In meinem Amt als Kirchgemeinde-Präsident bekam ich Mitte Januar per E-Mail eine Einladung, die mir heute noch zu denken gibt. „Meine“ Kirche in Zusammenarbeit mit Avenir Suisse, der Hanns-Seidel-Stiftung München und der Paulus-Akademie Zürich lädt auf den 7. Februar ein zum Referat „Mit Werten führen“. Anschliessend findet eine Podiumsdiskussion statt. Veranstaltungsort: Zunfthaus zur Schmiden in Zürich. Kosten: 45 Franken inklusive Apéro.
Die Ausschreibung im Internet holt weit aus: „Sehr geehrte Damen und Herren. Nach einer Serie von persönlichen Unzulänglichkeiten und Skandalen fragen wir uns: Braucht es ein neues Führungsethos? (…) Charakter und Tugenden scheinen heute bei der Selektion von Führungskräften keine grosse Rolle zu spielen. Dennoch hängt die Reputation von Unternehmen in hohem Masse von der Glaubwürdigkeit ihrer Repräsentanten und Entscheidungsträger ab.“
Das sehe ich auch so und denke: Da müsste man zum Beispiel die gesamte Führungscrew der UBS hinschicken, damit ihr mal jemand sagt, wie man auch im Umgang mit Geld ethisch verantwortungsvoll handeln kann.
Dann lese ich die Ausschreibung weiter – und fühle mich plötzlich im falschen Film. Denn als Referent wirkt Prof. Dr. Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der UBS. Das darf doch nicht wahr sein!
Sind in Basel die Schnitzelbänke schon gemacht? Meine Augen wandern über den Rest des Textes und bleiben zuunterst am Absender hängen: Fachstelle Gesellschaft & Ethik, Ev.-ref. Landeskirche Zürich. Nein, es ist kein Fasnachtsscherz, es ist alles ganz real: Die reformierte Zürcher Landeskirche bietet dem Boss der moralisch schwer angeschlagenen Bank ein Podium, den landesweit arg ramponierten Ruf etwas aufzupolieren.
Es ist erst ein paar Wochen her, dass Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf sich im Zusammenhang mit dem Libor-Skandal über das Verhalten der UBS „entrüstet“ zeigte und die Machenschaften der Bank mit „inakzeptabel“, „nicht tolerierbar“ und „nur noch erschreckend“ umschrieb.
Und nun will der neue Mann dieser Bank uns weismachen, dass seine Firma ihre Handlungs-Strategie ab sofort nur noch von ethischen Werten leiten lasse. Und er hat da ein so effizientes Szenario, dass er bereits das Bedürfnis fühlt, es an andere weiterzugeben, noch bevor er es im eigenen Haus anwendet.
Letzteres hat Weber definitiv noch nicht getan, denn die vier Millionen Franken, die er als „Golden Welcome“ eingestrichen hat, passen da ganz schlecht ins Konzept.
Im SonntagsBlick vom 20. Januar hält Kirchenratspräsident Michel Müller, auf die Veranstaltung angesprochen, die Einladung des Referenten für angebracht. Die Kirche trete für das Gespräch mit allen ein. Ein Referat sei zwar eine einseitige Form der Kommunikation; positiv sei es aber, wenn sich Weber hinterfragen lasse.
Sicher, die Kirche muss für das Gespräch mit allen offen sein. Es ist aber ein grosser Unterschied, ob einfach verschiedene Meinungsvertreter zu einem kontradiktorischen Gespräch eingeladen werden, oder ob der eine – und nur der eine – zuerst das Podium für seine Sicht der Dinge bekommt.
In der Ausschreibung lesen wir: Die Reputation von Unternehmen hängt von der Glaubwürdigkeit ihrer Repräsentanten ab. Ist denn heute ein UBS-Chef bezüglich Ethik und Tugend glaubwürdig? So glaubwürdig, dass ihn sogar die Kirche einlädt, über Werte zu referieren? Gäbe es denn im Umfeld der Kirche nicht Dutzende von Menschen, die prädestinierter wären, darüber zu sprechen?
Das negative Echo auf die Ankündigung dieser Veranstaltung fällt nach meiner Meinung nicht stärker aus, weil nur handverlesene Adressaten eingeladen wurden. Wer – auf welchem Weg auch immer – davon wusste, schüttelte nur den Kopf, als ich anlässlich einer Kirchentagung in Bülach darauf zu sprechen kam. Denn – eines ist klar: Einen UBS-Mann heute über Werte sprechen zu lassen, kann man zwar in einem Zunfthaus in Zürich. Im Gemeindesaal eines Dorfes würde er aber ausgebuht.
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Der gleiche Axel Weber der über Werte und allenfalls noch Ethik fabulieren will hat sich den Eintritt bei der UBS mit 4 Millionen honorieren lassen ! Ethik und Werte ? Mammon ist der einzige Wert für diese Abzocker.
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Ich denke Ihr Unverständnis über dieses Podium resp. den Vortrag basiert auf der Tatsache, dass Ihnen die Entweihung der UBS im Gegensatz zur Entweihung der Kirche bereits bewusst ist.
Die Gräuelgeschichten aus Kirchen und Klostern übertreffen jene aus Banken und Versicherungen leider noch bei Weitem.
Und ja, da gebe ich Ihnen Recht, Axel Weber müsste auch nicht in meinem Wohnzimmer stehen und referieren – In der Kirche ist er mir lieber, da hat die Doppelmoral schon seit tausenden von Jahren ihren Platz – mitten auf dem Podium.
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Als „einfacher“ UBS Mitarbeiter bin ich über die beiden Sätze
„Einen UBS-Mann heute über Werte sprechen zu lassen, kann man zwar in einem Zunfthaus in Zürich. Im Gemeindesaal eines Dorfes würde er aber ausgebuht.“
ebenso frustriert, wie über die Machenschaften einiger Arbeitskollegen und das Fehlverhalten unserer Chefs. Das soll hier einmal klar gesagt sein.
Dass der Autor Christian Ulrich nun aber alle UBS Mitarbeiter, die zu über 99% sich nie etwas zu schulden haben kommen lassen, in den gleichen Topf wirft, dies geht schlicht und einfach nicht.
Herr Ulrich würde sich mit Recht ebenfalls wehren, wenn man alle Lehrer, Kirchgemeindepräsidenten oder Einwohner von Glattfelden in den gleichen Topf schmeissen würde.
Ich bitte hier um eine Klarstellung und Entschuldigung des Autoren.
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Niet, er muss sich für eine etwas spitze Meinung sicherlich nicht entschuldigen: Es gibt nur noch ganz wenige UBS MA, die moralische (evtl. ethische) Grundwerte haben. Das sind dann auch diejenigen, die erst kürzlich dazugestossen sind oder vor Jahren bereits so runtergemacht wurden, dass Sie krankhaft mit Moral ihre Motivation/Arbeit rechtfertigen.
Ich habe in 6 Abteilungen in der UBS Einblick erhalten und leider ordnen dort die meisten Mitarbeiter die Wörter „Moral“, „Anstand“, „Zusammenhalt“ als unbrauchbare Fremdwörter ein.
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