Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf dreht Tag für Tag an der PR-Schraube. Letzte Woche liessen ihre Meinungsmacher durchblicken, dass das Schweizer Modell einer Steuerabgeltung unter Wahrung der Kunden-Privatsphäre mitnichten gestorben sei, wie dies einige Kommentatoren bereits prophezeiten.
Ausgerechnet einer der Väter der helvetischen Sonderabgeltung widerspricht Bern. Es ist Martin Janssen, bekannter Finanzprofessor an der Universität Zürich und Inhaber einer grossen PK-Beratungsfirma.
Für Janssen ist es Zeit, die Übung abzubrechen: nicht, weil Brüssel letzte Woche den bilateralen Deals mit Deutschland und England neue Steine in den Weg gelegt hat. Diese könnte man wohl tatsächlich zur Seite schieben, wie Bern signalisiert hat.
Hingegen fiel das zentrale Element des Marktzutritts aus der Schweiz unbemerkt vom Tisch, wie neue Bestimmungen in Mifid II zeigen, der weit reichenden EU-“Kundenschutzagenda“.
„Wegen Mifid II ist der im Abkommen über die Abgeltungssteuer vorgesehene Marktzutritt nicht mehr möglich“, sagt Janssen. „Der ganze Deal verschlechtert sich deshalb aus Sicht der Schweiz erheblich.“
Es sei gerade Sinn und Zweck der Abgeltungsdeals, dass Banken ihre Kunden, die wegen der Abgeltung abwandern, über den EU-Marktzutritt zurückgewännen. „Das wird nun nicht möglich sein.“
Die Finma hält in ihren „Vertriebsregeln“ vom 24. Februar „Gegenrecht“. Will eine ausländische Bank Privatkunden in der Schweiz betreuen, „muss der ausländische Anbieter über eine Schweizer Zweigniederlassung oder Tochtergesellschaft verfügen“. Mögliche Ausnahmen hat die Schweizer Aufsicht nicht näher ausgeführt.
Ohne EU-Marktzutritt keine Abgeltung, sollte laut Professor Janssen die Berner Devise lauten. Statt dessen lasse sich die Regierung in die Defensive drängen.
„Die Verhandlungsstrategie des Bundesrates gegenüber Deutschland zeugt von Schwäche. Wenn schon nachverhandelt wird, sollte das wegen verschlechterter Bedingungen die Schweiz fordern.“ Deutschland habe keinen Grund dazu.
Die Verwässerung der Abgeltung ist tatsächlich weit fortgeschritten. Der Marktzutritt ist weg, ebenso die geplanten 26 Abgeltungsprozente für deutsche Offshore-Kunden. Und: Die Abgeltung als von Brüssel akzeptiertes Gegenmodell zum eigenen Informationsaustausch ist in weite Ferne gerückt.
„Überlebt“ hat aus Schweizer Sicht vor allem Nachteiliges. Bern wird zur Steuer-Eintreiberin für Berlin und London; die beiden Regierungen kriegen jedes Jahr Hunderte von potenziellen Steuersündern ausgehändigt, ohne diese namentlich zu kennen; die Schweiz leistet Milliarden-Garantien für den Fall, dass mehr Kunden als geplant das Weite suchen und die Abgeltungssumme unter die EU-Erwartungen sinkt.
Kein Wunder, singt selbst die regierungsfreundliche NZZ plötzlich ein Loblied auf die Liechtensteiner Lösung. Diese sieht eine günstige Amnestie bis 2015 für englische Steuersünder vor. Danach gibt alles offengelegt. Das Modell ist für England-Kunden zum Renner geworden.
Während Liechtenstein seine Lösung für die Schwargeld-Ära offensiv propagiert, lässt sich die Schweiz unter Führung von Finanzministerin Widmer-Schlumpf in die Ecke drängen und Nachverhandlungen aufzwingen.
Dabei gäbe es aus Sicht von Finanzprofessor Janssen nur eine richtige Antwort auf ständig neue Forderungen aus dem Norden: Es reicht.
„Wenn die Deutschen den Ertrag aus der Abgeltungssteuer nicht wollen, ist das deren Problem, nicht das unsrige. Der Bundesrat sollte den Deutschen laut und deutlich sagen: ‚Ihr wollt unser Geld-Angebot nicht? O.k., dann bleiben wir halt beim alten Modell mit Offenlegung auf Anfrage.'“
Was aber, wenn erneut Kundendaten von Schweizer Banken für deutsche Bundesländer geklaut werden, um damit Kundenberater und Manager in den gesetzlichen Schwitzkasten zu nehmen?
„Natürlich könnten trotz zusätzlicher Sicherheitsmassnahmen neue Datendiebstähle vorkommen“, antwortet Janssen. Dass das „schlecht für die Kunden“ und möglichst zu verhindern sei, verstehe sich von selbst.
„Für die Banken ist aber die Abgeltungssteuer nicht a priori besser als ein weiterer Datendiebstahl, weil unter der Abgeltungssteuer deutlich mehr Geld aus der Schweiz abfliessen dürfte, als wenn Daten gestohlen werden.“
Die Abgeltungsübung abzublasen, bräuchte politischen Mut, denn es wäre das Bekenntnis einer Niederlage. Widmer-Schlumpf und ihr Finanz-Unterhänder Michael Ambühl haben solche Courage bisher nicht an den Tag gelegt. Lieber propagieren die Zwei eine unausgegorene Weissgeld-Strategie.
Absolut klar erkannt. Es reicht. Es reicht auch in Bern mit der unsäglichen, hochgehypten EWS und den anderen Bluemleins und Träumern in Bern (Leuthart, Berset, Sommaruga). – Da kommt nur noch dummes Zeug ‚raus. Und Erfahrung in Verhandlungen und im Ausland – bei allen totale Fehlanzeige!!!