Ich gebe es zu: Der Titel ist etwas irreführend, zumindest auf den ersten Blick. Die Gewerkschafter haben die Private Banker wohl kaum als neues Mitgliedersegment im Visier. Ganz an den Haaren herbeigezogen ist die Überlegung dann aber doch nicht, denn auch in dieser Branche ist in Sachen Geschäfts- und somit Arbeitszeiten vieles im Umbruch. Eine aktuelle Umfrage bestätigt auch in Anlagefragen ein stark wachsendes Bedürfnis nach längeren „Ladenöffnungszeiten“. Und noch etwas wird deutlich: Beim Private Banking klaffen Anspruch und Wirklichkeit gravierend auseinander.
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Anlässlich meiner Masterarbeit mit dem Titel „Das Schweizer Private Banking der Zukunft“ habe ich aufgezeigt, dass das Private Banking stürmische Zeiten erlebt. Die Gesetzgeber schnüren das Regel-Korsett immer enger. Kunden wünschen sich eine individuelle, umfassende Beratung und wollen dafür immer weniger zahlen. Die Margen schmelzen wie der Restschnee in der Maisonne. Schwierige Zeiten für das Private Banking. Ich habe deshalb einmal nachgefragt. Bei fast 400 Kunden und den Beratern ihres Vertrauens, sprich bei Banken und unabhängigen Vermögensverwaltern. Das Ergebnis hat mich vor allem in seiner Deutlichkeit überrascht: Viele Kunden sind unzufrieden. Und ihre Berater verstehen das nicht.
Kundenorientierung und Fachkompetenz: Note ungenügend.
In den TV-Spots werden mir gerne schöne und zufriedene Menschen mittleren Alters mit allen Insignien des finanziellen Erfolgs von A wie Auto bis V wie Villa vorgeführt, die ihr Geld in guten Händen wissen. Doch die Realität ist weniger Hochglanz, viel eher ein heruntergekommener Vorort. Jeder dritte Kunde ist unzufrieden mit der Kundenorientierung seines Beraters und zweifelt an dessen Fachkompetenz.
Bei der Einschätzung der Fachkompetenz sind sogar fast die Hälfte aller Befragten unglücklich. Das steht in einem krassen Gegensatz zum Eigenbild der Berater. Diese sehen sich fast zu 100 Prozent als fachkompetent.
Ein Selbstverständnis, das kaum etwas mit der Realität zu tun hat, zeigt sich auch bei der Kundenorientierung. Jeder Dritte fühlt sich bei seinem aktuellen Vermögensverwalter oder Banker nicht gut genug aufgehoben und wünscht sich ein besseres, persönlicheres Eingehen auf seine Bedürfnisse. Fast schon selbstredend, dass die Berater selber hingegen, wie auch deren Führungskräfte, ihre Kompetenz auch in diesem Bereich hoch einschätzen.
Von den Rockstars im Web-Business lernen.
Das Internet bringt den traditionellen Einzelhandel arg in Bedrängnis. Die Rockstars der Branche verknüpfen die Vorteile des Web 2.0 (24 Stunden Verfügbarkeit, Einkauf wo und wann man möchte) immer mehr mit den Vorteilen des stationären Handels und bieten zum Beispiel eine persönliche, individuelle online-Beratung, kombiniert mit dem persönlichen Erlebnis im Shop, an. Von dieser Entwicklung kann auch das Private Banking lernen, wie ich finde. Denn die Kundenbedürfnisse sind ähnlich, ja vielleicht sogar identisch.
Meine Umfrage zeigt klar, dass auch die Kunden von Private Banking Wert auf eine persönliche Beratung legen. Diese wollen sie dann in Anspruch nehmen, wenn sie Zeit dafür haben. Und selbstverständlich wollen immer mehr Menschen auch bei Finanzfragen nicht auf die für sie gewohnten Kommunikationsmittel verzichten. Wie in einigen online-Shops auch agiert somit der Private Banker der Zukunft als eine Art persönlicher Stylist, der für den Kunden markenunabhängig die richtigen Dienstleistungen und Produkte zusammenstellt. Was fehlt, wird organisiert und nachbestellt. Dabei greift der persönliche Stylist für den Kunden unbemerkt im Hintergrund auf ein ganzes Netzwerk an Fachspezialisten zurück.
Aus Erfahrung weiss ich, dass der persönliche Kontakt, die Beratung Face-to-Face, in Zukunft noch wichtiger wird. Doch das allein reicht nicht, die Qualität des Kontakts ist entscheidend. Private Banking wird mehr und mehr zur Einstellungssache. Die Bedürfnisse der Kunden rücken dabei konsequent in den Mittelpunkt. Das Private Banking entwickelt sich zur 7 x 24 Stunden Finanzboutique mit einem zeitgemässen Medienmix in der Kommunikation. Entscheidender Faktor wird die spürbare Leidenschaft des Beraters oder der Beraterin – das „Brennen“ für hochwertige und umfassende Beratung, der unbedingte Willen, die Kundenbedürfnisse zu erkennen und massgeschneidert zu erfüllen.
Erfolgreiche online-Boutiquen wie Zalando oder Outfittery verfolgen eine klare Strategie. Und auch im Private Banking wird langfristig Erfolg haben, wer die strategischen Hausaufgaben gemacht hat. Im Private Banking heisst das, sich auf einzelne Länder und Kundengruppen zu fokussieren und dort Dienstleistungen mit einer hohen Individualität und Beratungsqualität anzubieten. Netzwerke spielen bei dieser Strategie eine entscheidende Rolle. Darin zählen das Wissen, das Können und der Beitrag jedes Einzelnen unabhängig von seiner hierarchischen Stellung oder der Zugehörigkeit zum Unternehmen. Was einzig zählt, ist das Know-how.
Der Private Banking-Boutique gehört die Zukunft.
Ich bin mir sicher: Das Private Banking der Zukunft wird ähnlich einer Boutique funktionieren. Es überzeugt die Kunden mit einem umfassenden Dienstleistungsangebot, mit fachlich erstklassiger Beratung und einer spürbaren Leidenschaft für richtig gute, individuelle Lösungen. Die „Ladenöffnungszeiten“ und die Art und Weise, wie Dienstleistungen genutzt werden, passen sich bei Private Banking Boutiquen wie beispielsweise der unseren den Kommunikationsgewohnheiten der Zielgruppen an. Kundenberater werden gewissermassen zu „Stylisten“, die aus Berufung individuell beraten und Türöffner für ein ganzes Netzwerk hoch spezialisierter Fachexperten sind.
Die Studie Kundenzufriedenheit im Private Banking mit Befragung bei rund 400 Kunden und Anbietern finden Sie zusammen mit vielen Grafiken im Downloadbereich auf www.das-schweizer-private-banking-der-zukunft.ch.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Früher durfte man sich noch Anlageberater nennen und man hatte wirkliche noch eine beratene Funktion, abgestimmt auf jeden einzelnen Kunden. Doch das ist schon längst passé. Die heutigen „Berater“ sind reine Verkäufer. Ihnen wird genau vorgegeben, was sie zu verkaufen haben, eigene Ideen oder Vorschläge sind nicht erwünscht. Den Kunden werden nur noch Fonds und derivate Produkte angedreht, schliesslich müssen diese täglich! neu konzipierten Emission plaziert werden. Und wehe, sie erreichen die Jahresziele nicht , dann gibt’s einen schwarzen Tolken in der Quali und der Bonus wird gekürzt. Welcher Berater verzichtet schon auf den Bonus? Leider lassen sich immer noch viel zu viele Kunden von den Banken an der Nase herumführen. Die heutigen Berater muss ich aber in Schutz nehmen, sie haben gar keine andere Wahl.
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Angebot und Nachfrage bestimmen dir Zukunft. Einige Anbieter werden die Bedürfnisse ihrer Kunden erkennen und sich danach richten…, andere nicht! Für die zweite Gruppe sehe ich keine rosige Zukunft. Es ist ebenfalls zu erwähnen dass bei weiten nicht jeder Kunde in der Lage, oder gewillt, ist auf eine persönliche Beratung zu verzichten (siehe Beispiel „Glatz“).
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Gut, dass der Verfasser einen „Stylisten“ als Vergleichswert zum Private-Banking heranzieht. Genau wie beim Coiffeur kenne ich die „Ladenöffnungszeiten“ dieser Dienstleistungsbetriebe und richte mich danach. Ich muss ja auch nicht jeden Tag und womöglich noch mitten in der Nacht eine neue Frisur verpasst bekommen. Genau gleich kann im Private Banking durchaus mit seriösen Strategen gearbeitet werden, welche nicht stündlich oder täglich „überprüft“ werden müssen. Für den geneigten Trader, welcher seine 5’000 Franken siebenmal in der Woche reallozieren will, gibt es genügend und günstige On-Line Portale; da braucht es wahrlich keine spezielle Beratung von qualifizierten und teuren Private Bankern (wie gut oder schlecht die auch sein mögen)!
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Das beste Analyseinstrument für Private Banking ist das Internetarchiv „Waybackmachine“ (klick mich).
Sehen Sie sich speziell die historischen Publikationen Ihrer bevorzugten Privatbank zu Zeiten der großen Wendepunkte in den Märkten an: 2000, 2003, 2007, 2009, 2011 und 2015:
Danach tut es meist auch ein Online – Broker, der in der Regel auch an 7 Tagen in der Woche erreichbar ist.
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Das ist genau ein Punkt, wo die Banken endlich mal ansetzen müssten. Da fragen Bankfilialleiter pot. neue Mitarbeiter, was sie denn tun würden, um die Bank interessanter für die Kunden zu machen. Schlägt man dann längere Oeffnungszeiten vor, damit der norm. arbeitende Kunde mal Zeit hat auf die Bank zu kommen, so wird der Stellenbewerber abgeputzt. Ich hatte extra auf einer Bank in meiner Wohngemeinde eine Kontobeziehung begonnen, weil die Bank auch am Samstag Vormittag geöffnet war. Das ist mittlerweile auch Geschichte, die Bank schrieb, dass dafür kein Interesse bestehe. Wenn ich aber auf die Bank wollte, als sie noch geöffnet hatte, so musste ich im Schnitt 30 Minuten waren, bis alle Kunden vor mir bedient waren.
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„Beraten“ im Rahmen von Private Banking = Produkte verkaufen
Und das nun 7 Tage die Woche á 24 Stunden?
Die Hoffnung stirbt wohl zuletzt?
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„Besonders seit der Finanzkrise wächst die Zahl der Haftungsverfahren gegen Initiatoren, Banken, Berater und Vermittler.
Im Kapitalanlagerecht möchten wir deshalb unsere Mandanten bei der gerichtlichen sowie außergerichtlichen Abwehr von Haftungs- und Schadensersatzansprüchen aus Produkt- sowie Berater- und/oder Vermittlerhaftung begleiten.
Um Interessenkonflikte zu vermeiden, stehen wir grundsätzlich auf der Seite der Finanzdienstleister, Berater, Vermittler sowie Emittenten und Initiatoren.“
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