Die Raiffeisen-Gruppe braucht Eigenkapital. Nun will sie es bei ihren fast 2 Millionen Genossenschaftern holen.
Diese besitzen die Raiffeisen-Bank. Auf dem Papier. In der Realität handelt es sich um braves Stimmvolk.
Pro Kopf können bis 10’000 Franken in „Anteilscheine“ der Raiffeisen-Genossenschaft investiert werden. Im Maximalfall erhält die Raiffeisen gegen 20 Milliarden Frischkapital.
Es wäre die wohl günstigste Kapitalerhöhung einer Grossbank, die es je gegeben hat.
Normalerweise kostet Eigenkapital für Schweizer Banken mindestens 8 Prozent. Die Raiffeisen will ihren Genossenschaftern aber nur rund 3 Prozent anbieten.
An ihren Generalversammlungen und in persönlichen Schreiben an die Genossenschafter preist sie ihre Anteilscheine als „exklusives Vorzugsangebot“ an.
„Beteiligen Sie sich am Erfolg der Raiffeisenbank Zug“, heisst es beispielsweise bei dieser Raiffeisenbank. Gleich tönt es überall im Land.
In Zug könnten die Genossenschafter „eine Verzinsung der Anteilscheine von 2 % bis 2.5 %“ erwarten. Mit der Information erhalten die Genossenschafter einen Zeichnungsschein, auszufüllen bis Ende Mai.
Es folgt „Wissenswertes zum Raiffeisen Anteilschein“. Sie sollte mit „Lesen Sie die Packungsbeilage“ überschrieben sein.
Denn dort steht Hochexplosives.
Unter „Sicherheit“ heisst es, dass die Anteilscheine „jederzeit vollumfänglich zurückbezahlt“ würden, „solange die Raiffeisen Gruppe die gesetzlichen Eigenmittelanforderungen erfüllt“.
Weiter unten wird ausgeführt, wie das funktioniert.
„Der Verwaltungsrat kann eine Rückzahlung der Anteilscheine ohne Angaben von Gründen verweigern, insbesondere dann, falls die Eigenmittel der Raiffeisen Gruppe den gesetzlichen Eigenmittelanforderungen nicht genügen.“
Und dann noch dies: „Die Anteilscheine sind nicht durch die Einlagenversicherung der Schweizer Banken gedeckt.“
Kurz: Es handelt sich beim Raiffeisen-Anteilschein um ein Anlagepapier, das kaum Rechte, aber viel Risiken beinhaltet.
Faktisch eine Aktie, und erst noch um eine mit limitiertem Stimmrecht. Denn jeder Genossenschafter hat 1 Stimme, egal ob er wie bisher 200 oder neu 10’000 Franken in seine Bank investiert hat.
Dass sie limitiert stimmberechtigte Aktionäre sind, wird den Genossenschaftern nicht gesagt.
Denn offiziell sie sind ja keine Aktionäre. Sondern Genossenschafter. Die verstehen das wohl nicht, könnte sich die Raiffeisen-Führung in St. Gallen sagen.
Diese wehrt sich. „Die Anteilscheine werden den Kunden nicht wie eine sichere Obligation angepriesen“, sagt eine Raiffeisen-Sprecherin auf Anfrage.
„Die Kunden werden über die Risiken aufgeklärt. Auch das Produktinformationsblatt weist ausdrücklich auf die Risiken eines Beteiligungspapieres hin.“
In Zug und den anderen Raiffeisen-Regionen schreiben der zuständige Raiffeisen-Präsident und der örtliche operative Chef, dass der definitive Zinssatz für die Anteilscheine von der Generalversammlung beschlossen würde – und zwar auf Antrag des Verwaltungsrats.
Es wird der Eindruck erweckt, dass eine Verzinsung gesichert sei. Man kennt sich doch, ist vertraut miteinander. Da kann man den Verwaltungsrat beim Wort nehmen.
Die Raiffeisen-Zentrale in St. Gallen verstärkt das Bild eines sicheren Zinses.
Auf die Frage, wie viele Raiffeisenbanken die bisher übliche Anteilsverzinsung von 6 Prozent neu auf rund 3 Prozent senken würden, heisst es: „Rund 100 Raiffeisenbanken verzinsen das Anteilscheinkapital mit 1 bis 4%. Rund 200 Raiffeisenbanken beantragen dieses Jahr einen Zins von mehr als 4% bis maximal 6%.“
Das ist viel in Zeiten von Negativzinsen. Während die Raiffeisen-Chefs mit ihrem „hohen“ Zins Werbung machen, bleiben die Risiken und die fehlende Entschädigung dafür weitgehend unerwähnt.
Beim Raiffeisenkonstrukt handelt es sich um eine Solidargemeinschaft. Jeder für alle, alle für jeden – wie bei einer Alpkäser-Genossenschaft.
Das heisst: Die Genossenschafter der Raiffeisen Zug müssen notfalls die Raiffeisen einer anderen Region mit ihrem Anteilsgeld retten.
Werden sie für dieses Risiko entschädigt? Nein. Denn im Unterschied zu Aktien haben die Anteilscheine null Kurspotential nach oben.
Der Anteilschein ist eine Nestlé-Aktie – einfach ohne Chance auf Wertsteigerung. Wie beim Nahrungsmittelmulti kriegen die Eigentümer ebenfalls eine stolze „Dividende“.
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Am zurückbehaltenen Gewinn und den Investitionen in die Zukunft, die noch mehr Gewinn versprechen, partizipieren die Eigentümer der Raiffeisen aber nicht.
Wer sonst? Je mehr die Raiffeisen dank dem von den Genossenschaftern günstig bereitgestellten Kapital verdient, desto mehr bleibt den Angestellten als Lohn, Bonus und lukrativen Pensionskassenlösungen.
Aus dem „exklusiven Vorzugsangebot“ wird somit eine billige Kapitalbeschaffung. Diese kontrastiert mit zwei „lustigen“ Anleihen der jüngeren Zeit.
Per Ende 2014 wies die Raiffeisen-Gruppe 12 Milliarden eigene Mittel aus. Allein ihre explodierenden Hypothekenkredite umfassten über 150 Milliarden.
Weil die eigenen Mittel für die hohen Risiken nicht mehr ausreichten, holte sie mit einer ersten „ewigen“ Anleihe Pseudo-Eigenkapital im Finanzmarkt über 550 Millionen. Diesen März legte sie mit weiteren 550 Millionen nach.
Beide Male offerierte die Raiffeisen-Gruppe 3 Prozent Zins. Die Zürcher Kantonalbank kriegte kürzlich 185 Millionen in solchen Kapital-Obligationen für nur 1 Prozent.
Die Raiffeisen musste somit im freien Kapitalmarkt rund 3 Mal mehr bezahlen als die ZKB, deren Schulden vom Zürcher Steuerzahler garantiert sind.
Eine Sprecherin der Raiffeisen widerspricht. „Die ZKB hat eine Tier-2-Anleihe emittiert. Diese ist aufgrund des Auslösungstriggers von 5% und der festen Laufzeit nicht vergleichbar mit der Tier-1-Anleihe von Raiffeisen Schweiz, die mit einem Trigger von 7% und unbestimmter Laufzeit emittiert wurde.“
Und weiter: „Die vergleichbare Tier-1-Anleihe der ZKB vom 19.1.2012 war mit einem Spread von 298 Basispunkten in etwa gleich „teuer“ wie die kürzlich von Raiffeisen Schweiz emittierte Tier-1-Anleihe.“
Die Raiffeisen-Spitze in St. Gallen vergleicht somit die Zinssituation von Anfang 2012 mit jener von heute.
Auch wenn die Zinsen schon damals tief waren: Negativ sind sie erst seit 2015.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Ein alter Zopf, L.H. Die Schweiz am Sonntag nannte diese Anleihen bereits vor Monaten schon einmal Killerbonds. Trifft es auf den Kopf.
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Es wäre nicht gut, wenn nun an irgendwelche unbedarfte Kunden grössere Summen verkauft werden. Mehr als 2-3% seines liquiden Vermögens sollte kein Kunde in so ein Konstrukt investieren.
Hoffentlich sind da die Zentrale wachsam und die Kundenberater vernünftig.
Wenn diese Kontrolle erfolgt, dann sehe ich da kein Problem. Ein weiteres „Quasi-Return-Free-Risk-Produkt“, von denen es ja aktuell viele gibt…-
Vielleicht ist Ihnen entgangen dass pro Person maximal CHF 10’000.00 investiert werden können in diese Anteilscheine.
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@Zampano: Das ist sicher sehr sinnvoll. Aber 10000 Franken sind doch für viele Kunden sehr viel Geld. Wie gesagt, keiner sollte mehr als 2-3% des Finanzvermögens in einen Emitenten bei einem nachrangigen Produkt investieren. Ich hoffe doch sehr, dass Raiffeisen ihrer Verantwortung nachkommt und nicht z.B. wenig finanzerfahrenen Personen, die 50000 CHF zusammengespart haben, Anteilscheine über 10000 CHF verkauft.
Das wäre aus meiner Sicht fahrlässig und unethisch! -
„Peti“ hofft in seinem Kommentar, dass die Zentrale wachsam sein soll, damit den Genossenschaftern nicht zuviele dieser neuen Anteilscheine angedreht werden. Damit liegt er wohl falsch, denn es ist die Zentrale, die durch ihr ungehemmtes Wachstum neues Eigenkapital dringend nötig hat und deshalb die Mitgliedsbanken auffordert, neue Anteilscheine zu generieren. Die weitaus grösste Zahl der dörflichen Raiffeisengenossenschaften haben eine sehr gesunde Bilanz mit genügend Eigenkapital und Reserven.
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Der Artikel von LH weist einfach zu viele Fehler aus. Die Eigenkapieldeckung der einzelnen Raiffeisenbanken hat mit der Gruppe wenig zu tun. Jede autonome Raiffeisengenossenschaft ist selber für ihr EK verantwortlich. Wer zu wenig hat, wird zwar durch die Gruppe gestützt, muss jedoch intern höhere Abgaben an diejenigen Banken bezahlen, welche zu viel EK aufweisen. Es wird stets der Fehler gemacht, die Gruppe mit den einzelnen Banken zu vergleichen.
Die Mehrfachzeichnung, wie sie korrekt heisst, ist weder eine Mogelpackung, noch mit übermässigen Risiken verbunden. Der VR kann zwar die Rückzahlung der Anteilscheine verweigern, das war jedoch bereits vorher schon so (und gilt grundsätzlich bei allen genossenschaftlich organsierten Unternehmen). Bisher galt eine Nachschusspflicht, die ist seit der Statutenrevision 2014 weggefallen. Eine Verzinsung für CHF 10’000 von rund 2,5% – 3% ist im heutigen Umfeld sehr gut – und dies zu einem wirklich geringen Risiko. Sollte eine Raiffeisenbank in Schwierigkeiten geraten, steht ein Solidaritätsfonds zur Verfügung, welcher diese Ausfälle auffangen kann. Im worst case, würde die entsprechende RB fusioniert. Der Hinweis von LH, dass es keine Aussicht auf Wertsteigerung gibt ist korrekt – allerdings vergleicht der Verfasser den Genossenschaftsanteilschein mit einer gewinnorientierten Aktien, dies ist schlicht falsch. Das konstrukt der Mehrfachzeichnung ist ein gutes Mittel, EK zu generieren und wesentlich transparenter als die Kurspflege vieler Aktiengesellschaften. By the way: Die Gewinne bei Raiffeisen fliessen weder in überhöhte Löhne oder Boni und schon gar nicht in lukrative PK-Lösungen. Schlussendlich ist die Mitgliedschaft eine emotionale Sache und kann nicht mit einem Investment verglichen werden. -
Für ein „wirtschaftliches“ Investment fehlen halt einige Merkmale:
– Zinssatz ist nicht objektiv festgelegt
– Nicht liquide (nicht verkaufbar)
Optimal ist es, wenn das Genossenschafter vor allem aus Verbundenheit und nicht aus gewinnabsicht kaufen (wie bei bestimmten Bergbahnen). Motto: „Ich helfe meiner Genossenschaft, bei der ich Mitglied bin und der ich mich emotional Nahe fühle – und kriege vielleicht noch ein paar Franken Zins und ein gutes Abendessen.
Dann wird niemand unglücklich und es gibt keinen Raum für Enttäuschungen.-
@Freddy: Sie haben dies toll erklärt, genau so ist das! Bravo!
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Ich bin der Meinung, dass die Verzinsung marktgerecht ist. Schliesslich haben beispielsweise die TIER1-Anleihe hauptsächlich institutionelle Investoren gezeichnet. Ich gehe stark davon aus, dass diese das Angebot genügend geprüft haben! Ausserdem bewegen sich die TIER1-Anliehen der Schweizer Banken alle in einem ähnlichen Range (Rating berücksichtigt). Verstehe die Aufregung nicht!
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So ein Quatsch… Hat bereits das Sommerloch begonnen????
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Entmündigung des Kunden durch Herrn Hässig! Man würde meinen, die Kunden wissen nicht was sie „unterzeichnen“.
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@ Clude
Ich bin mir sicher, dass die Kunden nicht wissen, was sie da unterzeichnen. Deshalb brauchen wir ja auch einen Ombudsmann dafür. -
Lieber Dejan, der Artikel von LH ist gar nicht so schlecht. Tatsächlich ist es ein schlechtes Angebot von R und ich bin überzeugt viele Kunden vertrauen R ohne alles genau zu studieren, vielen fehlt auch die Zeit und Kompetenz dafür. Das ganze ist ein Mogelpackung auf dem die Zeichener im schlimmsten Fall die Lackierten sind. Besonders wennman bedenkt dass von den USA noch einiges auf R zukommt. Hoffentlich wird das Angebot auch in der Presse thematisiert, nicht alle lesen IP.
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@Späher. Ich denke deine Kompetenz in dieser Runde ist ausserirdisch! D.h. einfach stuppides bla bla!
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@Späher: Zu beachten, dass Raiffeisen in der Gruppe 3 ist betreffend FATCA, das heisst nicht schuldig ist. Der Unabhängige wird dies bestätigen. Raiffeisen hätte sich sogar aus dem Programm verabschieden können. Bedenken Sie: Raiffeisen kann keine Auszüge, Prospekte, E-Banking oder ähnliches in Englischer Sprache anbieten –> dann wird’s für Amerikaner schwierig!
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Die RB hockt mit ihrer ultradünnen Kapitalisierung in der Klemme und braucht dringend einen Dukatensch…er. In einem Schildbürgerstreich versucht Sie nun Bauerntölpeln den „Chlütter“ aus ihren (dank staatlichen Landwirtschaftszahlungen prall gefüllten) Taschen zu ziehen.
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@Goldesel: Die Kapitaldecke von Raiffeisen ist höher als gefordert inkl. Kapitalpuffer etc.
Rating AA3 –> das höchste Rating einer CH-Bank ohne Staatsgarantie! So schlecht kann es dann ja doch nicht sein 😉
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@ Clude Ich bin mir sicher, dass die Kunden nicht wissen, was sie da unterzeichnen. Deshalb brauchen wir ja auch…
Lieber Dejan, der Artikel von LH ist gar nicht so schlecht. Tatsächlich ist es ein schlechtes Angebot von R und…
@Späher. Ich denke deine Kompetenz in dieser Runde ist ausserirdisch! D.h. einfach stuppides bla bla!