevölkerung immer noch grosser Beliebtheit, da die zugesagte Rendite oft ein Vielfaches beträgt von dem, was die staatlichen Banken an Zinsen bieten.
Diese befeuern auch den Aktienboom, wo wir schon beim dritten Problem wären:
3. Heiss gelaufene Aktienmärkte. Seit einigen Jahren herrscht der Irrsinn an den chinesischen Aktienmärkten. Das gesamte Land ist vom Börsenfieber erfasst. Die Aktienstimmung war bis vor kurzem wie zur Zeiten des Neuen Markts in Deutschland.
Ein jeder möchte an dem „grossen Spiel“ teilhaben und schnellstmöglich reich werden. Es benötigt keinerlei hellseherische Fähigkeiten, dass dies über kurz oder lang mächtig schief geht. Denn es geht nie lange gut, wenn immer mehr Menschen ohne Arbeit am Rechner durch Spekulation an den Märkten reich werden anstatt zu arbeiten.
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Seit Juni 2014 sind die Kurse an der Shanghaier Börse um 150 Prozent gestiegen, in Shenzhen haben sie sich sage und schreibe verdreifacht. Von gesundem Wachstum kann hier keine Rede mehr sein. Unvorstellbare sechs Billionen Euro legten chinesische Aktien binnen eines Jahres an Wert zu – das entspricht der doppelten Wirtschaftsleistung Deutschlands eines Jahres.
Gegenwärtig ist Chinas Aktienmarkt ungefähr zehn Billionen Euro wert. Das entspricht rund 40 Prozent des US-Marktes – 2014 waren es lediglich 14 Prozent.
Nicht zu verkennen ist, dass jedoch parallel das Wachstum stockt und die Unternehmensgewinne kaum steigen. Im Mai 2015 sank das Exportvolumen bei Waren und Gütern um -2,5 Prozent zum Vorjahresmonat, auf 191 Milliarden Dollar. Waren und Güter im unbereinigten Wert von 131 Milliarden Dollar wurden im Mai 2015 importiert – ein Einbruch von -17,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
In den ersten fünf Monaten 2015 sanken die Importe um -17,3 Prozent zum Vorjahresmonat, auf 664 Milliarden Dollar. Gemäss dem Caixin/Markit-Einkaufsmanagerindex ist Chinas Industrie im Juli so stark geschrumpft ist wie seit 2 Jahren nicht mehr. Der Markit-Einkaufsmanagerindex lag bei 47,8 Punkten, dem tiefsten Stand seit Juli 2013.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Aktienblase platzen würde. Es gibt kein ewiges, staatlich vorgeschriebenes Wachstum von 7 bis 10 Prozent pro Jahr – auch nicht in der Planwirtschaft China.
Anfang Juli musste die chinesische Börsenaufsicht wegen Panik 1’400 Unternehmen vom Handel aussetzen. Binnen drei Wochen verlor die Shanghaier Börse in den letzten beiden Juni-Wochen und in der ersten Juli-Woche trotz staatlicher Eingriffe rund einen Drittel an Wert.
Das ist der grösste Kursrutsch seit mehr als 20 Jahren. Chinas Aktienmarkt verlor binnen wenigen Tagen bis zu vier Billionen Dollar an Wert. Die chinesische Regierung reagierte mit erheblichen Eingriffen wie der Erhöhung der Liquidität im Handel, Senkung der Zinsen auf ein Rekordtief, Aussetzung von fast 50 Prozent aller Aktien, dem Beschluss von Konjunkturspritzen und Stützungsmassnahmen. Zudem erhielten an der Börse notierte Unternehmen die Genehmigung, sich selbst vom Handel auszusetzen.
Also Planwirtschaft vom Allerfeinsten. Kurzfristig konnte die Regierung den Kursrutsch zunächst erfolgreich stoppen und eine Gegenbewegung erreichen. Der Leitindex erholte sich von seinem Tief am 8. Juli 2015 um 16 Prozent.
Am 27. Juli 2015 war es dann vorbei mit der „Erholung“. An diesem Tag kannte der Leitindex Shanghai Composite nur noch einen Weg – den nach unten.
Innerhalb eines Tages brach der Aktienmarkt um 8,5 Prozent ein. An der Börse in Shanghai wurden fast 630 Milliarden Dollar, entsprechend der dreifachen Wirtschaftsleistung Griechenlands, vernichtet.
Es handelte sich um den grössten Tagesverlust des Shanghai Composite seit Februar 2007. Im Juli 2015 ist dieser um 13,4 Prozent gefallen. Trotz beispielloser Interventionen der Regierung zur Stützung des Marktes war es der schlechteste Monat für chinesische Aktien seit Oktober 2009.
Nicht zu verkennen ist jedoch, dass selbst nach dem Absturz der Shanghai Composite auf 12-Monats-Sicht immer noch 78 Prozent im Plus liegt.
Dies nützt vielen Privatanlegern jedoch reichlich wenig. Denn sie haben einen Kapitalfehler begangen. Fatalerweise haben viele von der Gier getriebenen Anleger ihre Aktien auf Pump gekauft. Viele von ihnen stehen jetzt vor dem finanziellen Ruin.
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Äusserst verheerend ist nicht nur, dass auf Kredit spekuliert wurde, sondern dass bis dato nicht bekannt ist, in welcher Höhe und insbesondere mit welchem Hebel. Die Regierung in Peking wird gezwungen sein, Billionen an Yuan bereitzustellen, um den grossen Crash zu verhindern.
Das Vertrauen in die Regierung und die Stützungsmassnahmen erodiert aber weiter – auch am folgenden Tag ging es weiter abwärts, um über 4 Prozent. Und am ersten Handelstag im August setzte sich die Talfahrt an den chinesischen Aktienmärkten fort.
Ein grosses Margin Call-Desaster. Sollte die Regierung nicht massiv in die Märkte intervenieren, droht ein solches. Unter einem Margin Call bezeichnet man den Anruf eines Brokers an einen Kunden mit Margin Account (Depot, mit dem Wertpapiere auf Kredit gekauft werden).
Unterschreitet der Wert der gekauften Papiere eine bestimmte Grenze und ist der Investmentkredit somit nicht mehr deckt, hat der Inhaber des Margin Accounts zwei Möglichkeiten: Entweder er schiesst neues Kapital nach, was für viele Anleger voraussichtlich schwierig sein wird, oder er muss Wertpapiere verkaufen – egal, ob das für ihn einen Gewinn oder Verlust bedeutet.
In China könnte dies zu einer Kettenreaktion astronomischen Ausmasses führen. Diese wird folgendermassen aussehen, sollte die Regierung in Peking nicht massiv und mit unvorstellbar viel Geld eingreifen: Die Kurse fallen weiter, mehr und mehr Margin Accounts fallen unter einen kritischen Wert, folglich müssen immer mehr Anleger verkaufen, um das erforderliche Geld an ihre Broker nachschiessen zu können.
Dies wiederum drückt die Preise weiter in den Keller und löst neue Margin Calls beziehungsweise Stop Losses (der Anleger bestimmt einen Kurs unterhalb der aktuellen Notierung, bei dem ein Verkaufsauftrag für das Papier ausgelöst werden soll) aus.
Bisher hat die chinesische Regierung knapp 860 Milliarden Yuan (circa 126 Milliarden Euro) aufgebracht, um einen fatalen Crash abzuwenden.
Wir sagen ganz klar: Dies wird bei weitem nicht genug sein.
Laut dem weltgrössten Hedgefonds Bridgewater beliefen sich allein die Margin-Account-Positionen am Markt vor dem Crash auf knapp drei Billionen Yuan (rund 441 Milliarden Euro). Logischerweise sind all diejenigen Investmentpapiere nicht dabei, welche mit Eigenkapital gekauft wurden und eventuell von verunsicherten Anlegern veräussert werden.
Der Banker David Cui von der Bank of America Merrill Lynch spricht sogar von einem Margin-Volumen in der Grösse von 3,7 Billionen Yuan (544 Milliarden Euro), welches durch einen einfachen Hebel doppelt wirkt.
Laut Cuis Schätzungen werden am Markt Positionen im Wert von sage und schreibe 7,5 Billionen Yuan (über eine Billion Euro) mit geliehenem Geld gehalten. Dies entspricht knapp 13 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung aller auf dem chinesischen Festland notierten Aktien. Nirgendwo auf der ganzen Welt wird – in Relation zur Marktkapitalisierung – derart massiv auf Kredit investiert.
Unserer Ansicht nach ist der chinesische Aktienmarkt gegenwärtig eine tickende Zeitbombe.
Chinas Aktienmarkt steht auf verdammt dünnem Eis, und es ist lediglich eine Frage der Zeit, bis es zum gigantischsten Margin Call kommen wird. Tritt dieser Fall ein, wird China global die Aktienmärkte in den Abgrund ziehen.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Nach dreimaliger Abwertung des Yuan dürfte klar sein dass es dort rumort.
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Marc Friedrich trifft den Kern:
Forciertes Turbo Wachstum auf Kosten von Qualität, Sicherheit und Umwelt und gedoppt durch staatlich manipulierte Börsenkurse (nur im Aufwärtsgang!). Auf die Rechtslage für die arbeitende Bevölkerung und die Menschenrechte gehe ich gar nicht erst ein. Ich vermeide es auch, in diesem Zusammenhang das Modewort „nachhaltig“ zu kommentieren.
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ja, bald geht das licht ganz aus. erst in china und dann reissen die uns mit in den abgrund. aber ich nehme meinen ipod mit und mein suv. ich finde der ganze artikel ist doch käse. china hat eine wachsttumsstory ohnegleichen hingelegt. jetzt hakelt die sache mal. in 1-2 jahren ist das vergessen. die chinesen haben insgesamt erst angefangen aufzuholen. und ich möchte mal wissen, wie viel bilanzsumme von ch banken aus immokrediten besteht. und „planwirtschaft“ – da müsste doch die schweiz mit dem mindestzins gute erfahrungen gemacht haben. alle firmen wollen diese planwirtschaft auch noch zurück, weil sie ihnen gewinne auf staats äh volkskosten garantiert hat.
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Die Überschrift „Ein Börsencrash lässt die Welt erzittern“ trifft doch überhaupt nicht zu. Schade, dass durch die Leverage-Geschichte und die staatlichen Verordnungen die Glaubwürdigkeit stark gelitten hat und so noch der Abwärtstrend eine Weile andauern wird. Wie entspannt die Investment-Community ist, zeigen die CBONs – der Bondmarkt ist sogar stärker als vor dem Crash.
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China wächst mit Sicherheit weiter. Investoren bedauern es nicht schon letztes Jahr eingestiegen zu sein.
Wie kann man die Kurse drücken? Hedge-Funds glauben nicht daran China in den Konkurs treiben zu können.
Also verfasst man einen Angstmacherartikel. Kurzfristig schafft er gewisse Einstiegsmöglichkeiten. Ziel erreicht! -
China vor dem Supergau
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Top Artikel – Danke!
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Wenn diese Ausführungen stimmen und wer glaubt, dies sei nur ein China-internes Problem, wird sich wohl irren. In unserer globalen Welt würde ein solcher Gau schnell auf die übrigen Kontinente überschwappen. So könnte der Melt-down unseres Finanzsystems doch noch eintreten und die Rückbesinnung auf den Goldstandard ein Comeback feiern.
Wenn diese Ausführungen stimmen und wer glaubt, dies sei nur ein China-internes Problem, wird sich wohl irren. In unserer globalen…
Top Artikel - Danke!
China vor dem Supergau