Der Skandal um manipulierte Libor-Zinssätze dürfte nächste Woche in der Schweiz explodieren. Angelsächsische Medien prophezeien eine Rekordbusse von 1 Milliarde Dollar für die UBS.
Aus UBS-Kreisen ist zu hören, dass Libor „ganz, ganz, ganz“ schlimm werde. Die hohen Bussen im US-Steuerkrieg und im Londoner Derivate-Crash würden daneben verblassen.
Gefordert wäre der oberste Banken-Aufseher Mark Branson. Branson muss den systemrelevanten UBS und CS auf die Finger schauen.
Doch Branson hängt selbst mitten in der Libor-Geschichte.
Das hat mit der Karriere des 44-jährigen Briten zu tun. Der war bis zu seinem Wechsel ins Spitzenamt nach Bern Anfang 2010 ein hoher Manager der UBS.
Problematisch ist Bransons Zeit in Japan. Von 2006 bis 2008 leitete der eloquente Zahlenmensch die Tochter UBS Securities Japan.
Gemäss der kanadischen Wettbewerbsbehörde, die im Libor-Skandal an vorderster Front ermittelt, manipulierte eine „kooperierende Bank“ den Yen Libor.
Gemeint sei die UBS, meldete gestern die Nachrichtenagentur Reuters.
Die Vorwürfe wiegen schwer.
Der Vorwurf an die UBS lautet „failure to detect this conduct“, also Kontrollversagen.
Die Bank kriegte 2012 Auflagen verpasst und wurde eine Woche lang vom japanischen Derivategeschäft ausgeschlossen.
Wie beim Adoboli-Derivate-Crash von 2011 rückt auch im Libor-Skandal das Interne Kontrollsystem (IKS) der UBS ins Schlaglicht.
Dieses hätte sicherstellen müssen, dass die Bank und ihre Händler nicht systematisch den Wert des Geldes manipulieren.
Beim Libor geht es um den wichtigsten Zinssatz der Welt. An ihm hängen Kredite und andere Zinsprodukte über 350 Billionen Dollar.
Die Zahl hat 15 Stellen. Sie entspricht der Wirtschaftsleistung der heutigen Schweiz von heute bis ins Jahr 9012.
Finma-Chef Branson kehrte 2008 aus Fernost in die Schweizer UBS-Zentrale zurück. Dort wurde er Finanzchef der Vermögensverwaltung.
Als Herr der Zahlen der wichtigsten UBS-Division war er auch oberster Aufpasser über Schweizer Hypotheken. Die UBS „Swiss Bank“ gehörte zu Bransons Reich.
Libor ist unter anderem der wichtigste Satz für das Schweizer Hypothekengeschäft. Ändert der Libor-Satz, dann ändern sich Milliarden von inländischen Hypothekarzinsen.
Als oberster Schweizer Finanzchef musste es Branson ein Anliegen sein, dass die Libor-Zahlen seiner Bank stimmen. Er hatte ein direktes Interesse, dass dort alles rechtens zu- und hergeht.
Nun ist klar, dass bei der UBS rund um Libor fast nichts rechtens war. Die erwartete Milliardenbusse übersteigt jene der Briten-Bank Barclays um das Doppelte.
Bei Barclays rollten nach einem Deal diesen Sommer die Köpfe. Die obersten Chefs mussten von Bord, die Bank stellte das langweilige Inlandgeschäft ins Zentrum.
Bei der UBS mussten bisher nur Manager im Handel und an der Basis gehen. Die obersten Chefs für das Interne Kontrollsystem haben überlebt. Zum Teil wurden sie sogar befördert.
Banken-Aufseher Mark Branson müsste aus der Schweiz heraus eine effektive Untersuchung machen, wer in der Chefetage der UBS für die gefälschten Libor-Zahlen verantwortlich ist.
Damit ist nicht zu rechnen. Bisher hat sich Branson als schwacher Aufarbeiter des Libor-Skandals entpuppt. Die Untersuchungen werden durch ausländische Behörden vorangetrieben.
Obwohl es sich um den wohl schlimmsten Skandal der grossen Bankenkrise handelt, schliessen sich die Schweizer Reihen. Selbst die sonst kritische Nationalbank scheint kein Interesse an einer rigorosen Aufarbeitung zu haben.
Gestern sagte das zuständige Direktoriumsmitglied, es seien bisher keine „geldpolitisch relevante Verzerrungen beim Schweizerfranken-Libor“ festgestellt worden.
Von einer vertieften SNB-Untersuchung ist nichts bekannt. Die Notenbank hätte ein grosses Eigeninteresse, den Fragen auf den Grund zu gehen. Der Notenbank werden jeden Tag von den grossen Schweizer Banken die Libor-Sätze gemeldet.
Während die SNB bei der Subprime-Krise der UBS den Tarif erklärte, stellt sie sich im Libor-Skandal offenbar schützend vor die Grossbank.
SNB, Finma-Chef Mark Branson und die Schweiz könnten sich sagen, dass die Lage zu gefährlich ist. Sie wollen wohl deshalb kein zusätzliches Öl ins Feuer giessen.
Auf die offiziellen Strafuntersuchungen dürften Sammelklagen in den USA und anderswo folgen. Diese könnten die UBS weitere Milliardensummen kosten.
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Die Scheinheiligkeit findet dort ihren Höhepunkt, wo z.B. CH-Parlamentarier,die selbst im Zusammenhang mit millionenschweren Insiderdeals in den Medien genannt wurden, im Parlament den Insiderartikel vertreten und dabei den nichts ahnenden Mittelstand als „Wahl- und Abstimmungsfutter“ benutzen.
Und: um vor dem eigenen Vorgehen abzulenken andere des Insiderhandels bezichtigen und nicht davor zurückschrecken, dabei das von ihnen als Tabu gehegte Bankgeheimnis zu verletzen. Frei nach der Devise: Angriff ist die beste Verteidigung. -
Die Schweiz hat leider ein mafiöses System, das von den Banken gesteuert und von der Finma, der Justiz und der Politik gedeckt wird, siehe banken-arroganz.ch oder too-criminal-to-fail.ch
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Ein Finma-Insider sagt nachdem er auf die Geschichte angesprochen wurde: „Ich mag das gar nicht mehr ansehen“.
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Jetzt kommt es noch darauf an, warum. Ich gehe mal davon aus, dass er das nicht mehr mitansehen kann, weil es wahr ist.
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Haben Sie mir seine Adresse? Ein paar Insidernews wären spannend…
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Wann kommt die nächste Busse nach der LIBOR?
Balam
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Es wäre natürlich skandalös, wenn das wirklich Substanz dahinter wäre, aber ich sehe nicht den geringsten Indiz, geschweige denn eine smoking gun betr. Branson, obwohl das natürlich unschön ist.
Anderseits einmal mehr der Beweis
Banker = Bankster
leider heutzutage zutreffend für eine überwiegende Mehrheit der höheren Führungsebene dieser gierigen Blutsaugkonzerne -
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Es hat meines Wissens Niemand behauptet, dass Branson direkt in den Skandal verwickelt hat.
Aber er war eben direkter Vorgesetzter. Gruebel hatte wenigstens die Grösse zurückzutreten nach ähnlichem Skandal.
Zweitens wollte er bzw die Finma nicht einmal in Ausstand treten, dabei geht es nicht nur um seine alte Firma sondern sogar um seine Einheit.
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Es ist unglaublich, worüber wir uns unterhalten. Es kann und darf nicht sein, dass ein leitender Finmamitarbeiter seine alten Themen in dieser heiklen Situation behandelt – Punkt.
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@Trepp: Zur Ehrenrettung. Im Tagi erschien online ein Artikel zum Thema, die NZZ aber hüllte sich bishr online in Schweigen.
Auch in der Tagessschau/10vor10 wurde das Thema nur am Rande behandelt.Vielleicht wartet man bis die Busse endgültig ausgesprochen ist?
Es ist ein Armutszeugnis, dass die Schweizer Behörden noch keine Sanktionen ergriffen haben. Wer entscheidet überhaupt? WEKO oder Finma?
Die WEKO ist vielleicht unabhängiger (man kann noch hoffen) und nicht voller Ex-Grossbank-Leute.
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Hoppla, trotz mildernder Umstände (infolge Kooperation) eine Busse von 1 Mrd. Dollar?! Das Verschulden muss erheblich sein…
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Sandra, die UBS ist schon bei USD 1,6 Mia! Sie können aber nichts dafür oder dagegen, ist einfach so passiert und es muss auch niemand (ausser normalen Angestellten) gehen…
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Bravo!
Der hiesige Mainstream-Wirtschaftsjournalismus hat wieder einmal versagt.
Die explosive Story war bereits gestern im WSJ, NYT, FT etc,, doch hierzulande muss man heute Inside Paradeplatz lesen, um informiert zu sein.
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Mit Interesse habe ich folgende Passage gelesen:
„350 Billionen Dollar. Die Zahl hat 15 Stellen. Sie entspricht der Wirtschaftsleistung der heutigen Schweiz von heute bis ins Jahr 9012.“
Eine mutige Aussage. Wie einer mal formuliert hat: „Prognosen sind schwierig. Vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dennoch wage ich hier jetzt auch eine Prognose: Von denen, die dies lesen, wird wohl im Jahr 9012 keiner mehr da sein, um die Korrektheit dieser Vorhersage zu überpüfen …
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Wer kassiert? Derjenige, der klagt. Die Schweiz ist halt klagefaul. Wer will schon dem Platzhirschen ans Bein pinkeln?
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Ich habe über die Hälfte meines beruflichen Lebens in der SBG und UBS verbracht. In der SBG lebten wir als „Unternehmer“ nach der Maxime, dass kein Geschäft so gut sei, dass es sich lohnt, dafür die Reputation des Unternehmens auch nur anzukratzen, geschweige denn zu gefährden. Nach der Fusion ging die Bank zu einer extrinsischen Motivationskultur gepaart mit einer inflationierenden Kontrollmanie über. Und nun stelle ich seit geraumer Zeit fest, dass bei meinem ehemaligen Arbeitgeber über weite Strecken Kriminelle das Zepter geführt haben. Das ist hart und tut weh!
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Man muss doch nicht so pessimistisch sein: das betrifft übrigens die ganze Branche Weltweit. Es ist fast wie in Italien, wenn alle Schuldig sind, es ist niemanden mehr Schuld!
Das Kollateralschaden es ist mir noch nicht ganz klar. Wait and see…
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Die UBS schädigte – falls sie den Libor manipultierte – zum einen die Hypothekargläubiger in der Schweiz und über Finanzprodukte Investoren in diese Produkte. Und an wen muss die UBS nun die Busse für die Schädigung der schweizer Hypothekargläubiger zahlen? In die USA!
Das wäre das gleiche, wenn ich auf der Autobahn Zürich-Bern zu schnell fahre und von den USA einen Bussenbescheid erhalte. Einfach nur noch lächerlich-
Wobei sich natürlich in zwei Richtungen manipulieren lässt. Wenn die Betrüger zG eines wichtigen Kunden einen tiefen Satz konstruieren, können davon auch kleine Fische profitieren. Aber eine Grundfrage ist schon, wer die Bussen/Strafen/Vergleichszahlungen einkassiert.
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„falls sie den Libor manipultierte“ ?? Wer 1 Mia. offiziell kassiert, der wurde zweifelsfrei überführt.
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wieso in die USA?
LIBOR – respektive London – ist doch immer noch UK und nicht US?
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Die UBS schädigte - falls sie den Libor manipultierte - zum einen die Hypothekargläubiger in der Schweiz und über Finanzprodukte…
Wobei sich natürlich in zwei Richtungen manipulieren lässt. Wenn die Betrüger zG eines wichtigen Kunden einen tiefen Satz konstruieren, können…
Ich habe über die Hälfte meines beruflichen Lebens in der SBG und UBS verbracht. In der SBG lebten wir als…