Joachim „Joe“ Strähle musste sich in einem Alptraum wähnen. Nichts Böses ahnend, ging der Schweizer Spitzenbanker letzten Juli zur Tür seines Hotelzimmers in den USA, nachdem jemand laut geklopft hatte.
Dort fand er einen Brief des amerikanischen Justizministeriums vor. Bis auf Weiteres habe er sich für Gespräche mit den Ermittlern im Steuerkonflikt mit der Schweiz bereit zu halten, las der verdutzte Strähle.
Seine Uhr zeigte 7 Uhr. Der Chef der Basler Privatbank Sarasin atmete tief durch. Das war der Gau.
Hätte Strähle auch nur den leisesten Verdacht gehabt, dass er ein „Target“ – ein Ziel – der US-Justiz sein könnte, dann wäre er doch nie in die USA gereist. Nun sass er in der Patsche. Was tun?
Die Drähte in die Schweiz liefen heiss; zuerst zur Sarasin, von dort zur Credit Suisse und nach Bern.
Die CS war der Grund für das Interesse der USA am hochrangigen Private-Banker aus dem kleinen Steuerparadies Schweiz. Bei der Grossbank war Strähle einst Chef des Offshore-Bankings.
Zu Strähles Bereich gehörten auch die vermögenden US-Kunden der CS mit Geldern in der Schweiz. Sie waren es, auf die es US-Behörden abgesehen hatten. Die Zwangsmassnahmen gegen deren Banker in der Schweiz waren Mittel zum Zweck.
In der CS-Rechtsabteilung leuchteten rote Warnlampen. Die Causa Strähle wurde zur Chefsache.
Romeo Cerutti, Konzernanwalt der Grossbank und Mitglied der obersten Führung, nahm sich der Angelegenheit an.
Cerutti und sein Team hatten bereits Erfahrung mit den Steuer-Sheriffs aus den USA. Die CS war seit Monaten auf dem Radarschirm der Steuer-Behörden. Sie kooperierte bis zur Schmerzgrenze.
Ihr Ex-Topshot Strähle würde bald Fragen zum damaligen Organigramm und seinen einstigen Aufgaben in der CS-Organisation beantworten müssen, ohne dass ihm danach ein Strick daraus gedreht würde – wegen Verrats von Geschäftsgeheimnissen.
Während in der Schweiz gebrütet wurde, bereitete sich Strähle auf seinen High noon vor. Über seine Anwälte wusste er, was ihm bevorstand.
Die USA würden Strähle löchern, um herauszufinden, ob der Ex-Chef der CS-Offshore-Vermögensverwaltung einst selbst US-Offshore-Kunden auf amerikanischem Boden betreut und besucht hätte. Ohne entsprechende US-Lizenz ist das verboten.
Der Juli neigte sich seinem Ende zu. Und obwohl schon mehrere Tage seit der unfreundlichen Post im Hotelzimmer vergangen waren, stand immer noch nicht fest, wann Strähle von seinen US-Häschern endlich befragt würde.
Die Zeit wurde allmählich knapp. Am Donnerstag, dem 28. Juli, stand der Halbjahresbericht der Sarasin an. Sollte Strähle an jenem Tag nicht erreichbar sein, dann drohte seine Festsetzung publik zu werden.
In Bern warteten die Spitzen der Finanzmarktaufsicht Finma und des Finanz-Staatssekretariats im Departement von Eveline Widmer-Schlumpf auf News. Selber viel unternehmen konnten die Bundesbehörden ebenso wenig wie der Betroffene selbst. Die Angelegenheit wurde zur quälenden Geduldsprobe.
Endlich, nach langer Wartezeit mit der Auflage, die USA nicht zu verlassen, wurde Strähle zum Interview aufgeboten.
Die zentrale Figur im Steuerkrieg auf US-Seiten, Chef-Steuer-Inspektor Kevin Downing, war dabei, als Joe Strähle ausführlich Red und Antwort stand.
Laut einer Quelle, die mit den Vorgängen vertraut ist, konnte der Sarasin-Chef dabei den Amerikanern glaubhaft versichern, dass er zu seiner Zeit bei der CS und auch zuvor als Spitzenmann der Julius Bär in New York nie direkten Kontakt zu US-Offshore-Kunden gehabt hatte.
Das würde erklären, warum Strähle nach der Befragung die USA ohne weitere Auflagen verlassen konnte; gerade noch rechtzeitig, um einer nichts ahnenden Medien- und Analystenschar die Zahlen für das erste Halbjahr 2011 der Bank Sarasin persönlich zu erläutern.
Die Krise war ausgestanden, die USA hatten laut dem Insider nichts gegen Strähle in der Hand.
Wenige Monate später erstrahlte Strähles Welt in neuem Glanz. Nach massivem Widerstand gegen eine Übernahmeofferte von Konkurrentin Julius Bär durch Strähle und sein Sarasin-Management verkaufte Grossaktionärin Rabobank, eine holländische Genossenschaftsbank, ihr knapp 50-Prozent-Aktienpaket an den Baslern nicht dem Zürcher Traditionshaus, sondern der brasilianischen Safra-Gruppe.
Strähle und sein Chef, Sarasin-Präsident Christoph Ammann, durften ihre Jobs behalten. Für seinen Einsatz gegen Bär und für Safra wurde Strähle mit 3,8 Millionen Franken Entschädigung für 2011 fürstlich entlöhnt.
Die Geschichte seiner tagelangen Festhaltung in den USA blieb erstaunlicherweise bis vor kurzem unter dem Deckel. Wäre sie im letzten Herbst bekannt geworden, dann wäre es für CEO Strähle und Präsident Ammann möglicherweise schwierig geworden, die feindliche Bär-Offerte abzuwehren.
Fette Schlagzeilen über US-Zwangsmassnahmen gegen ihren CEO sind das Letzte, was eine Bankleitung mitten in einem Übernahmekampf brauchen kann.
Weitere Artikel zum Thema: Sarasin-CEO wurde in den USA festgehalten; Der Machtkampf im Sarasin-Olymp
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Na typisch Sarasin. Ihre Geschäftspartner wie zum Beispiel
ihre externen Vermögensverwalter macht die Sarasin das Leben sehr sehr schwer aber solche Meldungen geben sie einfach nicht weiter. Von ihren EAM’s Verlagen sie „ehrlich“ zu sein aber sie selber lügen alle an. Naja das ist typisch Bank aber sehr typisch Sarasin. Überdenkt mal eure Strategie und noch ein grosses Danke dem CEO der wirklich glaubte dass die Amerikaner kein Dossier haben von ihm und nur darauf warten bis es ihren Boden betritt.
Und so ein Mann bekommt so einen Bonus!!!!!!!! -
Wie lange lügt die PR-Stelle der Bank Sarasin noch oder dementiert diese Recherchen? Oder hat sie inzwischen eingeschwenkt? Oder wusste gar die PR-Stelle nichts bzw. wurde bankintern angeschwindelt? Wäre ja noch besser.
Was wenn der CEO die Bilanzpresse-Konferenz nicht hätte abhalten können? Und warum erfuhren die Bank-Aktionäre nichts?
Fragen über Fragen.
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Wie lange noch müssen wir diesen peinlichen CEO ertragen … ???
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… Auf gut Deutsch heisst dies, dass die US Boys alle notwendigen Informationen seitens Straehle erhalten haben und ein wenig spaeter zum naechsten Schlag gegen die CS ausholen konnten. 1 und 1 zusammen zu rechnen, sollte auch einem Journalisten nicht schwer fallen. Als Ex CS Offshore Verantwortlicher wusste Straehle bestens, dass seine PB MA illegal auf US Territory Kundenacquisation betrieben und US Gesetze mit den Fuessen getreten haben. Da gab es gar nichts zu beschoenigen gegenueber den US Behoerden. Denen fehlte lediglich noch das Gestaendnis einer Ex-Fuehrungsperson aus der CS. Dieses haben sie entsprechend vor Ort direkt bei Straehle eingeholt… Dieser musste ja schliesslich seinen eigenen Kopf in Sicherheit bringen! Was interessierte ihn wohl mehr? Die CS und das CH Bankgeheimnis oder seinen eigenen A….und die Sarasin/Safra Geschichte… Bitte abtreten und in Pension gehen Herr Straehle!
... Auf gut Deutsch heisst dies, dass die US Boys alle notwendigen Informationen seitens Straehle erhalten haben und ein wenig…
Wie lange noch müssen wir diesen peinlichen CEO ertragen ... ???
Wie lange lügt die PR-Stelle der Bank Sarasin noch oder dementiert diese Recherchen? Oder hat sie inzwischen eingeschwenkt? Oder wusste…