Der Untergang der Banque Hottinger, eines der ältesten Schweizer Privatinstitute, ist kein Fanal für die Branche. Sondern ein Musterbeispiel für schlechtes Management.
Die Schuld trägt die Besitzerfamilie. Zuoberst Baron Henri Hottinger, darunter seine beiden Söhne Rodolphe und Frédéric.
Lange sassen die drei mit Paul Hottinger, dem Bruder des Barons, im gleichen Boot. Sie besassen die Privatbank, die auf die Hugenotten zurückgeht, als unlimitiert haftende Partner.
2005 kam’s zum Krach. Baron Henri und seine eigene Brut schmissen Paul, den Bruder respektive Onkel, aus der Bank – per Scheck.
3 Jahre lang hielt die Dreier-Seilschaft. Dann brach erneut Zwist aus.
Diesmal zwischen den beiden Brüdern. Frédéric, der Jüngere und weniger Begabte, und Rodolphe, der Ältere und Intelligentere, waren sich zunehmend uneinig.
„Es ging um Details“, sagt ein Kenner der Hottinger-Bank die ihren Sitz nahe des Zürcher Löwenplatzes hatte. „Aber das war nur die Oberfläche. Darunter spielte sich ein Machtkampf ab.“
Wer übernimmt das Kommando, wenn Baron Henri, der Vater der beiden Banquiers, dereinst den Stab abgeben würde?
Rodolphe der Ältere drängte auf eine rasche Zäsur. Er bot dem Vater und Patron die Stirn bei Fragen, wohin die Bank, die damals ein paar Milliarden Kundengelder betreute, sich entwickeln sollte.
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Baron Henri, ein Patriarch alter französischer Schule, mit weitem Immobilienbesitz und Ländereien in der Schweiz und in Frankreich, kam der Aufstand seines Erstgeborenen in den falschen Hals.
Er machte seinen Jüngeren, Frédéric, zum alleinigen Boss. Der Baron und sein Lieblingssohn schmissen Rodolphe, der etwas von Banking verstand, aus dem Haus.
Frédéric war nun home alone. Sein Onkel Paul war schon lange draussen, nun fehlte auch sein Bruder Rodolphe.
Frédérics Macht hing von der Gunst des Vaters ab. Der wurde älter – und nicht unbedingt weiser.
Vielmehr entpuppte sich Baron Henri Hottinger als verbissener Machtmensch, der nicht loslassen konnte.
Sein absoluter Führungsanspruch und seine unbändige Streitlust gingen soweit, dass er sich mit der Finanzaufsicht Finma in Bern überwarf.
Diese zeigte sich verblüfft, wie sehr eine Familie ihr eigenes Institut Richtung Abgrund steuern konnte.
Weil die Behörde die Verantwortung trägt, dass kein unkontrollierter Absturz den Finanzplatz erschüttert, drängte sie auf eine Lösung.
Diese sah vor, dass die Hottinger-Bank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt würde, mit einem Präsidenten von aussen.
Das geschah dann. Aber nur der Form nach.
Die Hottinger-Privatbank wurde eine AG, ein Management mit neuen Leute entwickelte eine Strategie.
Auf Druck der Finma wurde die Hottinger-Gruppe zweigeteilt. Hier das Zürcher Stammhaus mit einer Genfer Tochter, 2 Vermögensverwaltern in Sion und Basel und einem in New York.
Da der Rest in Luxemburg, London und in der Karibik – alles Ableger, welche die Finma weg von ihrer Verantwortung haben wollte.
Soweit, so gut. Nach dem rechtlichen Umbau ging’s um eine Vorwärtsstrategie. Ein Plan des Hottinger-Managements sah vor, sich an die Luganeser Bank Cramer zu verkaufen.
2012 endete das Projekt in Scherben. Nach monatelanger Prüfung winkte die Cramer-Bank ab.
Die Egos hatten nicht zusammengefunden. Baron Hottinger und sein Sohn Frédéric hätten im neuen Konstrukt nur noch die zweite Geige gespielt.
Wer sind wir denn?, sagten sich die edlen Banquiers. Also zurück auf Feld eins, was bedeutete: Alleingang.
Das Hottinger-Management tat, was es konnte. Es lagerte alles aus, was nicht zum Kerngeschäft gehörte: IT, Prozesse, Zahlungsverkehr gingen an die Genfer Lombard Odier.
Zurück blieb das Frontgeschäft mit den Kundenberatern. Und einem Millionen-Abschreiber.
Hottinger hatte Jahre zuvor von der Standardsoftware Avaloq zu Olympic gewechselt – und zwar auf „NexT“. Jahre später lagerte Hottinger ihre IT und Abwicklung zu Lombard Odier aus.
Der Alleingang brachte nicht den gewünschten Erfolg. 2013 zeigte das Management dem Baron und seinem jüngeren Sohn zwei Wege auf.
Entweder die Familie würde nochmals 10 bis 20 Millionen in die Bank investieren, damit Hottinger bei der Konsolidierung mitmischen könne.
Oder die Bank hatte keine Zukunft und müsste verkauft werden. Die schrumpfenden Kundenassets würden die Kosten schlicht nicht mehr decken.
Baron Henri und Sohn Frédéric als Statthalter konnten sich nicht entscheiden.
Der letzte Moment für ein Scheitern in Ehren wurde verpasst. Das Management lief davon, der US-Rechtsstreit machte eine einstellige Millionen-Rückstellung nötig.
Hottinger teilte sich zunächst in die Schuldkategorie 2 ein, dann wechselte die Bank kurzerhand in „Kategorie 5“; die Gruppe jener Banken, die gar keine Einigung mit den USA will.
Ein Schlingerkurs, der einen bei der US-Justiz erst recht verdächtig macht.
Der US-Streit für sich allein bedeutete laut der Quelle keine existenzielle Gefahr. Doch er führte dazu, dass Baron Henri und Sohn Frédéric genug von ihrer Schweizer Privatbank hatten.
Sie mochten die Banque Hottinger nicht mehr leiten. Da kam es zur Machtumkehr.
Vater Henri und Sohn Frédéric gaben ihre Mehrheit ab, es übernahmen der 2005 rausgeschmissene Henri-Bruder Paul und die Söhne der beiden Schwestern von Henri und Paul.
2014 schossen Paul und seine Neffen 7 Millionen frisches Kapital in die Bank Hottinger ein, davon eine Million von Paul.
Die unübersichtliche Lage verunsicherte die Kunden. Diese zogen mehr und mehr Vermögen ab. Die Ertragsbasis schmolz.
Die Lage wurde kritisch. Monatlich konnten die Hottingers zusehen, wie ihre Bank Verluste machte.
Hinzu kamen zwei Betrugsfälle, einen in Genf, einen in Lugano. Die hintergangenen Kunden gingen in beiden Fällen auf die Bank los.
Schliesslich schritt die Finma ein. Sie liess sich wöchentlich den Wasserstand melden.
10 Millionen Eigenkapital musste die Banque Hottinger auf sicher haben. Bei Unterschreitung wäre Schluss, gab die Aufsicht den Tarif durch.
Anfang Oktober zeichnete sich das Ende ab. „Von da an konnte man täglich mit dem Konkurs rechnen“, sagt die Quelle.
Am Montag war Schluss. Die Finma verfügte den Konkurs und setzte zwei Verwalter ein, darunter Karl Wüthrich, der die Swissair abwickelte.
Unter den Hottinger-Kunden stach der Sohn eines afrikanischen Spitzenpolitikers hervor. Das Geld sei stets sauber gewesen, meint der Insider.
Ob durch den Konkurs viele Kunden zu Schaden kommen, ist offen. Die Bilanzsumme ist zuletzt von 400 Millionen auf noch knapp 150 Millionen geschmolzen.
Offenbar sorgten die Hottingers vor und legten die Kundengelder im Geldmarkt an. Dort sind die Vermögen sicher.
Am Desaster ändert das nichts. Die Hottinger-Sage geht als Denver-Clan vom Löwenplatz in die Geschichte ein.
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Die beliebtesten Kommentare
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Es ist eine Schande für den Bankenplatz. Hoffe, nicht allzuviele Kunden verlieren ihr Geld.
Und zum Titel „Nobelbank“: Mehr Schein als sein, es ist nicht alles Gold, was glänzt.
Hoffe, die Mitarbeiter finden bald Jobs. -
Banken in der Schweiz pleite gehen zu lassen, ist ganz ganz schlecht für den Finanzplatz und die Schweiz. Angeblich ist die Schweiz ja so stabil, zuverlässig, mit hoher Qualität. Das dürfte für die Kunden der Hottinger alles nicht gelten. Gehen weitere Banken in der Schweiz pleite, könnt ihr den Finanplatz Schweiz bei ausländischen Kunden gerade vergessen.
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Danke für die ausgezeichnete Recherche Herr Hässig. Echtes Insiderwissen eben.
Habe schon befürchtet, dass auch die enormen Anwaltskosten der diversen „Rechtsfälle“ der Bank das Genick brachen!
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So einfach geht das, in Konkurs gehen und dann mit dem vorher sichergestelltem Geld das Leben geniessen. Ich hoffe, dass die FINMA allenfalls Regress auf die (früheren) Besitzer nimmt. Der Schaden für den Finanzplatz Schweiz ist nicht zu unterschätzen. Bin gespannt, in welche Konkursklasse im Kollokationsplan Guthaben der amerikanischen Steuerbehörde gelangen.
So einfach geht das, in Konkurs gehen und dann mit dem vorher sichergestelltem Geld das Leben geniessen. Ich hoffe, dass…
Danke für die ausgezeichnete Recherche Herr Hässig. Echtes Insiderwissen eben. Habe schon befürchtet, dass auch die enormen Anwaltskosten der diversen…
Banken in der Schweiz pleite gehen zu lassen, ist ganz ganz schlecht für den Finanzplatz und die Schweiz. Angeblich ist…