Bühne frei für Eveline Widmer-Schlumpf. Den Rückenwind der Abgeltungsverträge mit Deutschland und anderen EU-Staaten versucht die Alpen-Magistratin zu nutzen, um verlorenen Image-Boden gutzumachen.
Es bleibt beim Versuch. Widmer-Schlumpf Deals überzeugen nicht; ihre Argumente im heutigen NZZ-Interview ebensowenig.
„Man kann über alles diskutieren, aber es hat mir noch keiner sagen können, wie sich mit dem automatischen Informationsaustausch die Vergangenheit rechtlich korrekt regeln lässt“, begründet die Finanzministerin ihre weitreichende Konzessionen.
Der Kernsatz im ganzseitigen Gespräch soll Kritiker wie Thomas Matter kaltstellen. Der Chef der Neuen Helvetischen Bank befand Widmer-Schlumpfs Spitzen-Abgeltungssätze von 41 Prozent für deutsche und 48 Prozent für englische Schwarzgeld-Kunden in der SonntagsZeitung als „Suizid“.
Selbst ein Vater der Abgeltungssteuer stellt sich gegen Widmer-Schlumpfs Deutschland-Vertrag. Der Finanzplatz hätte für das grosse Entgegenkommen mindestens auf einem richtigen Marktzutritt beim Nachbarn in Norden beharren sollen, meint der Zürcher Finanzprofessor Martin Janssen.
Die Bündner Bundesrätin setzt bei ihrer Gegenoffensive auf ihre Stärken. Die liegen nicht in strategisch geführten Verhandlungen, sondern im taktischen Fight um die Publikumsgunst.
Clever setzt die vermeintlich zierliche, aber zähe Tochter eines Alt-Bundesrats auf das Nicht-Wissen und die schnelle Vergesslichkeit der breiten Masse.
Das zeigt ihre obige Aussage. Widmer-Schlumpf weiss haargenau, dass es Alternativ-Lösungen für die Regelung der Vergangenheit gibt.
Der kleine Nachbarstaat Liechtenstein macht es der obersten Schweizer Finanzfrau vor. Mit vereinten Kräften schaffen Fürstenhaus, Regierung und Bankenplatz für den steinigen Landfleck östlich des Rheins eine neue Zukunft.
Statt den steuerlichen Sonderfall um jeden Preis am Leben zu erhalten, akzeptieren die pragmatischen Liechtensteiner die neue Steuerwelt. Diese heisst: Offenlegung der Steuerdaten und Kooperation mit dem Ausland.
Das ist der wahre Paradigmenwechsel. Im Unterschied zur Abgeltung, die das alte Erfolgsmodell der steuerlichen Geheimnistuerei mit Ächzen und Würgen bewahren will, ist es der bewusste und endgültige Bruch mit der schönen alten Welt.
Für die Aufgabe des früheren Steuer-Sonderstatus lassen sich die Liechtensteiner entschädigen. Von England kriegen sie eine 5-jährige Schonfrist. Bis 2015 kann das kleine Land weiter vom Bankgeheimnis profitieren. Erst danach werden englische Bankkunden dem Fiskus im Heimatstaat gemeldet.
Die Strategie des Fürstentums lautet somit, Zeit zu kaufen. Gleichzeitig regeln die Liechtensteiner damit ihre Schwarzgeld-Vergangenheit.
In ihrem Modell gibt es keine Abgeltung für vergangene Steuersünden. Wir sind in Zukunft transparent, dafür lasst Ihr unsere Vergangenheit ruhen, lautet der Liechtensteiner Deal. Mit England und den USA sind zwei Grosse darauf eingestiegen.
Besonders elegant ist, dass es keine Diskussionen mit den EU-Bürokraten gibt. Das Liechtenstein-Modell übernimmt den EU-Standard des Informationsausstausches. Eine Extrawurst mit teurer Informatik und komplexen Kontroll- und Abrechnungsmodellen wie bei der Schweizer Abgeltung erübrigt sich.
Den Liechtenstein-Weg blendet Widmer-Schlumpf aus. Ihre Aussage, es gebe für die Vergangenheits-Regelung keine Alternative zur Abgeltung, macht nur Sinn, wenn man ein Rest an Bankgeheimnis als Sine qua no – als unverhandelbare Bedingung – betrachtet.
Somit ist für Widmer-Schlumpf das Bankgeheimnis immer noch das, was es lange war und das Land heute teuer zu stehen kommt: eine heilige Kuh.
Mag sein, dass Deutschland am Liechtenstein-Modell gar kein Interesse hätte. Doch Widmer-Schlumpf hat offenbar gar nie versucht, dieses ins Spiel zu bringen.
Die Bundesrätin hätte keine Zukunft ohne Support starker Figuren des Finanzplatzes wie Walter Kielholz.
Der Swiss-Re-Präsident und CS-VR leistet zeitlich perfekt Schützenhilfe. Die Regelung der Altvermögen sei zentral, sagt Kielholz heute im Tages-Anzeiger. „Dafür ist aus meiner Sicht die Abgeltungssteuer das richtige Instrument.“
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Die beliebtesten Kommentare
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Wer das Interview mit Herrn Grübel heute im Tagi las, befürwortet höchstwahrscheinlich einige Aussagen des Herrn, der auf die grosse Erfahrung sich stützen dürfte.
Nach ihm ruiniert EWS CH Finanzplatz gründlich mit ihrer Strategie des Weissgeldes, des permanenten Nachgebens, Vorschusskompromisse, Unkenntnis der Sachlage und nicht zuletzt verkennt sie die politische Lage und Wichtigkeit der Finanzplätze in London und USA. Interessen dieser Länder kollidieren nun mal mit Interessen des Finanzplatzes Schweiz, EWS versucht die Sache so schnell, schnell unter dem Druck DE und USA über die Bühne zu bringen, vergessen lassen und als schnelle Siegerin da zu stehen, da in der Schweiz wo an allen Ecken und Enden brennt.
Eine Strategie des Weissgeldes führen weder DE noch die USA, darum können diese Länder CH nicht nur Schaden zufügen, sondern sie sehen, dass nach CH politischen Gepflogenheiten niemand in der Schweiz ihren Rücktritt verlangen oder durchsetzen würde. So gesehen schluckt die Schweiz mit EWS eine ganz dicke Kröte, die man selber gewählt habe. Echt schade. Dieses Gefallen dürfte man den SP Herren R.Stramm und gewissen anderen nicht tun.
Eine Schweiz im Würgegriff der SP und BDP?
EWS übernahm im Krankheitsfall des FDP BR,s Merz die Führung, wurde anschliessend auf ziemlich losen Loorbeeren weich gebettet, gar zu Schweizerin des Jahres gewählt und ist im Begriff unser Finanzplatz zu vernichten? Das mit dem Wissen einer Lokalpolitikerin. Was passiert, wenn die CS als Systemrelevante Bank müsste gerettet werden? Was würde die SNB und der ganz-BR dazu sagen? Lässt sie die CS der US IRS zum Frass anwerfen?
Und wer in der Schweiz würde ihr den Rücktritt nahelegen?-
…und ich dachte immer, wir ruinieren den Finanzplatz mit der Schwarzgeldstrategie – na ja, da habe ich mich wohl geirrt… :-/
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wer sich „Goldie Hawn“ nennt versteht sicherlich viel mehr vom Schweizer Finanzplatz als das „dumme Volk“.
zum Artikel: – EWS macht die Politik die die Mehrheit der Schweizer will, und es sind ja vor allem Kreise der Rechten (SVP und Teile der FDP) die nach wie vor gegen einen Datenaustausch mit der EU Sturm laufen. Diese sind dafür verantwortlich zu machen dass die Schweiz seit langem mehr und mehr
ihren Ruf aufs Spiel setzt und der Bankenplatz in die Sackgasse gerät.-
Ich glaube nicht, dass EWS das tut, was die Mehrheit will. EWS ist ein Resultat politischer Gegebenheiten und keine „Errungenschaft“ für die „Eidgenossenschaft“. Es wird Zeit, dass die „Phase EWS“ bald vorüber ist.
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dieser Artikel und auch der Kommentar waren überfällig. Nur schade, dass er vom „tumben Volk“ nicht gelesen wird.
Danke, danke, danke!
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EWS ist (neben der unsäglichen DL) das „Oberblümchen“ im BR. – Schon richtig überfällig, aber das dumme Volk hat es einfach noch nicht gemerkt.
EWS ist (neben der unsäglichen DL) das "Oberblümchen" im BR. - Schon richtig überfällig, aber das dumme Volk hat es…
dieser Artikel und auch der Kommentar waren überfällig. Nur schade, dass er vom "tumben Volk" nicht gelesen wird. Danke, danke,…
wer sich "Goldie Hawn" nennt versteht sicherlich viel mehr vom Schweizer Finanzplatz als das "dumme Volk". zum Artikel: - EWS…