Der Ruf nach Staatshilfe wird zum unüberhörbaren Schrei. Schon Morgen soll die Politik den Schweizer Stahlwerken in Emmenbrücke und Gerlafingen eine Rettungsleine zuwerfen.
Die zwei Standorte gehören reichen Männern. Swiss Steel, die in Emmenbrücke von Krise zu Krise eilt, ist kontrolliert von Martin Haefner – einem mehrfachen Milliardär.
Gerlafingen gehört zum italienischen Stahlimperium von Antonio Beltrame, auch er ein vermögender Industrieller.
Beide sollen jetzt, wie die Sonntagspresse heute berichtet, von Herr und Frau Schweizer viel Support erhalten.
Der Kleine zahlt, der Grosse nimmt. Swiss Solidarity für superreiche Patrons.
Sind wir dumm? Naiv? Oder im Gegenteil die Hellsten?
Martin Haefner hat sich in Emmenbrücke verkalkuliert. Sein Engagement wird zum Fass ohne Boden.
Stahl aus der teuren Schweiz heraus lässt sich offenbar, selbst wenn es „veredelter“ ist, nicht rentabel exportieren.
Die deutsche Autoindustrie bestellt jedenfalls immer weniger Stahl bei Haefner. Und weil der mit seiner Hauptfirma Amag von der Krise im Autobusiness ebenfalls getroffen ist, leidet der Unternehmer doppelt.
Doch er sitzt immer noch auf einem Berg von Geld.
Warum soll ihm jetzt der kleine Mann auf der Strasse, dem die Kassen-Prämie und die Miete das Leben schwermachen, aus der Patsche helfen?
Das Gleiche in Gerlafingen. Dort regiert ein italienischer Unternehmer, dessen Familie auf eine lange Industriegeschichte zurückblickt.
Beltrame. Der Italo-Magnat fordert Hilfe für die hohen Strompreise. Ist ja nur wegen des Kriegs und den Crazy-Preisen und so, capisce?
Doch Strom gehörte schon immer zu den Kernfaktoren im Stahlgeschäft. Nichts Neues im Westen.
Wieso also muss jetzt der Schweizer Taxpayer dem Baron diesen finanzieren?
Peter Spuhler sitzt – noch – mit Martin Haefner bei Swiss Steel im Boot der Grossaktionäre. Spuhler will dort nichts wie weg, weil seine Stadler Rail als wichtigstes Bein im Imperium des Zürchers steil nach unten rast.
Getroffen von Produkte-Mängeln in Berlin und Unwetter-Katastrophen in Valencia.
Spuhler war einer der grössten Profiteure der Schweizer Exportrisiko-Versicherung (SERV). Deren Garantie machte Deals in Weissrussland und anderen schwierigen Plätzen für den Schweizer Zugs-Bauer erst möglich.
Die SERV wird finanziert durch den Schweizer Steuerzahler. Nur dank dessen Solidität und der so geschaffenen Finanzkraft kann der Alpenstaat mit der SERV Spuhler und Co. unter die Arme greifen.
Meyer Burger halfen weder SERV noch jahrelanger direkter Steuergelder. Dabei war die Thuner Solarpanel-Firma im besten aller Businesses vorne dabei.
Die ganze Welt wollte plötzlich nur noch Sonnen-Panels. Doch just der hochgelobte Pionier aus der Schweiz „schaffte“ das Kunststück, in einem Boommarkt der geschichtsträchtigen Sorte eine Pleite der Extraklasse hinzulegen.
Jetzt blutet der Steuerzahler doppelt. Die Staatshilfe hat sich längst in Luft aufgelöst, verdampft zwischen Boni und schwarzen Exportlöchern, die Sozialkosten für die Leute, die auf dem Arbeitsamt landen, schiessen hoch.
Stahl-Milliardäre, Eisenbahn-Patron, Energie-Ikarus: Beispiele hochgelobter Schweizer Firmen und Besitzer, die am Ende von Herr und Frau Schweizer viel Geld erhalten.
Zum Glück, sagte gestern Pierre-Yves Maillard. In der wichtigsten Talksendung des Landes, der Samstagsrundschau im SRF, meinte der oberste Gewerkschaftsführer:
Staatshilfen seien das Nonplusultra, um Firmen wie Swiss Steel über Wasser zu halten. Einmal verschwunden, kämen diese nämlich nie mehr ins Land der Eidgenossen zurück.
Für Maillard gehört Stahl zu zentralen Gütern, welche die Schweiz selber herstellen muss. Sonst droht Verarmung.
Liegt unsere Zukunft wirklich im Stahl? Vielleicht kann Indien Stahl halt einfach viel günstiger und ebenso gut herstellen. Und die Schweiz würde das Geld besser dem Steuerzahler in der Tasche lassen?
Der würde mit seinem Ersparten selbst ein Business starten oder Produkte kaufen, die ihm gefallen. Auf die müsste die Schweizer Wirtschaft setzen.
Ohne Industrie keine Zukunft, lautet das Mantra. Stimmt. Die Frage lautet: welche?
Alte wie jene mit Stahl und Bahn, die am Ende zu teuer werden? Mit Rolls-Royce-Solarpanels, wenn alle Welt Massenware will?
Oder läge die Chance der modernen Schweiz nicht eher in Hightech-Produktionen, die mit ETH-Forschern zum Mond fliegen?
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