In der Magna Charta Libertatum von 1215 garantierte König Johann Ohneland zu Runnymede in England am 15. Juni 1215 den Beginn des Rechtsstaates / Rule of Law. Daraus entwickelte sich über die Jahrhunderte das moderne Verständnis von den Grund- und Menschenrechten. Informationelle Selbstbestimmung & Rechtsschutz entwickelten sich zu Grundlagen des modernen Rechtsstaates. Gemäss der Rechtsprechung des Bundesgerichts gehören die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person zu ihrer Privatsphäre, die einen Teilgehalt des Grundrechts gemäss Art. 13 BV (und Art. 8 EMRK) bildet. Sollen diese schwer erkämpften zivilen Errungenschaften aufgrund des automatischen Steuer-Informationsaustausches (AIA) nun geopfert werden?
Das Steueramtshilfegesetz sieht beispielsweise vor, dass bei Einzel- oder Gruppenanfragen von der ESTV gegen die Betroffenen Verfügungen erlassen werden, bevor deren – nicht nur steuerrelevante – Informationen in fremde Hände gelangt. Diese können innerhalb von 30 Tagen Beschwerde gegen die Auslieferung ihrer Informationen einlegen. Beispielsweise darf Anfragen, welche aufgrund Straftaten wie Bestechung, Erpressung oder Datenklau entstanden sind, nicht Folge geleistet werden. Fishing Expeditions sind unzulässig. Nur die wirklichen Beneficial Owner dürfen benannt werde.
So verbietet die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund der Tatsache, dass bei bestimmten Trusts der Settlor die Eigenschaft als wirtschaftlicher Berechtigter verliert, die Auslieferung seines Namens. Das Global Forum wird die Einhaltung internationaler Standards bei der nationaler Durchführung überprüfen.
Nicht so aber im aktuellen Vernehmlassungsentwurf zum AIA-Gesetz, welches Anfang 2017 in Kraft treten soll. Hier lässt sich ein Rechtsschutz praktisch nicht finden. Zwar sollen Banken in 2017 ihre Kunden vor dem ersten automatischen Informationsaustausch auf dieses Novum hinweisen. Im Punkto Rechtsschutz wird auf das allgemeine Datenschutzrecht verwiesen. Zudem sollen fälschlich an eine ausländische Steuerbehörde ausgelieferte Informationen nachträglich berichtigt werden können.
Eine klare Regelung des Rechtsschutzes des Bankkunden mit aufschiebender Wirkung gegenüber den Verfügungen der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) ist nicht zu erkennen. Für die Weiterleitung von wirtschaftlichen Informationen seitens der Bundesbehörde ins Ausland scheint das vorgeschlagene System das Recht auf die Sperrung der Bekanntgabe von Personendaten und Rechtsschutz nicht vorzusehen.
Banken werden hierdurch zum Spielball der Politik. Das geht soweit, dass einzelne Finanzinstitute aktuell allgemeine Geschäftsbedingungen eingeführt haben, in denen Privatkunden „ihre Bank explizit ermächtigen, jegliche erlangte Informationen an alle Steuerbehörden und ohne vorherige oder nachträgliche Benachrichtigung des Kunden weiterzugeben“. Dabei soll „der Kunde beziehungsweise wirtschaftlich Berechtigte auf jegliche Rechte aus dem Schweizerischen Bankgeheimnis, dem Datenschutzgesetz und sonstigen Rechte auf Konfidenzialität verzichten“; dies, obwohl viele Kunden aus entfernten Ländern ihr Vermögen gerade auch aufgrund des zuverlässig funktionierenden Rechtsschutzes in die Schweiz bringen.
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Das Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) teilt im Hinblick auf den automatischen Informationsaustausch die Weltkarte in Partnerstaaten und sonstige Staaten ein. Die EU-Staaten, USA und Australien sind Partnerstaaten, mit welchen die Schweiz bereits Abkommen zur Durchführung des AIA abgeschlossen hat. Zudem wird die Schweiz mit weiteren ausgewählten Ländern Verhandlungen zum automatischen Informationsaustausch aufnehmen.
In einer ersten Phase werden Staaten in Betracht gezogen, mit denen enge wirtschaftliche und politische Beziehungen bestehen und die ihren Steuerpflichtigen, soweit angemessen, eine genügende Regularisierungsmöglichkeit bereitstellen.
Ein wichtiger Aspekt bei der Frage, ob mit einem Land der automatische Informationsaustausch vereinbart werden sollte, dürfte dabei aber auch die Qualität des rechtsstaatlichen Systems im ausländischen Staat sein. Welche Unterschiede es hier gibt, zeigen beispielsweise Untersuchungen von Transparency International, welche die Bestechlichkeit von Amtsträgern misst.
Meines Erachtens sollte das Eidgenössische Finanzdepartment seine AIA-Strategie überdenken. Der Rechtsschutz sollte aufgewertet werden, das schwache Datenschutzgesetz ist nicht das richtige Niveau beziehungsweise der Massstab an dem wir uns in diesem essentiellen Bereich messen sollten. Weiter bedarf es angesichts der Unterschiede im Bereich der Rechtsstaatlichkeit erheblicher Zurückhaltung bei der Qualifikation als „Partnerstaat“ und einer Vereinbarung von Automatischem Informationsaustausch.
Dies nicht nur um der Magna Charta Libertatum aus dem Jahre 1215 willen. Der Rechtsschutz im AIA-Gesetz wie auch prozessual beim Aufbau des AIA-Partnernetzwerkes muss noch massiv ausbaut werden, um seinem angestammten Platz als Qualitätsmerkmal des Finanzplatzes Schweiz wieder zu entsprechen.
Leicht verständlicher und doch tief gehender Artikel zum Thema Rechtsschutz. Einfach genug geschrieben, sodass selbst ich ihn verstehen kann. Hat sich wirklich angenehm gelesen, danke!
Weshalb sollte der Settlor/Stifter in den Genuss eines besonderen Rechtsschutzes kommen, nur weil er die wirtschaftliche Berechtigung an den Vermögenswerten des Trusts/der Stiftung aufgegeben hat? Die Sorgfaltfaltspflichten unserer Banken (VSB) verlangen ja auch, dass der Name gegenüber der Bank bekannt gemacht wird (Formular T bzw. S). Das ist Bestandteil unseres Geldwäscherei- Abwehrdispositivs und kein Problem, wenn das Vermögen auf legale Art und Weise entstanden ist.
Bitte erlauben Sie mir anzumerken, dass mit den USA kein AIA-Abkommen geschlossen wurde und auch keins geschlossen wird, denn FATCA wird von der OECD als „gleichwertig zu AIA“ angesehen und somit nehmen die USA nicht am AIA teil!