Ich empfehle allen von der Lex USA betroffenen Personen, die keine vollständige und schriftliche Auskunft oder eine fehlerbehaftete Auskunft über die zu liefernden Daten und den genauen Zweck der Datenlieferung bekommen oder die eine Strafuntersuchung in Amerika sowie gar eine internationale Fahndung befürchten müssen, umgehend mit einem Anwalt gegenüber der Bank eine gerichtliche Sperre der Datenlieferung zu verlangen.
Das Schlimme ist nämlich, dass der Gesetzentwurf im Steuerstreit mit Amerika den Bankmitarbeitern, Anwälten, Treuhändern und Vermögensverwaltern im Grunde keinen echten Schutz gewährt. Wohl werden die Banken verpflichtet, dass sie die Mitarbeitenden und Dritte vorgängig informieren, welche Daten den USA ausgehändigt werden sollen. Aber es steht nirgends, dass die Auskunft vollständig und schriftlich sein muss, wie es dies Schweizer Datenschutzrecht und das Bundesgericht klar festgelegt haben.
Das Gesetz sagt auch nicht, dass die betroffenen Personen falsche Daten löschen oder berichtigen lassen können. Vor allem geht das Gesetz davon aus, dass die Interessen einer Bank an der Verminderung der Risiken von Prozessen in den USA höherrangig sind gegenüber dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen in den USA, wo es bekanntlich keinen Datenschutz in diesem Bereich gibt.
Doch das sind gar nicht die wirklich zentralen Probleme für die betroffenen Personen. Wenn diesen droht, dass ihre Daten in Strafverfahren einmünden, müssen sie elementare menschenrechtliche Garantien haben, die weit vor der bloss datenschutzrechtlichen Güterabwägung kommen. Eine von Strafverfahren bedrohte Person hat vor allem das Grund- und Menschenrecht, sich nicht selber beschuldigen zu müssen. Dazu hat sie das Recht, jede Herausgabe der Daten zu verweigern. Zudem muss sie alle Informationen über die Verwendung der Daten in allfälligen Strafverfahren bekommen, um sich verteidigen zu können.
Die Verteidigungsrechte von verdächtigten oder beschuldigten Personen müssen doch in einem transnationalen Strafverfahren von den USA aus genau dieselben sein, wie wenn gegen diese Personen gerichtspolizeilich und staatsanwaltlich in der Schweiz ermittelt würde.
Dazu ist die Schweiz schon nach der EMRK (Menschenrecht) verpflichtet, weil die Bürger in diesem Land auch in allen seinen Aussenbeziehungen zu schützen sind. Das ist in den rechtmässigen Verfahren der Steueramtshilfe oder Strafrechtshilfe selbstverständlich – ebenso wie zum Beispiel, dass ein Steuerschuldner gegen die Datenlieferung ins Ausland Beschwerde erheben kann bis ans Bundesgericht.
Doch jetzt, wo diese behördlichen Aufgaben durch die privaten Bankunternehmen direkt erledigt werden sollen, sollen die Menschenrechtsgarantien und der Rechtsschutz bis ans Bundesgericht offenbar für Bankmitarbeiter oder andere Betroffene in der Schweiz nicht gelten?
Damit sind wir beim Kernproblem. Die jetzt im Parlament heftig diskutierte Lex USA befreit die Banken vom Vorwurf, sie würden unter Verletzung von Art. 271 Strafgesetzbuch verboten für einen fremden Staat hoheitlich handeln. Zudem sollen die Bankmitarbeiterinnen und Bankmitarbeiter und begrenzt auch aussenstehende Dritte einen gewissen Datenschutz erhalten.
Bei allen Datenlieferungen in die USA ist zentral, dass die US-Steuerbehörde IRS zusammen mit dem US-Justizdepartment Strafverfahren einleiten wollen, um Steuerstrafen durch massive Bussen sowie gemeinrechtliche Kriminalstrafen bis zu Gefängnis fällen zu können, etwa wegen „Conspiracy“ und Beihilfe von Bankmitarbeitern oder Anwälten zu verschiedenen Delikten.
Der Gesetzesentwurf der Regierung schafft ein Sonderregime, in dem personenbezogene Bankinformationen ausserhalb der beiden geltenden Staatsverträge mit den USA (Steueramtshilfe, Strafrechtshilfe) und ausserhalb der Garantien der Schweiz (Bundesgesetz über Steueramtshilfe, Bundesgesetz über Strafrechtshilfe) privat durch Banken geliefert werden können.
Anders gesagt: Das Problem der USA ist, dass sie – jedenfalls bis heute – legal nur Daten über Steuerbetrug nach Art. 26 des Doppelbesteuerungsabkommens von 1996 bekommen können. Sie haben sich selbst den Weg legaler Beschaffung von Daten über Fälle von blosser Steuerhinterziehung und durch pauschale Gruppenanfragen versperrt, weil der Senat das Protokoll von 2009 zur Änderung des DBA-USA 1996 noch nicht ratifiziert hat.
Nach geltendem Recht können somit kriminelle US-Steuerpflichtige nur im beschränkten Rahmen nach dem bisherigen Doppelbesteuerungsvertrag oder bei Delikten wie Geldwäscherei nach dem Rechtshilfestaatsvertrag erfasst werden. An die nötigen Informationen („Leaver“-Listen und anderes) und an Geld kommen die USA somit (vorläufig) nur aussergesetzlich – mit Druck auf die Banken und die an den Geschäften der Steuerschuldner beteiligten Personen.
Grundsätzlich stimmen die Ausführungen sicher, bis auf einen Punkt. Prof. Schweizer geht davon aus, dass die Beteiligten USA und Schweiz sich an die Gesetze halten, was sie aber nicht tun werden. Die Enthüllungen der letzten Tage haben gezeigt, dass die USA nur zwei Arten von Rechtsunterworfenen kennen, US-Bürger und Andere. Erstere haben einen limitierten Rechtsschutz, letztere gar keinen, d.h. der US-Staat kann gegen sie Vorgehen, wie es ihm passt, ohne Kontrolle.
Wird davon ausgegangen, dass auch der schweizerische Banken-E-Mail und sonstige Internetverkehr über amerikanische Stationen verläuft, dass der Clearing-Verkehr schon seit Jahren überwacht wird, dann haben die US Behörden doch schon alle Informationen, die sie brauchen. Also weshalb das „Notgesetz US“ in der Schweiz?
Es gibt m.E. nur eine vernünftige Erklärung, dass nämlich auf diese Weise die amerikanischen Behörden bereits vorhandene Daten „weisswaschen“, kontrollieren und in Prozessen verwenden wollen. Denn es ist das eine, „schwarz“ erhaltene Daten (auch) in einem (amerikanischen) Prozess zu verwenden, oder dann aber die vom Opfer selbst nachgelieferten.
Einmal mehr lassen sich die Beteiligten einfach über den Tisch ziehen, anstatt gemeinsam eine für den Arbeits- und Finanzplatz wirksame Strategie zu entwickeln und durchzusetzen. Aber eben, jeder und jede (Banken, Partien, Wirtschaftsverbände, Bundesrat) kocht sein eigenes Süppchen, die am Schluss gemäss dem wahren Sprichwort, dass zu viele Köche den Brei verderben, versalzen sein wird. Die Rechnung bezahlen auf jeden Fall wir alle.
Abschlussfrage: Wo bleibt da die hochgelobte FINMA, die doch alles besser weiss, überwacht und macht?
Auch wenn viele es nicht gerne hören: Die USA sind ein Staat, der mit Todesstrafe und ähnlichen Dingen nichr einmal im Geringsten die Anforderungen an einen Rechtsstaat nach Europäischer Norm erfüllen… Schon traurig. Nur gut, dass wir kein Öl haben, sonst würde Obama noch Wapons of Mass Destruction bei uns vermuten und uns a la Irak ‚befreien’…