Die Schweiz verfügt zurzeit über eines der liberalsten Platzierungsregimes Europas. Fondsanbieter können Produkte, die nicht zum öffentlichen Vertrieb zugelassen sind, relativ frei platzieren – solange sie keine Publikumswerbung machen. Weder muss ein ausländischer Alternativfonds bewilligt werden, noch braucht es eine Vertriebsträgerbewilligung, eine Zahlstelle oder einen Vertreter.
Der potenzielle Adressatenkreis ist zudem viel breiter als in den EU-Staaten: Nicht nur die üblichen institutionellen Investoren wie Banken, Versicherungen und Unternehmen mit professioneller Tresorerie gelten als qualifizierte Anleger, sondern auch Privatpersonen mit einem verfügbaren Vermögen von zwei Millionen Schweizer Franken. Letztere müssen dazu weder besondere Erfahrung noch Qualifikationen aufweisen. Ausserdem gelten zurzeit auch Investoren mit geringerem Vermögen als qualifizierte Anleger, wenn sie mit einem beaufsichtigten Finanzintermediär oder unabhängigen Vermögensverwalter einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben. Im zweiten Fall muss der Vermögensverwalter als Finanzintermediär dem Geldwäschereigesetz unterstehen, einer anerkannten Selbstregulierungsorganisation (SRO) angehören und deren Verhaltensregeln einhalten.
Vor diesem Hintergrund ist in der Schweiz in den letzten Jahrzehnten eine ausgedehnte Industrie mit ansehnlicher Wertschöpfung auf verschiedenen Ebenen entstanden. Banken ebenso wie unabhängige Vermögensverwalter setzen Alternativprodukte ein, um in einem immer schwierigeren und stärker umkämpften Umfeld Alpha im Portfolio ihrer Kunden zu generieren. Unabhängige Vertriebsspezialisten bringen Alternativprodukte aus der ganzen Welt an die Schweizer Klientel. Und Strukturierungsexperten setzen weltweit effizient kundenspezifische Vehikel für den Hausgebrauch oder als sogenannte Labelfonds im Kundenauftrag auf.
Neuerdings droht dieser schönen heilen Welt jedoch Ungemach. Etablierte Portfoliostrategien, Vertriebskanäle und Geschäftsmodelle scheinen bedroht. Auslöser ist die EU-Richtlinie über die Verwalter alternativer Anlagefonds (AIFM-RL). Als Reaktion auf die Finanzkrise will sie die Regulierung für Manager von Immobilien-, Private-Equity- und Hedgefonds im harmonisierten europäischen Markt flächendeckend vereinheitlichen.
Konkret: Wer in Zukunft in oder aus der EU einen Alternativfonds verwalten oder bei qualifizierten Anlegern platzieren will, braucht eine Bewilligung und muss dafür Substanz und Kompetenz vorweisen. Im Gegenzug gibt es ab 2013 einen AIFM-Pass, der die Tätigkeit in der EU erleichtert.
Als Nicht-EU-Mitglied muss die Schweiz die AIFM-RL nicht umsetzen. Um ihren Managern und Dienstleistern aber ab Erweiterung des AIFM-Regimes auf Drittstaaten einen gleichwertigen Zugang zum EU-Markt zu ermöglichen, bringt die Eidgenossenschaft ihren Rechtsrahmen derzeit auf EU-Niveau. Die laufende KAG-Teilrevision sieht erstmals auch für Schweizer Manager ausländischer Alternativfonds ein Bewilligungsverfahren durch die Finanzmarktaufsicht FINMA vor. Nur: Während die AIFM-RL primär die Fondsmanager betrifft, zielt die KAG-Revision auch auf den Vertrieb ab. Sie will auch diese Regeln dem Brüsseler Standard angleichen und Lücken zur hier nie vollständig umgesetzten EU-Finanzmarktrichtlinie MiFID schliessen.
Zunächst will das neue KAG den bisherigen Begriff der „öffentlichen Werbung“ durch den Terminus „Vertrieb“ ersetzen. Dadurch entfällt die bisher zentrale Unterscheidung zwischen öffentlicher Werbung und privater Platzierung bei einem begrenzten Adressatenkreis. Das zukünftige KAG soll klar definieren, was nicht als Vertrieb gilt: der Erwerb einer kollektiven Kapitalanlage ausschliesslich auf Eigeninitiative des Anlegers und ebenfalls jener im Rahmen eines Vermögensverwaltungsvertrags – sowohl bei Mandatierung von beaufsichtigten Finanzintermediären als auch von unabhängigen Vermögensverwaltern.
Nach wie vor soll es keine Bewilligungspflicht für ausländische Fonds geben, die nicht öffentlich vertrieben werden. Neu soll aber auch für solche Produkte ein Vertreter in der Schweiz bestellt werden. Zusätzlich ist eine Vertriebsträgerbewilligung für den Vertrieb auch an qualifizierte Anleger vorgesehen. Davon ausgenommen ist nur, wer ausschliesslich beaufsichtigte Finanzintermediäre (Banken, Effektenhändler, Fondsleitungen und Verwalter kollektiver Kapitalanlagen) und Versicherungen angeht.
Dies ist insofern besonders entscheidend, als der Kreis der qualifizierten Anleger zusätzlich stark eingeschränkt werden soll. Vermögende Privatpersonen (HNWIs) sollen in Zukunft nicht mehr dazugehören. Sie sollen aber schriftlich erklären können, als qualifizierte Anleger behandelt werden zu wollen (sogenanntes Opting-in). Die Branche erwartet, dass es dafür zusätzliche Erfahrung im Finanzbereich wie im MiFID-System vorgesehen braucht. Dadurch wird die Sorgfaltspflicht am Point of Sale merklich verschärft. Der ursprüngliche Gesetzesentwurf des Bundesrats sah vor, dass auch Retail-Kunden, die mit einem beaufsichtigten Finanzintermediär oder unabhängigen Vermögensverwalter einen schriftlichen Vermögensverwaltungsvertrag abgeschlossen haben, nicht mehr als qualifizierte Anleger gelten. Das Parlament hat opponiert: Es will, dass diese Klientel an sich als qualifiziert gilt, aber das Gegenteil erklären kann (sogenanntes Opting-out).
Um sich auch bei neuen Wettbewerbsverhältnissen in Poleposition fahren zu können, rüsten die meisten Schweizer Finanzindermediäre auf. Viele bereiten je nach individuellen Bedürfnissen Bewilligungsgesuche als Vertriebsträger oder Vermögensverwalter kollektiver Kapitalanlagen vor. Wer in Pendlerdistanz zu Liechtenstein agiert und sich auf die EU konzentriert, setzt auf einen AIFM-Status im Ländle. Andere verknüpfen mehrere Optionen. Zum Beispiel sollte ein unabhängiger Schweizer Vermögensverwalter und Vertriebsträger mit zusätzlichem Status eines liechtensteinischen AIFM über maximalen Spielraum verfügen und effizienter handeln können. Mit dem EU-Pass zur Verwaltung von Alternativfonds und Zugang sowohl zum MiFID-Geschäft als auch zu Schweizer Kunden kann er neu zum Überholen ansetzen.
Es ist vorgesehen, dass das revidierte KAG nach dessen Beratung durch das Parlament Anfang 2013 in Kraft treten soll. Der KAG-Entwurf gewährt verschiedene (im Vergleich zum Vernehmlassungsentwurf teilweise verlängerte) Übergangsfristen, innerhalb welcher die neuen Bestimmungen umgesetzt werden müssen. So müssen sich bspw. Verwalter, welche neu eine Bewilligung benötigen, innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes bei der FINMA melden und innerhalb von zwei Jahren seit Inkrafttreten die neuen Regeln umsetzen und ein Bewilligungsgesuch einreichen. Dasselbe gilt für Vertreter von ausländischen Kollektivanlagen. Anpassungsbedürftige Fondsverträge, Anlagereglemente und Gesellschaftsverträge sind der FINMA ebenfalls innert zweier Jahre zur Genehmigung einzureichen und Depotanken müssen innerhalb derselben Frist bestätigen, dass die Aufbewahrung des Fondsvermögens von bestehenden schweizerischen Kollektivanlagen einzig an beaufsichtigte Dritt- und Sammelverwahrer übertragen wurde und die Übertragung im Interesse einer sachgerechten Verwahrung liegt.
Und was bringt das Ganze ausser vielen Kosten, bürokratischen Leerläufen und sich gesundstopfenden Anwälten? Und schlussendlich wird alles auf den Anleger überwältzt, der das gar nicht will, wenn er was von der Sache versteht. Der sinnlose und überdimenisionierte Überregulierungwahn der Finanzintermediäre und Fondsverwalter kennt keine Grenzen. Doch what’s in it for me? Wo ist der Vorteil für mich als mündiger Anleger? Ich habe es bisher nicht herausgefunden und der Verdacht erhärtet sich, dass die Banken- und Anwaltslobby einfach wieder mal am wüten sind…
Wenn ich mir anhöre, wie die schweizer Behörden, insbesondere die Finma, auf Anfragen zur Regulierung reagiert, dann habe ich wirklich das Gefühl die Lösung „Ländle“ ist am besten. Wenn man dann noch automatisch Vertrieb und Passporting kriegt, erscheint mir dies viel einfacher als der Gang nach Bern. Die Fristen in Bern mit über 250 Tagen sind selbst für europäische Verhältnisse eine Frechheit und international tätige Manager, welche nicht gerade 3Milliarden managen haben einen sehr schweren Stand. Schade um unseren guten Stand und Ruf…