Franz Steinegger ist das freisinnige Urgestein der Schweiz. Brennts im bürgerlichen Lager, eilt Katastrophen-Franz herbei.
Sogar bei der „Alten Tante“. Die NZZ geriet mit ihrem erst vor Jahresfrist gewählten Präsidenten Konrad Hummler in gefährliches US-Steuerkriegsgelände. Im Februar zogen Zeitung und Banker die Notbremse.
Hummlers Bitte, das „Amt des Präsidiums ad interim in andere Hände zu legen“ sei der VR der NZZ „nachgekommen“, schrieb die Zeitung am 9. Februar in eigener Sache. Man habe „seinen Doyen Franz Steinegger beauftragt, den Vorsitz bis auf weiteres zu führen“.
Hummler stellte sich hin und wandte sich direkt an die rund 1’800 stimmberechtigten NZZ-Eigentümer.
Unter dem Titel „Sistierung Präsidialamt“ versuchte der bekannteste Privatbankier der Schweiz, der zuvor unter US-Druck sein Wegelin-Kerngeschäft an die Raiffeisen-Gruppe verkauft hatte, seinen Schritt als Formalie darzustellen.
„Ich danke Franz Steinegger für seine Bereitschaft, dieses anspruchsvolle Amt ad interim zu übernehmen“, erweckte der St.Galler den Anschein, dass er die Aufgabe lediglich vorübergehend und freiwillig ruhen lassen würde.
Dann machte der Wegelin-Chef klar, dass sich weder am Kurs, den das Medienhaus unter seiner Führung eingeschlagen habe, noch an seiner persönlichen Zukunft als NZZ-Bannerträger Grundsätzliches ändern würde.
„(Steinegger) wird die gegenwärtige Strategie fortsetzen und das Amt solange übernehmen, bis sich die rechtlichen Angelegenheiten im Fall Wegelin geklärt haben“, schrieb Hummler. „Meine Position als Verwaltungsrat, für die ich von der Generalversammlung 2011 für vier Jahre gewählt worden bin, bleibt von diesem Entscheid unberührt.“
Die Betonung lag auf „ad interim“. Damit erweckten Hummler und die NZZ den Anschein, dass es sich lediglich um eine vorübergehende Delegation der Präsdienten-Aufgabe handle, Hummler in Tat und Wahrheit aber weiterhin der starke Mann im Gremium bleiben würde.
Heute präsentiert sich der scheinbar temporäre Führungswechsel eher wie in Stein gemeisselt. Jedenfalls legen dies formelle Änderungen im Handelsregister nahe.
Das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) meldete am 11. Juni, dass Hummler neu VR-Mitglied und nicht mehr VR-Präsident ist. Seine Zeichnungsberechtigung wurde gestrichen.
Gleichzeitig wurde Franz Steinegger als neuer Präsident vermeldet.
2 Wochen später publizierte das SHAB die nächste Änderung im NZZ-Spitzengremium. Nun wurde Steinegger vom nicht unterschriftsberechtigten Präsidenten zu einem mit Kollektivunterschrift.
Mit der gleichen Mitteilung von Ende Juni wurde auch FDP-Spitzenfrau Karin Keller-Sutter als neue NZZ-Verwaltungsrätin offiziell registriert.
War die NZZ rechtlich verpflichtet, einen „ad interim“-Präsidentenwechsel formell im HR zu vermelden? Dann müsste die Mutation ebenso formell wieder rückgängig gemacht werden, sollten sich Hummler und seine Wegelin-Bank mit den USA einigen.
Vielleicht geht es aber doch um mehr. Der FDP-Filz mit Steinegger und Keller-Sutter ganz oben könnte das Steuer definitiv an sich gerissen haben.
Dann wäre Hummler, der für die Freisinn-Elite des Landes stets ein unberechenbarer Aussenseiter und Querschläger geblieben war, für immer an die Seitenlinie bugsiert worden.
In Zürcher Finanzkreisen kursieren erste Namen für einen Neuanfang an der Spitze der NZZ. Offenbar ist seit einigen Wochen ein Seilziehen im Gang, wer die Zügel in die Hand nehmen soll. Hummler könnte in diesem Szenario auch als einfaches VR-Mitglied ausscheiden.
Möglicherweise rächt sich, dass Hummler immer eigene Wege gegangen ist und sich nicht scheute, die Macht im Staat zu brüskieren.
Sein jetzt vollzogener formeller Abgang als NZZ-Präsident wirkt vor dem Hintergrund der bisherigen Besänftigungen fragwürdig.
Tatsache ist, dass die Eigentümer einer Aktiengesellschaft ihre Vertreter für das Aufsichtsgremium wählen. Sie wissen zwar in der Regel, wer später das Präsidium übernehmen soll. Formell beschliessen können dies die Aktionäre aber nicht.
Das ist Sache des VRs. Der konstituiert sich selbst und entscheidet entsprechend darüber, wer die Sitzungen leitet und als oberste Stimme gegen aussen spricht.
Gemäss dem offiziellen Wortlaut vom Februar, bei dem noch von „Sistierung“, „ad interim“ und „bis auf weiteres“ die Rede war, rechnete niemand mit einem Vollzug des Führungswechsels inklusive Anpassung im Handelsregister.
Ein Hummler-Abgang via Hintertür wäre ein Indiz dafür, dass die honorigen Steinegger und übrigen freisinnigen Kader vorauseilend dem Druck aus Amerika – und aus dem inländischen FDP-Establishment – nachgegeben hätten.
Kommentare
Kommentieren
Die beliebtesten Kommentare
-
Das Verhalten passt perfekt zur FDP – Ihre Mitglieder zu verraten, wenn Sie einmal in eine Schieflage geraten. FDP muss sich nicht wundern, wenn Ihre Wähler zur SVP abwandern.
-
Zur SVP? Zur Partei mit diversen, sagen wir mal, Mitgliedern welche dem extrem Rechten Gesinnungsgut nahe stehen? Die SVP ist wohl viels aber nicht lieberal und freiheitlich.
-
-
Man dreht in den Wind, wie immer.
Es scheint fast sicher, dass das „freisinnige“ Establishment, einmal mehr sich von seinen eigenen Grundätzen löst, wenn es populärer ist, sich davon abzuwenden.
Wenn einer für Werte wie z.B. Standhaftigkeit, Rechtsgefühl, Selbstachtung auch dann eintritt, wenn er damit in Minderheit zu geraten riskiert, dann kann er nie auf die Unterstützung der „bürgerlichen“ Parteien zählen, obgleich sie diese Werte mit Inbrunst auf ihre Fahnen schreiben.
Es ist diese gegen die eigenen Grundsätze verstossende Haltung – nicht ein „zu wenig gut Erklären“ – was FDP und CVP Stimmen kostet. -
Warum erfährt man solches nicht in unserem staatstragenden Blatt? Danke für diesen wichtigen und gut recherchierten Artikel!
Warum erfährt man solches nicht in unserem staatstragenden Blatt? Danke für diesen wichtigen und gut recherchierten Artikel!
Man dreht in den Wind, wie immer. Es scheint fast sicher, dass das "freisinnige" Establishment, einmal mehr sich von seinen…
Das Verhalten passt perfekt zur FDP - Ihre Mitglieder zu verraten, wenn Sie einmal in eine Schieflage geraten. FDP muss…