Christos Bagios ist die entscheidende Figur der zweiten US-Steueroffensive. Der Kadermann der Credit Suisse wurde im Januar 2011 in einem Hotel in Manhattan verhaftet, in oranger Gefängniskluft wochenlang durchs Land gekarrt und wie ein Schwerverbrecher einem US-Richter vorgeführt.
Der Zweck heiligte die Mittel: Die CS und die Schweiz brachen ein.
Jetzt hat der Mohr seine Schuldigkeit getan. Für morgen Mittwoch bat Bagios, ein 47-jähriger Grieche mit Wohnsitz am Zürichsee und Vater von zwei kleinen Kindern, einen Bezirksrichter in Fort Lauderdale in Florida um freies Geleit.
(Neu/korrekt: Die Gerichtsverhandlung hätte nach den Plänen von Bagios‘ Anwalt am 8. August stattfinden sollen, nun haben beide Parteien – Verteidigung und Staatsanwaltschaft – beim Gericht kurzfristig eine Verschiebung auf den 30. August eingereicht.)
Nach so langer Zeit und guten Benehmens sei es Zeit, dass Bagios wieder in „his home in Switzerland“ zurückkehren sowie zu „his mother’s home in Greece“ reisen könne, schreibt sein US-Anwalt in einer Eingabe.
Die Zustimmung gilt als Formsache. Bagios hat US-Auslieferungsgesuche für die Schweiz und Griechenland unterzeichnet und würde sogar weltweiten Anträgen zustimmen, hält sein Anwalt fest.
Das US-Justizamt ist mit der Heimreise ihrer Schlüssel-Figur einverstanden.
„Das DOJ hat sicher nichts dagegen“, sagt ein New Yorker Anwalt. „Sonst würde es keine Zeit damit vergeuden.“
Mit Bagios‘ Rückkehr endet ein zentrales Kapitel im Konflikt um unversteuerte US-Kundengelder auf Schweizer Bankkonten.
Zudem könnte sie ein starkes Indiz für einen Ablassdeal der CS sein. Bis Mai stand Bagios auf der Payroll der Grossbank.
Der CS-Direktor war wirkungsvolle Geisel der USA für ihre Grossoffensive im Steuerkonflikt. Dank ihm konnten die Amerikaner „Too Big To Fail“ CS in die Knie zwingen.
Wie das geht, hatten die USA mit Martin Liechti vorgemacht, einem hohen UBS-General, der im Frühling 2008 in Miami verhaftet und nach einer umfassenden Zusammenarbeit im folgenden Sommer freigelassen worden war.
Nur ein halbes Jahr später lieferte die UBS Anfang 2009 mit Hilfe der Finma 250 US-Steuersünder nach Übersee ans Messer. Kurz darauf zog sich die Grossbank gänzlich aus dem US-Offshore-Business zurück.
Es war der erste Volltreffer der USA gegen die Schweizer Bankgeheimnis-Festung. Die Tür zum Tresor war aufgesprengt.
Einige Institute im Finanzparadies wollten das nicht wahrhaben. Sie führten das Treiben mit amerikanischen Steuerflüchtigen weiter.
Als die US-Steuerfahnder merkten, dass andere Schweizer Banken den Tausenden von amerikanischen UBS-Kunden mit unversteuerten Vermögen Asyl boten, lösten sie Phase 2 ihres Feldzugs aus.
Mehrere Banker, deren Namen sie vom UBS-Fall her kannten, wurden auf Fahndungslisten gesetzt. Dann warteten die Sheriffs in Washington, bis ihnen einer ins Netz ging.
Es traf den Griechen Bagios. Der hatte lange für die UBS gearbeitet, zuerst mit unversteuerten US-Kunden, ab 2005 mit versteuerten.
Trotz dieser Vergangenheit, die vor dem Hintergrund der laufenden US-Attacke gegen die UBS bis zuoberst im Rechtsdepartement der CS zu reden gab, nahm ihn die Zürcher Grossbank Anfang 2009 unter Vertrag.
Für die CS-Tochter Private Advisors betreute Bagios aus Zürich heraus deklarierte US-Kundengelder. Er hatte die Lizenz zum Reisen und zum Beraten seiner Klienten auf amerikanischem Boden.
Dass er plötzlich zum US-Target werden könnte, war für Bagios kein Thema. Schliesslich lag seine UBS-Zeit ja lange zurück, und seine Ex-Arbeitgeberin hatte einen Deal in der Tasche.
Damit unterschätzten Bagios und seine Credit Suisse die Amerikaner. Mit Bagios, der eine hohe Kaderrolle bei der CS Private Advisors innehatte, landeten die Amerikaner ihren nächsten Coup.
Wenige Wochen nach Bagios‘ Verhaftung klagten die USA 4 aktuelle und ehemalige CS-Banker mit US-Steuerbezug an. Von da an war die CS im US-Steuerkrieg das Hauptziel.
Bagios kam die Rolle einer Geisel zu, die ohne Anklage wertvoller war als mit.
Seine möglichen Straftaten stammten nicht aus der Zeit bei der CS, sondern als er für die UBS amerikanische Kunden besucht hatte. Daraus der CS einen Strick zu drehen, war selbst für die erfinderischen US-Häscher schwierig.
Als Pfand in der Hinterhand eignete sich Bagios aber vorzüglich. Solange er nicht angeklagt war, galt die CS als erpressbar. Sie musste befürchten, dass Bagios CS-Leute ans Messer liefert, sobald er unter Anklage gestellt würde.
Also kooperierte die CS. Die Auswirkungen sind offensichtlich. Letzte Woche wurde ein neues Amtshilfegesuch der USA bekannt. Laut NZZ richtet es sich gegen weniger als 100 US-Kunden der CS.
Bereits zuvor hatten hohe CS-Chefs wie Walter Berchtold Straffreiheit zugesichert erhalten. Berchold machte dafür in den USA Aussagen zu seiner Rolle im Steuerkonflikt.
Dass Bagios gerade jetzt heimreisen darf, erhöht die Wahrscheinlichkeit eines Deals der CS mit den USA. Es geht um ein sogenanntes Deferred Prosecution Agreement, ein Abkommen über eine aufgeschobene Strafanklage.
Wie die UBS müsste die CS mittels Schuldeingeständnis eine hohe Busse leisten und sich aus dem US-Offshore-Geschäft zurückziehen. Ihre mit US-Lizenz ausgestattete Private-Advisors-Tochter hat die CS bereits aufgelöst.
Ein CS-Sprecher wollte keine Stellung zu einer möglichen Übereinkunft nehmen. Die Frau von Bagios liess gestern einen Anruf unbeantwortet.
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Und dann meinen meine UK Freunde die Schweiz werde privilegiert milde behandelt verglichen mit der US ‚conspiracy‘ gegen Britische Banken, die City.
http://www.cnbc.com/id/48563045Wundert schon etwas wie kompliziert es sich die Amis machen wenn es einfacher und wohl auch billiger wäre einen SVP Advokaten und IT Datenklauer anzuheuern um das Bankgeheimnis zu ‚ritzen‘ (Originalton Köppel, WeWo).
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…und jetzt werden gar Schweizer Kinder in den USA festgehalten…
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18 Monate als Geisel in den USA und die offizielle Schweiz schaut weg. Im Falle von Ghadafi reiste der Bundespräsident nach Libyen. Kommentar überflüssig!
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No brainer, Eveline WS machts immer möglich, move on and join the RAV.
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18 Monate als Geisel in den USA und die offizielle Schweiz schaut weg. Im Falle von Ghadafi reiste der Bundespräsident…
No brainer, Eveline WS machts immer möglich, move on and join the RAV.
...und jetzt werden gar Schweizer Kinder in den USA festgehalten...