Für Pierin Vincenz beginnt ein neuer Karriereabschnitt. Für zwei Monate geht der Raiffeisen-CEO zusammen mit seiner Partnerin ins Sabbatical.
Zurück lässt Vincenz drängende Fragen. Eine der wichtigsten ist der Entscheid, wie die Dritte Kraft von Swiss Banking ihre Informatik neu aufstellen will.
Der Plan, die in die Jahre gekommene Eigenentwicklung „Dialba“ für die Zukunft fitzumachen, ist gescheitert. Vincenz und seine Führungscrew legten das Migrationsprojekt vor Monatsfrist auf Eis.
Damit ist Vincenz wieder auf Feld 1. Zudem droht ihm ein Krach mit Dialba-Lieferantin IBM.
IBM war im Frühling 2012 auserkoren worden, um Dialba, eine Raiffeisen-Eigenentwicklung für die Computerisierung der 300 Mitgliederbanken, auf Vordermann zu bringen.
Der Renovationsauftrag versprach Millionen für die US-Computerfirma. Im Gegenzug musste IBM Automatismen entwickeln, wie Dialba in die moderne Programmiersprache Java übersetzt würde.
Schon bald zeigte sich, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist. „Der Automatismus funktioniert nicht“, sagt ein Insider. „Das war von Anfang an klar.“
Nun sagt Sprecher Franz Würth, dass trotz dem damaligen Beschluss kein kompletter Neustart nötig sei. „Die anderen Teilprojekte laufen normal weiter“, führt Würth aus.
Der Raiffeisen-Mann spricht von Sistierung. Diese betreffe nur das „Teilprojekt DIALBA Migration“. Das habe bisher „nicht die geplanten Resultate gebracht“.
Was der Full-stop für den Vertrag mit IBM bedeutet, bleibt offen. Eine Sprecherin von IBM Schweiz wollte die Frage, ob man über Schadenersatz streite, nicht beantworten, und verwies an die Raiffeisen.
Kenner des Themas gehen von einem kompletten Übungsabbruch aus. „Klar, das alte Dialba wird jetzt für die nächsten Jahre aufgepeppt“, sagt eine Quelle. „Ebenso klar ist, dass Vincenz eine komplett neue IT-Strategie braucht.“
Ein zweiter Gesprächspartner ortet das Problem direkt beim obersten Chef. „Es war Vincenz selbst, der grünes Licht dafür gab, nochmals im grossen Stil in die alte Dialba-Software zu investieren.“
Das sei von Beginn weg der falsche Beschluss gewesen, meint der Kritiker. „Heute kauft man Bankensoftware ab der Stange und passt sie auf die eigenen Bedürfnisse an.“
Der Vorteil: Wenn neue Vorschriften aus Bern oder dem EU-Raum umgesetzt werden müssten, dann würde die externe Software-Firma ein Update für die ganze Branche entwickeln.
„Wenn man hingegen sein eigenes Ding pflegt, dann braucht es bei jeder Neuerung viele Ressourcen“, sagt der Gesprächspartner. „Das geht ins Geld.“ Deshalb sei die Zeit der grossen Eigenentwicklungen „definitiv vorbei“.
Laut dem ersten Insider will die Raiffeisen-Geschäftsleitung bis nächsten Frühling entscheiden, wie sie mit ihrer Informatik weiterfahren will.
Die Bankengruppe steht dabei vor riesigen Herausforderungen.
Zwar gilt das für viele Schweizer Banken. Wie die Raiffeisen zerbrechen auch sie sich die Köpfe, wie sie ihre IT zu erträglichen Kosten auf einen modernen Stand bringen könnten.
Speziell am Fall Raiffeisen ist aber, dass die Komplexitäten durch die strategischen Zukäufe der jüngeren Vergangenheit massiv zugenommen haben.
Es gilt nicht nur, eine Alternative zur Kernsoftware Dialba zu finden. Auch für die Privatbank Notenstein müssen Vincenz und seine Mitstreiter handeln.
Notenstein setzt die Banken-Software von SunGard ein. Das System stammt aus der Zeit von Wegelin. Deren Aktivitäten landeten Anfang 2012 wegen dem Steuerangriff aus den USA grösstenteils bei der Notenstein.
SunGard könnte bei Notenstein im Zuge einer Gesamt-IT-Strategie abgelöst werden. Die Frage wird sein, ob die Bank auf andere Standardlösungen, beispielsweise von Avaloq, umsteigen wird.
Während für die Bank Notenstein eine Standardlösung richtig sein dürfte, brauchen die 300 Raiffeisen-Banken ein neues Hostsystem. Ob dafür ein Paket ab der Stange genügt, ist offen.
Vincenz‘ dritte Software-Baustelle heisst Leonteq. Der Raiffeisen-Chef kaufte an der früheren EFG Financial Products eine grosse Minderheitsposition.
Leonteqs Erfolg basiert zu einem grossen Teil auf der IT-Lösung. Diese hat die Firma selbst entwickelt, um für Drittkunden massgeschneiderte strukturierte Finanzprodukte anbieten zu können.
Auch die Leonteq-Software muss weiterentwickelt werden, und auch diese Entwicklung sollte im Idealfall in die IT-Strategie der Raiffeisen eingebunden werden.
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Die beliebtesten Kommentare
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E-banking
UBS hat ein sehr sicheres Login-System. Seit kurzer Zeit hat auch Raiffeisen sein neues TAN eingeführt, ein ebenfalls sicheres Login-System.
Die Benutzeroberfläche von Raiffeisen ist kundenfreundlicher und einfacher als diese von UBS.
UBS setzt JAVA ein und ist dort moderner. Was ich nicht verstehe als Kunde von Beiden, weshalb zB. solche Banken nicht voneinander lernen wollen und ein gemeinsames System entwickeln. (Nur Softwaremässig; nicht aber DB-mässig.)
Wenn schon Beide gute Ansätze haben, sollten sie auch gemeinsam entwickeln. Das spart Zeit, Geld und Nerven und vor allem wäre das Risiko sehr klein. Der Kunde würde es auch danken, wenn wenigstens mal zwei Systeme gleich bedienbar wären. Vielleicht hätten dann in einer späteren Phase noch weiter Banken Interesse und würden sich einkaufen.
Die Daten aber sollten dezentral durch die Institute gehalten werden.-
Pingback: Weitere Informationen zu Raiffeisen E-Banking finden Sie auf folgendem Link http://www.raiffeisen.ch/e-banking
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Frage mich, wann es endlich den IT-Chef von RCH lupft: Als Avaloq-Projektleiter zu RCH gekommen, dann in der ersten Avaloq-Euphorie zum Leiter der ganzen IT „aufgestiegen“. Später Einsitz genommen in der RCH Geschäftsleitung. Schliesslich musste man das Avaloq-Front Projekt abblasen (und wohl einiges an „Schmerzensgeld“ an Avaloq zu entrichten).
Nun setzte man auf Dialba (nachdem man die Fachkräfte in diesem Bereich verloren oder mit Mühe/Anreizen versucht hat zu halten). Nun erleidet auch dieses Unterfangen offenbar Schiffbruch..
Und nebenbei: Die grossen/einflussreichen Raiffeisen-Banken beäugen die Projekte/Anstrengungen seit Beginn mit Argusaugen: Die enormen finanziellen Aufwendungen werden sie schliesslich über die Verrechnung der Kosten über die folgenden Jahre zu tragen haben. Diese „Fürsten“ bei der Stange zu halten wird je länger je mehr zu einem weiteren Spiessrutenlauf… -
Wegelin & Cie. waren ursprünglich auch mal an Dialba beteiligt.
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Wenn die Entwicklung der Immobilienpreise völlig aus dem Ruder läuft und Verluste bei Raiffeisen drohen kann man dann der IT die Schuld geben 🙂
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Die Immobilienpreise sind weniger das Problem, eher das Objekt, die Belehnungshöhe, wer der Schuldner ist etc.
Und allgemein: Sinkende Immobilienpreise wären das Problem respektive sehr stark sinkende Immopreise um 40% – 50%.
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Hallo Tom
Wie läuft‘ bei der UBS?
Liebe Grüsse
Hans
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IT-Projekte sind immer ein bisschen ein Würfelspiel. Viele Projektleiter, Implementierer und Entwickler (auch von grossen Firmen)sind das Geld nicht wert,fahren dann solche Projekte an die Wand und verbraten munter Millionenbeträge. – Ganz gefährlich, wenn man dann noch ausländische bzw. andersprachige Menschen (Indien, Ostblock)aus anderen Kulturen, die zwar alle „irgendetwas“ programmieren oder implementieren können, daran wenig geführt herumwerkeln lässt…
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Ob Avaloq im Alltag wirklich besser ist als eine Eigenentwicklung kann ich leider nicht beurteilen. Ich weiss jedoch nur, dass im Tagesgeschäft Avaloq eine wahre Katastrophe ist! Dermassen kompliziert in der Anwendung, das glaubt man kaum.
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Immerhin haben bei der Raiffeisen die IT-Leute so was für den Betrieb zu tun. Im Gegensatz zur ZKB wo sie Polizei spielen.
(Anmerkung; für Ihr 5 Minuten Video wäre das von Gestern mit der ZKB auch ein Thema! mich würde da auch von Herr Geiger die Meinung interessieren.)-
vgl. meinen Kommentar gestern zur ZKB: auch P.V. aus SG hat die IT auf die eigenen Leute angesetzt, mit entsprechenden Konsequenzen für den Schreiberling…
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aufgrund schwacher resultate wurde in den letzten jahren einfach die günstigste aller möglichkeiten gegangen nämlich die schrottreife karre billigst zu pimpen. sollten sich die bankergebnisse endlich bessern, dürften dann alle banken gleichzeitig bei avaloq et al anstehen mit dem effekt dass die it im einkauf doppelt soviel kostet und alle fähigen implementierungsberater überbucht sind. kennen die bänkler den hog cycle nicht? also mal ein altes paper lesen übers wochenende statt im bündnerland alten trübelisaft bechern… Harlow, Arthur (1960). Journal of Farm Economics
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Wie kommen Sie darauf dass die Raiffeisen-IT Schrott ist? Wie jede Software wird diese laufend an die neuen Bedürfnisse angepasst.
–> die Frage ist war nun, ob diese den zukünftigen Bedürfnissen angepasst werden kann, anscheinend ist IBM dazu nicht in der Lage. Wie es der Name „Dialba2020“ suggeriert, geht es hier um ein Zukunftsprojekt, aktuell läuft alles wie es muss. Die Kernbankapplikation läuft ja bereits auf Avaloq.
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Lieber Raiffeisen-Kollegen
Haltet Euch mit Kritik bitte zurück. Wie wir wissen, werden in der ZKB unliebsame Kommentare geahndet und unsere IT-Kollegen haben kein Zeit, jetzt auch noch im Chef-Auftrag als Blog-Fahnder aktiv zu werden. Wenn wir Glück haben, ist unsere IT dermassen antiquiert, dass die Identifikation von IP-Adressen nicht möglich ist. Darauf verlassen möchte ich mich allerdings nicht.
(Von meinem privaten E-Mail-Account gesendet).
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Gebranntes Kind scheut das Feuer? 😉
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Schon seit mindestens 5 Jahren ist allen klar, das DiAlba nicht zukunftsfähig ist. Aber weil es kurzfristig billiger ist und viele Posten daran hängen, hat man halt weiter gebastelt anstatt zu modernisieren.
Das rächt sich nun.-
Ich dachte die Dialba Lösung gäbe es bereits seit rund 15 Jahren. So schlecht kann es wohl nicht sein, hörte jedenfalls noch nie etwas schlechtes!
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Na so gross ist der Raiffeisen „Grosscomputer“ nun auch nicht! Ganz im Gegenteil: DIALBA ist ein Sammelsurium von 80-Jahre Technologien, die auf einem (grösseren) PC laufen. Die technologischen Entwicklungen der letzten 20 Jahre sind daran spurlos vorüber gegangen. Einzig die Lobhudeleien, wie hervorragend DIALBA doch sei, werden von Jahr zu Jahr mehr …
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Als Vertragspartner erscheint Pierin Vincenz relativ unzuverlässig. Mit Vontobel hat er sich bereits angelegt. Jetzt droht Ungemach durch den Zwist mit IBM. Mals sehen, wie lange das noch gut geht. Ich habe so meine Zweifel, obwohl ich durchaus Sympathien für den Raiffeisen-CEO hege. Gefährlich wird es immer dann, wenn man den Bogen überspannt. Die Baustellendichte im Raiffeisen-Lager wächst zunehmend an. Das ist keine gute Entwicklung.
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Wer ist nicht zuverlässig? Ich würde in diesem Fall auf IBM tippen, welche ein Projekt in Angriff nimmt und schlussendlich die geforderte Leistung doch nicht bringen kann.
Und von welcher Baustellendichte Sie sprechen ist mir ebenfalls ein Rätsel…
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Kaum äussert man hier etwas Kritik an Raiffeisen, werden die Lobhuddel-Büttel aktiv. Immer wieder erstaunlich, finden Sie nicht auch Zampano?
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@Hans Gubser
Zampano hat lediglich zwei Fragen aufgeworfen, die Sie nur mit einer seltsamen Gegenfrage beantwortet haben. Von Lobhuddel-Büttel (auch das eine schlechte Kopie) keine Spur!
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Die Lunte der Raiffeisen-IT-Bombe brennt. Rette sich wer kann.
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Bei Raiffeisen am Hauptsitz fehlt es am Talent Pool. Die unfähigen und lethargischen Mitarbeitenden bleiben erhalten, die anderen suchen das Weite. Es herrscht absolut keine Leistungskultur vor sondern alle versuchen sich hinter dem Nebenmann zu verstecken und verschleppen ihre Aufgaben. Das Niveau ist aus eigener Erfahrung leider sehr, sehr tief. Schade und bedenklich…
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@$$$: Schön, dass du es trotzdem zu einem neuen Arbeitgeber geschafft hast, bei welchem du es im gleichen Stiel weiterführen kannst.
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Bei Raiffeisen am Hauptsitz fehlt es am Talent Pool. Die unfähigen und lethargischen Mitarbeitenden bleiben erhalten, die anderen suchen das…
Die Lunte der Raiffeisen-IT-Bombe brennt. Rette sich wer kann.
Als Vertragspartner erscheint Pierin Vincenz relativ unzuverlässig. Mit Vontobel hat er sich bereits angelegt. Jetzt droht Ungemach durch den Zwist…