Was das Boni-Schlachtfeld der Banker, ist die Mitarbeiterbeurteilung der Verwaltungsangestellten (ehemals Beamte). Gegen Ende des Jahres wird im Hinblick auf einen bestimmten Termin, in den meisten grösseren wie auch kleineren öffentlichen Verwaltungen landauf, landab, das jährliche Mitarbeitergespräch durchgeführt. Mit viel Aufwand.
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Bei den einen heisst es MAB (Mitarbeiterbeurteilung beim Kanton Zürich), bei den anderen ZBG (Zielvereinbarungs- und Beurteilungsgespräch bei der Stadt Zürich).
Auch beim Bund gibt es ein solches Instrument.
Darin werden die zu beurteilenden Mitarbeitenden auf einer Skala von A-E, teilweise auch F oder mit A + + bis A – -, also auf einer entsprechenden Skala, bewertet. Innerhalb der sehr umfangreichen Formulare (teilweise bis zu 8 A4 Seiten lang) steht neben dem Raum für die einzelnen Ziele, welche jeweils anfangs des Jahres vereinbart und bei der Beurteilung ausgefüllt werden, auch ausreichend Platz für weitere Angaben zur Verfügung.
Im Grunde handelt es sich dabei, im Gegensatz zu den Banken, nicht primär um ein Instrument zur Bemessung der Vergütung, sondern um ein Personalentwicklungs- und somit Motivationsinstrument.
Wie auch bei den Banken, müsste beim Ausfüllen des Formulars dem Anspruch nach Objektivität Rechnung getragen werden. Leider oftmals weit gefehlt.
Vielfach verwenden gewisse Vorgesetzte, je nach Sympathie oder dem Grad des Ja-sagenden Angestellten, dieses Instrument nicht zu einer Be-, sondern zu einer Verurteilung der erbrachten Leistungen. Jene welche sich jeweils erlauben, kritische Fragen zu stellen, werden dabei mundtot gemacht. Fehlentwicklungen oder gar Missstände bleiben unerkannt.
Wie kommt es dazu?
Dem Autor wurden im Vertrauen solche Dokumente einer kantonalzürcherischen Anstalt zugespielt. Daraus wird ersichtlich, dass über 55-Jährige, langjährige Mitarbeitende, welche bis anhin über mindestens 30 Jahre einen soliden Job ausübten und dabei immer mit C oder sogar besser beurteilt wurden, neu plötzlich mit einem mässigen D oder gar einem E abqualifiziert werden.
Was war geschehen?
Reorganisation mit Führungswechsel. Dem wäre grundsätzlich nichts einzuwenden, wenn die neu angebrachten Vorbehalte bezüglich der unzureichenden Leistung zumindest ansatzweise begründet gewesen wären. Wenn darüber hinaus auch gezielte Personalentwicklungsmassnahmen abgeleitet werden könnten, liesse sich die Beurteilung sicher nachvollziehen.
Fehlanzeige.
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Ohne dass der / die Vorgesetzte irgendwelche Angaben dazu machen würde, wie dem „disqualifizierten“, grundsätzlich motivierten Mitarbeitenden hier Möglichkeiten aufgezeigt werden, sein Potential zu steigern, bleiben die dafür vorgesehenen Felder leer. Was folgt, ist eine schleichende Demotivation.
Dies führt dann zu einer nachvollziehbaren Haltung der betroffenen Mitarbeitenden nach dem Motto: Dienst nach Vorschrift. Oder es folgen Sprüche wie: Wisst Ihr, was Verwaltungsmikado ist? Ganz einfach: Wer sich zuerst bewegt, hat schon verloren.
Und wer zahlt die Zeche?
So lange die Wirtschaft und deren Mitarbeitenden die dafür notwendigen Steuern zu zahlen vermögen, werden solche mässigen Leistungen von Vorgesetzten mit wenig oder keinem „Leadership-Empowerment“ weiterhin möglich sein; und dies ohne die geringsten Konsequenzen; immer wieder zum Leidwesen der betroffenen Unterstellten; und auf Kosten der Steuerzahler.
Sprüche wie „Wertschöpfung durch Wertschätzung“ oder „lieber destruktive Kritik als gar keine Anerkennung“ werden dann in den Kaffeepausen wieder ihre Runden machen. Dabei geht vergessen, dass solche Beurteilungen bald einmal im Bereich des Mobbings anzusiedeln sind. Und welche verheerenden Auswirkungen dies für die Angestellten mit einer geringen Resilienz haben kann, lässt sich aus den entsprechenden Fachartikeln oder der Fachliteratur entnehmen.
Die Kosten, welche die Allgemeinheit dabei zu tragen hat, dürften enorm sein. Fest steht: Bei schweizweit rund 1,1 Millionen Staatsangestellten (Tendenz sehr stark steigend) ist der oben beschriebene Fall gewiss nicht der einzige dieser Art.
Bleibt zu hoffen, dass – selbst wenn es in einer gewissen Weise nur operative Fragen betrifft – sich die politische Führung ihrer Verantwortung bewusst ist.
Stephan Siegfried publizierte zum Thema ein Buch und gründete 2015 die 1-prozent GmbH. Einen aktuellen Kurshinweis findet man hier.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Aber, aber aber meine Lieben!
Kantonsverwaltungen leiden unter einem gravierenden Fehler, den es bei den Banken nicht gibt: Die Mitarbeiter der Kantone sind praktisch unkündbar.
Mit der Zeit nisten sich also die Ruhige-Kugel-Schieber und Low-Performer dort ein. Die Mitarbeiter mit Potential ziehen über kurz oder lang von alleine weiter um anderswo etwas zu bewegen. Der Bodensatz bleibt und erarbeitet sich ein stolzes C.
Es gibt faktisch keine Möglichkeiten, diese Mitarbeiter loszuwerden, sondern die Chefs sind dazu verdammt die Jahre zur Pensionierung ihrer lahmen Gäule zu zählen. Herzlichen Glückwunsch!
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Sehr geehrte Frau Mondstein,
Da ich erfolglos versucht habe Sie zu recherchieren um Ihren Background zu ergründen (Maria Mondstein liefert nur Schmuckartikel), bin ich mir nicht sicher, ob Sie hier als Troll auftreten.
Als Autor des oben stehenden Artikels mit langjährigen und vielfältigen Berufserfahrungen, nota bene auch in Verwaltungen, möchte ich festhalten, dass es sehr wohl möglich ist, sich von Mitarbeitenden zu trennen. Dafür muss die Leistung über einen längeren Zeitraum (gut 1 Jahr lang) nicht erbracht werden. Ein solcher Prozess muss auch in Verwaltungen korrekt und mit Respekt erfolgen, was wie oben beschrieben und im unten stehenden Link (Artikel), bedauerlicherweise nicht immer der Fall ist.
Der oben beschriebene Fall zeigt auf, dass eben machthungrige Vorgesetzte mit diesem Beurteilungsinstrument einen enormen Schaden anrichten können und dies zum Leidwesen der Betroffenen auch immer wieder tun (siehe auch Kommentar weiter unten).
So wie Sie diese Menschen als „lahme Gäule“ betiteln, zeugt nicht von viel Respekt seinen Mitmenschen gegenüber. Darf ich Sie bitten, offensichtlich aus Ihrer Sicht weniger versierten Mitmenschen den erforderlichen Respekt zu zollen. Solche Bashings beleidigen Mitarbeitende nicht nur und demotivieren diese, sondern können darüber hinaus posttraumatische Belastungsstörungen verursachen. Dass solches sozial fragwürdiges Verhalten so zu mehr Todesopfern führt (Herz-Kreislaufversagen, Suizid, Amok, etc.) als wir Verkehrstote in der Schweiz zählen, sollte zu denken geben.
Weitere detaillierte Informationen dazu entnehmen Sie bitte dem nächsten Monat erscheinenden Artikel der HR Fachzeitschrift personalSCHWEIZ unter: http://goo.gl/TIbi5d
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„Classifying and judging people promotes violence.“ – Marshall B. Rosenberg.
Wir haben das Benoten schon zur Schulzeit integriert und denken nun, solches sei notwendig, das müsse halt einfach so sein.
Zu allen vertikalen Dominanz-Systemen gehört das Dogma, dass die höher gestellte Person die tiefer eingestufte beurteilen könne. Dieser Vorgang selber dient dem Erhalt der Machtstrukturen und baut darauf, dass beide Seiten da mitspielen.
Gewaltfreie Kommunikation, so wie Rosenberg sie vermittelte, ist das Aikido der Interaktion: wir können nun auch mit so-genannt Vorgesetzten in eine Art Tanz eintreten, indem wir einfach immer emphatisch und selbst-emphatisch reagieren und agieren, ohne beim gewalttätigen Beurteilen und Verurteilen mitzutun.
GfK ist durchaus radikal und anarchisch und auch einseitig anwendbar und erlernbar. Noten werden überhaupt nicht benötigt.
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Vielleicht würde sich einiges ändern , wenn die älteren Mitarbeiter die jungen , aufstrebenden Vorgesetzten beurteilen könnten. Auch ich wurde ein Opfer eines sehr ehrgeizigen Vorgesetzten und leide heute noch darunter. Von den daraus entstanden Kosten nicht zu sprechen.
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DMV statt ZBG. DeMotivationsGespräch wäre wohl der passendere Name als ZielBeurteilungsGepräch. Nachdem jahrelang ein C-D erreicht wurde, ist es plötzlich nur noch ein E-F. Habe ich jetzt innerhalb eines Jahres so stark nachgelassen? Oder macht sich das neue Chefli einfach stark, indem es andere schlecht macht resp. schlecht redet? (Nicht nur im ZBG, sondern durchs Band)
Aber, nachdem Jahrelang eine gute Quali nicht Lohnrelevant war, könnte man über eine solch schlechte Beurteilung eigentlich nur müde lächeln. Innerlich aber wurmt es einem mächtig. Einen Motivationsschub gibt sicher nicht, eher das Gegenteil. Die einzige Genugtuung ist die Gewissheit, dass man punkto Fachwissen und Erfahrung dem Jüngling meilenweit voraus ist (und er das auch weis) und das er mindestens noch 10x so lange arbeiten muss bis zur Pension wie man selber. -
In der heutigen (Büro-)Arbeitswelt ist weniger die Arbeit als solche belastend, sondern eher alle Arten von zwischenmenschlichen Konflikten, die die Arbeit mit sich bringt. Eben der Umstand, daß Menschen, die privat nie miteinander näher bekannt geworden wären, auf engstem Raum den größten Teil ihrer wachen und produktiven Zeit verbringen.
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Ganz genau, darum möchte ich lieber alleine, in Ruhe arbeiten, ohne irgendwelche zwischenmenschliche Konflikte. Am besten irgendwo als unabhängiger Analyst!
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In der heutigen (Büro-)Arbeitswelt ist weniger die Arbeit als solche belastend, sondern eher alle Arten von zwischenmenschlichen Konflikten, die die…
DMV statt ZBG. DeMotivationsGespräch wäre wohl der passendere Name als ZielBeurteilungsGepräch. Nachdem jahrelang ein C-D erreicht wurde, ist es plötzlich…
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