Kweku Adoboli hat die Welt des Casino-Bankings verändert. Im Annus horribilis 2011 macht ihn das zum Banker des Jahres.
Der 31-jährige Diplomatensohn aus Ghana in West-Afrika war ein unbeschriebenes Blatt. Bis zum 15. September 2011; da musste die UBS aus heiterem Himmel 2 Milliarden Franken Handelsverluste wegen nicht bewilligten Deals durch ihren Londoner Trader publizieren.
Adoboli landete am gleichen Tag im Kerker, UBS-CEO Oswald Grübel nahm eine Woche später den Hut.
Danke UBS, titelte der bekannte Financial-Times-Kolumnist Martin Wolf. Und Grübel schrieb in seinem Abschiedsmail ans Personal in dunkler Vorahnung: „This incident has worldwide repercussions, including political ones.“
Sein Instinkt täuschte Grübel einmal mehr nicht. Die Folgen sind schon da. Die Berner Bankenaufsicht Finma hat vor kurzem in einem bemerkenswerten 8-seitigen Papier die Händler aller Schweizer Investmentbanken zu Risiko-Eunuchen gemacht.
Für die Messung der Leistung und somit den Bonus müssen die Investmentbanken neu „Indikatoren für Kontrolltätigkeiten sowie deren Qualität“ berücksichtigen, und bei der Festlegung der Ziele brauche es „eine Balance zwischen Profitabilität und eingegangenen Risiken“.
Die Banken müssen ihren Bonus-Gutzi-Typen einen Risiko-Chip ins Hirn einpflanzen. Der muss sicherstellen, dass sich jeder Trader vor jedem Deal fragt: Lohnt sich der Einsatz, oder laufe ich Gefahr, selbst an die Kasse zu kommen?
„Das verändert alles“, sagt ein Ex-UBS-Risikomanager im Gespräch. „Die externen Revisoren müssen prüfen, ob Banken vorsichtig werden. Der Kulturwandel wird zur Pflicht.“
Bisher war die Enthaltsamkeit nach jedem Crash von kurzer Dauer. Im Zweifelsfall Augen zu und durch – am Mantra der Investmentbanken änderten Milliardenverluste nichts.
Allen voran bei der UBS. 1997 mit „Global Equitity Derivatives“ (GED) verspielte die Bank in London rund 1 Milliarde, 1998 mit dem Hedgefund Long-Term Capital Management (LTCM) nochmals rund 1 Milliarde, ab 2007 im Subprimedebakel waren es über 50 Milliarden, und schliesslich die 2 Milliarden von Kweku Adoboli. Hinzu kommen kleinere und weniger bekannte Abstürze.
Nun aber ziehen die Staaten und Regulatoren weltweit die Schraube an und machen riskantes Trading teuer. Sie wissen, dass zuletzt der Steuerzahler die Verluste tragen muss.
Die UBS könnte in diesem Prozess vorne liegen. Schon vor Jahresfrist prallten intern die Chefs der konservativen Vermögensverwaltung und der aggressiven Investmentbank aufeinander. Obwohl der Subprime-Nahtod in frischer Erinnerung war, setzten sich damals die Händler durch.
Es war ein Kampf der Kulturen. Die Seite der Herausforderer führte Andy Amschwand an, ein UBS-Schlachtross mit grossen Erfolgen und beschmutzter Weste im Subprime-Debakel. Im Herrscherlager gab Feldherr Oswald Grübel den Ton an.
An einem Offsite-Meeting der Vermögensverwaltung in Mailand präsentierte Amschwand seinen Plan für eine nachhaltig erfolgreiche UBS. Im Zentrum jeder Initiative müsse der Investment-Erfolg zugunsten des Kunden stehen, lautete Amschwands Kernbotschaft.
Das war revolutionär. Die Vermögensverwaltung hat mit einer Gebühr in Prozenten der verwalteten Assets eine Cash cow kreiert, die in guten wie in schlechten Zeiten Unsummen generierte.
Doch nach der Krise und mit der Aussicht auf viele magere Jahre ohne Rückenwind der Märkte begannen die Kunden aufzumucken. Sie zahlen ihren Banker gerne – aber nur, wenn dieser mit der Anlage der anvertrauten Gelder erfolgreich ist. Wofür sonst sollte er belohnt werden?
Amschwand hatte einen guten Namen in der Bank. Er hatte die UBS zur führenden Devisen-Plattform gemacht, indem er auf „Flow“ statt „Prop Trading“ gesetzt hatte.
Flow meint Masse, das bedingt viel Technologie und eine Zero-Tolerance-Kultur; Prop meint Proprietary, also Eigenhandel, und lebt vom agressiven Risk-Taking. Geht es gut, kassieren Händler und Bank, sonst heisst es: Bad luck.
Der Innerschweizer Amschwand wusste, dass sein Vorschlag einer neuen UBS eine Kriegserklärung für die dominanten Angelsachsen der Grossbank war. Diese lebten davon, dass die erfolgreiche Vermögensverwaltung die Kundengelder in ihren Produkten anlegte.
Das war der Gag der „One Bank“, der von der UBS-Spitze seit Jahr und Tag hochgelobten integrierten Bank. Diese hatte seit Jahren vor allem eines produziert: eine Quersubventionierung des verlustreichen Investmentbankings und Asset Managements in New York und London.
Amschwand präsentierte sein Konzept zwei Mal vor der Konzernleitung, wie ein hoher UBS-Manager im Gespräch ausführt. „Es gab gehässige Diskussionen, ob Andys Weg der richtige sei oder nicht“, sagt die Quelle.
Für die entscheidende Sitzung sei Amschwand nicht eingeladen worden, sagt der Insider. Sein wichtigster Verbündeter Ulrich Körner, die Nummer Zwei der Bank, sei abwesend gewesen.
Damit habe CEO Grübel – er soll ein erklärter Gegner des Amschwand-Plans gewesen sein – leichtes Spiel gehabt, heisst es. Der grosse Umbau wurde schubladisiert, Amschwand ging kurz darauf von Bord. Ab nächstem Frühling soll er den VR von Konkurrentin Julius Bär verstärken.
Bei der UBS kam die Umkehr erst nach dem Adoboli-Crash. Sergio Ermotti nahm das operative Steuer in die Hände und präsentierte kurz darauf die neue UBS, mit halb so viel Risiko in der Investmentbank und einem Herausschneiden verseuchter Assets.
Ermottis Umbau ist sanft. Statt als Grossbanken-Pionierin eine klare Fokussierung auf den Kunden-Nutzen zu vollziehen, versucht es der Tessiner mit Salamitaktik.
Das zeigt der Personalabbau in der Investmentbank. Ermotti geht vorsichtig vor und baut nur von 18’000 auf 16’000 Mitarbeiter ab. Das genügt kaum, eine nächste Runde zeichnet sich bereits ab.
Ermottis Investmentbank droht sich im strategischen Niemandsland zu verlieren: zu klein als echte Goldman-Sachs-Konkurrentin, zu gross als Nischenplayerin.
So hat Kweku Adoboli zwar geschafft, was Regulierer und Nationalbanker versuchten: die grossen Casino-Banken zu zähmen. Doch ausgerechnet Adobolis UBS wurde nicht zur Trendsetterin. Das könnte dereinst als DIE verpasste Chance in die UBS-Geschichte eingehen.
It’s great to find smoeone so on the ball
Da bin ich absolut einverstanden!