Philipp Hildebrand gerät in die Krise seiner Karriere. Die in der grossen Finanz- und Schuldenkrise wichtigste Institution der Schweiz, die SNB, verliert an Glaubwürdigkeit. Eine veritable Krise schleudert das Land ins neue Jahr.
Alles, weil ein paar Screenshots mit Devisen-Transaktionen des obersten Währungshüters von einem kleinen IT-Mann einer mittelgrossen Privatbank in die grosse Politik gelangen und dort zu einer Eruption mit nicht abschätzbaren Schäden führt.
Unabhängig von der rechtlichen Korrektheit der Hildebrand-Deals handelt es sich um einen gigantischen Unfall: für Hildebrand persönlich, für die SNB, für das Land.
Trotzdem zeigt der im Zentrum der Affäre stehende SNB-Chef Verständnis für seinen Angreifer. Da sei einer mit einer durchaus verständlichen Vorstellung an die falschen Parteien geraten, meinte Hildebrand gestern. Der Sarasin-Mann habe hinter den Währungs-Deals sehr wohl etwas Ungehöriges vermuten können. Er habe ja nicht wissen können, dass alles rechtens sei.
Statt den kleinen Mann geisselte Hildebrand jene Mächte, die in seinen Augen die wahren Übeltäter sind: die SVP und ihre Helfer, die ihn und die Institution SNB seit Jahren attackieren und damit „den Interessen der Schweiz“ Schaden zufügen würden.
Der Kampf Hildebrand gegen SVP, publizistisch befeuert durch die „Weltwoche“, geht weiter, der Ausgang ist offen. Geklärt werden könnte hingegen, wer den Angriff auf Hildebrand und die SNB ausgelöst hat. Wer will den obersten Währungshüter vom Sockel stossen? Wer ist der geheimnisvolle Sarasin-Mann?
Hildebrand weiss mehr, als er sagt. Das geht aus Hintergrundgesprächen in seinem Lager hervor. Der Angreifer sei weder ein Erpresser noch stelle er sonstige Forderungen. Ihm gehe es offenbar um Rache.
Rache für was? Liegt der Ursprung der Affäre tatsächlich in einem persönlichen Motiv, könnte das Hildebrands eigenartige Milde erklären. Nur nicht reizen, würde die Devise lauten.
Hildebrands Frau Kashya hingegen haute diese Woche auf den Putz. In einem TV-Auftritt zog sie erbost über ein Land her, in dem eine solche Verletzung der Privatsphäre möglich sei.
Kennt Hildebrand den IT-Supporter? Gibt es eine persönliche Geschichte zwischen den zwei? War der Sarasin-Mann vielleicht früher bei der SNB angestellt und hatte eine persönliche Rechnung mit dem erfolgsverwöhnten und smarten Notenbanker offen?
Hildebrand habe zurecht die Motiv-Frage offen gelassen, heisst es in der Zeitung. Weil es nichts zur Sache tut?
Das kann man anders sehen. Die Causa Hildebrand ist derart explodiert, dass weitere Details, die einen Schatten auf den SNB-Chef werfen könnten, zur grossen Belastungsprobe für Hildebrand selbst und damit für die Institution Nationalbank werden könnte.
Interessant ist Hildebrands Aussage, dass die Sache dem Angreifer über den Kopf gewachsen sei; ein politischer Skandal sei nie dessen Absicht gewesen.
Was dann? Worum ging es dem Sarasin-Mann wirklich, bevor seine Screenshots mit den Hildebrand-Millionendeals zu Christoph Blocher gelangten?
Ein Abriss der Hildebrand-Affäre lässt einen Angreifer vermuten, der wusste, dass er Schaden zufügen will. Aber nicht, wie.
Im November streckt der Unbekannte seine Fühler aus und landet bei einem der SVP nahestehenden Anwalt in der Ostschweiz. Darauf wird gemeinsam sondiert, wie die Bombe in den Medien gezündet werden könnte.
Blocher kommt ins Spiel. Er habe am 3. Dezember erstmals von Anwälten erfahren, dass über „mehrere Banken“ Devisen-Deals von höheren SNB-Leuten gelaufen seien, sagte Blocher gestern.
Am 5. Dezember hat Blocher nach eigener Aussage Bundespräsidentin Micheline Calmy-Rey informiert. Diese fragte Hildebrand am 15. Dezember im Beisein von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, ob sich der SNB-Präsident mit Devisen-Transaktionen in „unzulässiger Weise persönliche Vorteile“ verschafft habe, wie dies Hildebrand gestern ausführte.
Darauf und im Wissen, dass solche Gerüchte seit längerem herumschwirrten, habe er sofort eine Untersuchung durch den SNB-Bankrat initiiert, sagte Hildebrand. Bern liess sich derweil eine Second opinion durch die eigene Finanzkontrolle geben.
Am 23. Dezember hörte der Bundesrat Hildebrand an und liess ihn im Amt. Am gleichen Abend machte die SNB die Vorwürfe in einem kryptischen Communiqué publik.
Am Neujahrstag zeigte sich der Sarasin-Mann an. Vielleicht würde man durch die Strafuntersuchung gegen den Hildebrand-Angreifer bald mehr über dessen Absichten erfahren, sagt der Zürcher Freisinnige Ruedi Noser im Radio.
Bis es soweit ist, bleibt die Beziehung Hildebrand und IT-Supporter rätselhaft.
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