Der Derivate-Crash von London fordert das erste Top-Opfer. Chef-Risiko-Frau Maureen Miskovic ist weg. Sie war nur gerade 11 Monate im Amt.
Das ist Sergio Ermottis Geschoss. Der neue Spitzenmann der Grossbank macht Miskovic verantwortlich für das 2-Milliarden-Debakel vom September. Seither ist die Bank in einer Führungs- und Vertrauenskrise.
Der 51-jährige Ermotti setzt mit seinem ersten wichtigen Personalentscheid ein Zeichen. Wer zuoberst verantwortlich ist und gut bezahlt wird, wird im Krisenfall zur Rechenschaft gezogen.
Damit signalisiert der Tessiner, dass er rasch aufräumt. Doch die Absetzung ist der einfache Teil eines zweistufigen Prozesses. Schwierig wirds beim zweiten: Wer übernimmt?
Hier ist Ermottis Entscheid fragwürdig. Der neue UBS-Boss zaubert mit Phil Lofts einen alten Risiko-Spezi aus dem Hut, der in der Vergangenheit versagt hat.
Lofts, 49, aus England, gehört nach über 20 Jahren UBS zum „Inner Circle“ der Grossbank. Er arbeitete sich in der Investmentbank hoch und war ab Mitte der 2000er Jahre oberster Kreditchef der Gruppe und damit Nachfolger des bekannten Schweizers Marco Suter.
Ende 2008 wurde Lofts Risikochef des Konzerns, vor Jahresfrist übergab er an Miskovic und zog sich auf den Posten CEO Americas ohne direkte Führungsverantwortung zurück.
Nun kehrt Lofts an seine alte Wirkungsstätte zurück, die er bestens kennt. Sein UBS-Netzwerk besteht aus Leuten der Risikokontrolle, die die Bank in zentralen Fragen viel stärker steuern als die Konzernleitung.
Lofts ist ein „Buddy“ von Walter Stürzinger, dem langjährigen obersten Risikochef der UBS, der 2007 im Zuge des Subprime-Debakels in den Hintergrund treten musste. Als Einziger der alten Garde um UBS-Grossmeister Marcel Ospel überlebte Stürzinger die Jahrhundertkrise.
Der Filz um Stürzinger und Lofts ist problematisch für die Bank. Zusammen mit weiteren hohen Risikoköpfen stehen die Zwei für ein geheimes Machtzentrum. Dieses schützt die Dazugehörigen und sorgt dafür, dass Aussenstehende im Krisenfall abgesägt werden.
Das funktioniert offenbar bis heute, sonst hätte der frisch gewählte Ermotti kaum Lofts aus der Versenkung geholt. Die beiden kennen sich nicht gut. Es ist naheliegend, dass ein Mitglied des innersten Zirkels Lofts empfohlen hat. Wahrscheinlich Stürzinger.
Seilschaften gehören zu Grossbanken wie Bürokratie zum Staatsapparat. Das Problem mit Lofts reicht aber tiefer: Der Brite hätte die Subprime-Krise verhindern können. Das ist mehr als ein Tolggen im Reinheft. Es ist ein grosser, schwarzer Fleck.
Im Sommer 2002 warnten Zürcher Spitzen-Risikoleute der UBS vor einem gigantischen US-Hypotheken-Berg. Dieser wachse unkontrolliert von der Zentrale, und das Verlustpotenzial sei nicht richtig abschätzbar, weil die New Yorker Händler, die das Geschäft mit diesen undurchsichtigen Papieren leiteten, keinen wahren Einblick gewähren würden.
Ein 3-Seiten-Memo wurde verfasst und an Risiko-Chef Stürzinger, Kredit-Chef Suter und weitere verschickt, darunter auch Phil Lofts. Lofts war damals oberster Kreditrisiko-Chef der Investmentbank mit Sitz in New York.
Zusammen mit allen anderen, die von den Zürcher Spezialisten gewarnt worden waren, legte Lofts danach seine Hände in den Schoss. Weder er noch die übrigen hochkarätigen UBS-Risikochefs gingen der Gefahr tatsächlich auf den Grund.
Als das Problem 2007 und 2008 die UBS fast versenkte, ging der Stern von Lofts erst richtig auf. Ausgerechnet der Mann, der beim Auftürmen der Subprime-Risiken in New York vor Ort war und begreifen musste, dass es sich dabei im Kern um Kreditrisiken und nicht, wie irrigerweise angenommen, um täglich berechenbare Marktrisiken handelte, wurde zum obersten Risikochef des Finanzkonzerns befördert. Damit war er an der Spitze angekommen.
Interessant ist, dass Lofts unter Grübel an den Rand des UBS-Imperiums geschoben wurde. Ob der Grund Lofts Anteil an der existenziellen Krise der Bank gewesen war, ist nicht bekannt. Jedenfalls gehörte Lofts ab Ende 2010 nicht mehr zum Machtzentrum.
Hohe UBS-Manager machen in Gesprächen hinter vorgehaltener Hand Werbung für Lofts und dessen Comeback unter Ermotti. Die Regulatoren hätten signalisiert, dass sie noch so froh seien, wenn ein Kaliber wie Lofts das Risikosteuer bei der Grossbank in die Hände nehmen würde.
„Lofts gilt bei den Aufsichtsbehörden als einer der besten Risikochefs der globalen Finanzindustrie“, sagt ein UBS-Insider. Es sei wohl ein personeller Fehlentscheid von Grübel gewesen, einen solchen Fachmann auf ein Nebengleis zu schieben.
Kommentare