Die Prüfgesellschaft der Nationalbank gibt sich überrascht über die E-Mails, die zum Sturz von Philipp Hildebrand beigetragen haben.
Laut NZZ sagt eine Sprecherin der PwC, „man sei davon ausgegangen, die Original-Dokumente vom E-Mail-Account Hildebrands geliefert bekommen zu haben“. Auf dieser Basis sei der Prüfungsbericht in Sachen Eigengeschäften der Hildebrands zustande gekommen.
Die NZZ schreibt mit Bezug auf die Sprecherin weiter, „PwC habe die Lieferung der Nationalbank entgegengenommen in der Annahme, die Unterlagen seien vollständig.“
Damit versucht die bekannte Prüfgesellschaft, sich aus der Schusslinie zu nehmen. Sie hatte ihren Freispruch für Philipp Hildebrand gefällt, ohne ein wichtiges E-Mail von Hildebrands Sarasin-Kundenberater zu berücksichtigen.
„Ich erinnere mich, dass Sie gestern sagten, dass es für Sie in Ordnung sei, wenn Kashya den Dollar-Anteil erhöhen wolle“, hielt Felix Scheuber, ein Sarasin-Kadermann und Kundenberater der Hildebrands, als Antwort auf ein Mail Hildebrands fest.
Dieser wollte am 16. August 2011 nichts von einem Dollar-Auftrag durch seine Frau wissen. Drei Wochen später band die SNB den Franken an den Euro an, worauf auch der Dollar gegenüber dem Franken hochschnellte. Die Hildebrands strichen einen Gewinn von rund 70’000 Franken ein.
In ihrem Prüfbericht, der letzte Woche von der SNB offengelegt wurde, nachdem der Druck auf den Notenbank-Präsidenten stark gestiegen war, hatte die PwC noch nichts von Originaldokumenten geschrieben.
„Unsere Aufgabe besteht darin, aufgrund der uns vom Leiter Recht und Dienste der SNB zur Verfügung gestellten Unterlagen zu beurteilen, ob das Reglement eingehalten wurde“, ist auf Seite 1 des 6-seitigen vertraulichen Berichts vom 21. Dezember 2011 an SNB-Präsident Hansueli Raggenbass zu lesen.
Der Widerspruch mag fein sein, bringt aber die PwC in Erklärungsnotstand. Aus dem Bericht der bekannten Prüfgesellschaft geht die Datenlage nämlich eindeutig hervor.
Da ist nicht von Original-Dokumenten von Hildebrand die Rede, sondern von Unterlagen, die vom SNB-Rechtschef bereitgestellt worden seien. Auf dieser Basis sei es für die PwC darum gegangen „zu beurteilen, ob das Reglement“ für Eigengeschäfte der SNB-Spitze eingehalten worden sei.
Rechtlich ist diese Passage für die PwC vermutlich wasserdicht. Die Prüferin hat nicht gelogen, und sie kann ihren fragwürdigen Freispruch für Hildebrand mit dem lückenhaften Material begründen, das ihr zur Verfügung gestellt worden sei. Nicht unser Fehler, würde das heissen.
Doch für die PwC ist die Sache kaum ausgestanden. Als Prüfgesellschaft der SNB war sie bereits vor der Publikation der neuen E-Mails latent dem Verdacht ausgesetzt, dass sie die Causa Hildebrand wohlwollend unter die Lupe genommen habe, um das lukrative Mandat nicht zu gefährden. Zudem kennen sich PwC-Schweiz-Chef Markus Neuhaus und Philipp Hildebrand aus anderen Gremien.
Einzelne Formulierungen werfen heute, da sich das Bild komplettiert, ein fragwürdiges Licht auf die Arbeit der PwC. Den umstrittenen Kauf von rund einer halben Million Dollar vom 15. August 2011 von Kashya Hildebrand begründen die PwC-Gutachter mit einem schon vor der neuesten Entwicklung eigenartig klingenden Satz.
„Die Transaktionen unter No. 2 wurden direkt durch die Ehefrau bei der Bank veranlasst. Davon hat PMH gemäss den uns vorliegenden Unterlagen einen Tag nach Durchführung Kenntnis erhalten.“
Zwei Aussagen stechen bei dieser entscheidenden Entlastungs-Aussage der Prüfgesellschaft ins Auge. Das Wort „direkt“ und „gemäss den uns vorliegenden Unterlagen“.
Erstens: Was heisst „direkt“? Was wäre ein „indirekt“ veranlasster Kauf?
Zweitens: Warum machen die Prüfer ausgerechnet an dieser entscheidenden Stelle eine Art Vorbehalt, indem sie ihre Prüfung auf „uns vorliegende Unterlagen“ begrenzen?
Dass es leicht ist, mit dem heutigen Wissen Mängel im Bericht zu finden, taugt nicht als Entlastung. Beide obigen Punkte wirkten schon vor Hildebrands Rücktritt und ohne Kenntnis des neuen Sarasin-Mails eigenartig.
Die PwC fällte bei der Beurteilung anderer möglicherweise heiklen Transaktionen jeweils ein klares Urteil ohne spezielle Umschreibungen. Beispielsweise verweisen die Prüfer rund um den Kauf einer Ferienwohnung in Klosters explizit auf zusätzliche Unterlagen. „Wir haben den entsprechenden Kaufvertrag vom 6. Oktober 2011 eingesehen“, steht im Bericht.
Es stellt sich die Frage, ob die PwC aufgrund der Datenlage hätte nachfragen müssen. Das tat sie nicht, wie Medien heute berichten. Eine Befragung von Philipp Hildebrand fand nicht statt.
Die eigenartigen Formulierungen erwecken den Eindruck, dass die PwC-Prüfer bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung vermuteten, nicht über das vollständige Bild zu verfügen.
Unter Druck geraten könnte die oberste PwC-Leitung. Einer der Prüfer des Hildebrand-Gutachtens ist Peter Ochsner, Leiter des Geschäftsbereichs Wirtschaftsprüfung bei der PwC Schweiz. Ochsner ist seit 1992 Partner bei PwC und Mitglied der 6-köpfigen Geschäftsleitung.
Auch der zweite Prüfer ist kein unbeschriebenes Blatt. Mit Thomas Romer handelt es sich um den Chef für den Kompetenzbereich Banken. Auch Romer ist Partner bei der PwC Schweiz.
Kürzlich schrieb die PwC mit einem weiteren Gutachten Schlagzeilen. Die in einen Russen-Oligarchen-Fall erster Güte geratene Hyposwiss wurde von der PwC entlastet. Die Prüferin hatte im Auftrag der Hyposwiss-Muttergesellschaft Sankt-Galler Kantonalbank die Vorwürfe rund um Geldwäscherei-Taten untersucht. Sie sprach die Verantwortlichen von jeglichem Fehlverhalten frei.
Solange das durchschnittliche Partnereinkommen über demjenigen von Hildebrand liegt, nehmen die Prüfer solche Kritik gelassen.
Dass ein Neuhaus nach 9 Jahren als CEO, obwohl er seine grossartig angekündigte 1 Milliarden Umsatzambition klammheimlich beerdigte, nun mit dem VRP-Amt in derselben Firma belohnt wird, mutet doch merkwürdig an.
Dass sein Schwager und Geschäftsleitungskollege bei PwC, der zwar ein guter Steuerexperte ist, nun aber in der NZZ am Sonntag über Rezepte gegen den starken Franken schreibt, zeigt den verzweifelten Willen dieser Firma ihre Pfründe aufrecht zu halten.
Es wird Zeit diesen Filz aufzulösen!