Das Ende mit Schrecken kam vor Weihnachten. Am 16. Dezember eröffnete die Zuger Behörde dem Konkurs über die Lykke Business.
Das ist die Dachgesellschaft der gleichnamigen Krypto-Handelsplattform. Als Kunde beziehungsweise Gläubiger erfuhr man dies vorläufig nicht.
Wen erstaunte dies. Der Gründer und Chef, Richard Olsen, ein 71-jähriger Schweizer dänischer Herkunft, kommunizierte bis zum Schluss, wie er es immer getan hatte:
Knapp, spät, oft falsch oder gar nicht.
Weshalb sich die Entwicklung seit Juni vergangenen Jahres, als die Plattform angeblich gehackt und ein Drittel der Krypto-Einlagen gestohlen wurde (Lykke-Angabe), mehr wie ein Schrecken ohne Ende anfühlte.
Noch Anfang Dezember hatte Olsen, der sich selbst „Krypto-Opa“ nennt, verbreitet, das Unternehmen sei finanzstark. Zudem sei die von ihm entwickelte IT-Plattform praktisch ohne Konkurrenz und easy verkäuflich, für gutes Geld.
Weshalb er allen Kunden (Deklaration: Ich war Kunde/bin Gläubiger von Lykke) ihre Einlagen im Gesamtwert von 60 Millionen Franken rückerstatten werde. Plus, möglicherweise, eine Entschädigung für verpasste Krypto-Gewinne drauflege.
Die Beteuerungen erscheinen heute, im kalten Licht des Morgens nach der Party respektive des Konkurses (keine gnädige Nachlassstundung), als Wunschdenken in der Grössenordnung von Muhammad as-Sahhaf.
Der ehemalige irakische Informationsminister sagte während des Golfkriegs in eine CNN-Kamera: „Wir halten Bagdad. Es gibt keine Anzeichen amerikanischer Truppen in der Stadt.“
Doch hinter ihm sah man schon amerikanische Panzer mit lachenden Soldaten; Sahhaf wurde danach bekannt als „Comical Ali“.
Seit dem Hack hat sich die Wahrnehmung von „Comical Dick“ Olsen verändert. Erst wandten sich Insider beziehungsweise Branchenkenner ab.
Ein Sprecher der Hochschule Luzern, wo Olsen Vorträge zu Blockchain hielt, redet die Zusammenarbeit klein („einmaliger Auftritt, keine weitere Zusammenarbeit, keine Kenntnis vom Cybersecurity-Vorfall“; Georges Grivas).
Und von der Präsidentin des Verbands Crypto Valley Association kommt noch weniger – Emi Lorincz, eine Französin, die für eine Digital-Trading-Firma ohne Niederlassung in der Schweiz arbeitet, gibt trotz mehrmaligem Nachhaken keine Stellungnahme zum ehemaligen Vorzeige-Krypto-Buddy ab.
Nach dem Hack sahen manche Kunden und Gläubiger Olsen als Opfer. Inzwischen fürchten viele, die Lage könnte umgekehrt sein.
Ende vergangenen Jahres wurde bekannt, dass Lykke seit zirka 2019 Verluste erzielt respektive keine Abschlüsse mehr vorgelegt hatte.
Und der Cybersecurity-Vorfall wurde von Sicherheitsleuten mit Kenntnissen plötzlich eher als Überweisung von Kryptos durch Lykke-Mitarbeiter (oder Lykke-nahe Leute) in Hacker-Wallets dargestellt.
Mehr Authentifizierungs-Fehlleistung als hochorganisierter Hack also.
Eine unklare Rolle spielt dabei auch eine Firma mit Namen Swisschain in Zug, die Custodian, Verwahrerin, von Lykke-Mitteln war.
Swisschain-CEO ist übrigens Simon Olsen, der Sohn des Vaters.
Lykke-Geschädigte schlossen sich in der Zwischenzeit zusammen und prüfen den Rechtsweg; eine kleine Gruppe mit grossen Forderungen, sogenannte whales, Wale, bereitet Strafanzeige und/oder einen Strafantrag (Antrag auf Bestrafung) gegen Olsen vor.
Dies mit Anwälten der grossen Anwaltskanzlei Baker McKenzie. Eine grössere Gruppe mit jeweils kleineren Ansprüchen ist ebenfalls dran (unterstützt von Landmann & Partner, einer Strafrechts-Kanzlei in Zürich).
Die Mehrheit der Gläubiger aber hat sich entschieden, einfach und kostengünstig, beim nächsten Polizeiposten oder einer Staatsanwaltschaft Strafanzeige einzureichen (inklusive des Schreibenden, bei der Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Abteilung Wirtschaftsdelikte).
Diese Betroffenen werfen Olsen unter anderem Zweckentfremdung von Kundengeldern sowie Verschleppung der Geschäftsaufgabe vor.
Ob der nur ein schlechter Unternehmer ist oder zudem das Gesetz gebrochen hat, ist im Augenblick noch nicht absehbar. Wie immer gilt die Unschuldsvermutung.
Die Schweiz hat aber auf jeden Fall ihren ersten grösseren Krypto-Case, und die zuständigen Behörden-Mitarbeiter müssen zeigen, ob sie den Aufgaben, die solche komplizierten Fälle stellen, gewachsen sind.
Was bereits ziemlich klar scheint: Der Krypto-Opa/Comical Dick dürfte überschätzt worden sein, was seine (von ihm) hochgehängten Blockchain-Kenntnisse anging.
Und unterschätzt möglicherweise, wie weit zu gehen er bereit war, um Lykke, sein Spätwerk, irgendwie im Business zu halten.
In seiner Steuer-Selbsteinschätzung (Zahlen nicht definitiv) gibt er ein Vermögen von null Franken an. Er soll schon Pleite gewesen sein, bevor Lykke implodierte.
Obwohl er mit einer früheren Firma, Oanda, einen gelungenen Exit bewerkstelligt hatte, sprich die Währungsrechner-Firma mit Gewinn verkaufen konnte.
Seine Ehefrau und sein Sohn übrigens weisen Vermögen aus, darunter Immobilienbesitz.
Unter den vielen offenen Fragen die drängendste vielleicht: Hat Richard Olsen kein Geld mehr, weil er Lykke retten wollte? Oder wo ist dieses?
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Die beliebtesten Kommentare
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Nach meiner persönlichen Erfahrung gehören Lykke und der Präsident der Crypto Valley Association zu den Fragwürdigsten in der Schweizer Blockchain-Szene. Im Jahr 2017 wollte die Präsidentin der CVA die Women in Blockchain Association (Non-Profit) nutzen, um „Investoren“ mit unrealistischen Versprechungen zu überzeugen, Geld in die Aktivitäten zu investieren. Ich war dagegen und habe die Gruppe verlassen.
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Not your keys, not your coins
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Verwirrend. Gilt jetzt für alle Täter/Opfer sowie Mitläufer:
Uuf u drvoo? -
Beste Aussage im Artikel;
Swisschain-CEO ist übrigens Simon Olsen, der Sohn des Vaters.
Ich krümme mich noch immer vor Lachen! 🙂
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Der Klassiker: Man verschiebt die Aktiven zu Frau und Sohn. Die Passiven behält man.
Cryptos sind nur etwas für hoch Risiko Spekulanten.
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Wie hier schon oft erwähnt Ob diese Krypto Plattform Lykke angeblich von Häckern ausgeraubt wurde, weiss kein Mensch. Nun läuft alles wieder nach dem gleichen Muster ab. Millionenverluste für die Investoren, Geld weg. Olsen hat kein Vermögen, er hat vermutlich alles seiner Ehefrau vermacht.
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Die relevanteste Frage ist: baut nicht die ganze Krypto-„Industrie“ auf Sand bzw. Phantasie und führt nebst den Geldgebern („Anleger“, die ohne fundierte Ertragssituation eher „Spender“ sind) auch
die Behörden (notabene unscheinbare Selbstregulierungsorganisationen / FINMA sieht sich nicht zuständig, obwohl Swissquote, Kantonalbanken, PostFinance etc. sich im Krypto-Hype exponieren) an der Nase herum?-
Ihr vergesst eines, denn Crypto ermöglicht den Banken mehr Gelderschaffung aus Luft.
Goldman Sachs kaufe ca 2007 bereits Dragonfly und weltweit sind 35 Trillionen (!) In Crypto gebucht. Das heisst, es ist von den Plattform-Holders genauso manipullierbar, wie Gold, wo auch rund 70x mehr gebucht ist, als physics vorhanden. Daran habt nicht mal ihr Bankers-Leuchtröhren gedacht, was? Wer hätte das bloss gedacht? JEDER BAUER, DER VERNETZT DENKEN KANN!
Bernie Madoff hatte die Nasdaq aufgebaut. Glaub ihr wirklich, er hätte damals kein Potentiometer eingebaut, weil er so ehrlich war?!?!
All rigged for a tiny rich club, and you’re ain’t into it-
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Wenn man das liest könnte man befürchten, dass die Olsen-Family die Kryptovermögen der Investoren beiseite geschafft haben könnte?
Zitat: „Swisschain-CEO ist übrigens Simon Olsen, der Sohn des Vaters. …“ Hat die FINMA hier vielleicht Unabhängigkeitsproblem der Familienmitglieder übersehen?
Der Klassiker: Man verschiebt die Aktiven zu Frau und Sohn. Die Passiven behält man. Cryptos sind nur etwas für hoch…
Die relevanteste Frage ist: baut nicht die ganze Krypto-"Industrie" auf Sand bzw. Phantasie und führt nebst den Geldgebern ("Anleger", die…
Wenn man das liest könnte man befürchten, dass die Olsen-Family die Kryptovermögen der Investoren beiseite geschafft haben könnte? Zitat: "Swisschain-CEO…