Der hektische Kunstmarkt ist durch den Corona-Virus abrupt zum Stehen gekommen. Wie in Las Vegas heisst es im Moment auf dem zeitgenössischen Kunstmarkt „Rien ne va plus“.
Das 2020 wird als Annus horribilis in die Annalen des Kunsthandels eingehen. Laut Umfrage unter 168 Galerien der amerikanischen Galeristenvereinigung (ADAA) rechnen die Mitglieder fürs 2. Quartal mit einer Umsatzeinbusse von 73 Prozent.
Es geht bei vielen Galerien um Sein oder Nichtsein. Die herausgeforderte Branche wird dabei angeführt von einem müden und ideenlosen Champion.
Und zwar der unbestrittenen Nummer 1 des Kunstgeschehens, dem Amerikaner Larry Gagosian. Der hat sich auf seinen Landsitz in den Hamptons zurückgezogen. Dort sitzt er den Lockdown von New York aus.
17 Galerien auf der Welt betreibt Gogasian. 15 Jahre lang war er im von der Zeitschrift „Art Review“ ermittelten Ranking in der Topten-Liste der einflussreichsten Personen vertreten.
Im letzten Jahr kam er nur auf den 27 Platz. Man bekommt den Eindruck, dass Gagosian seinen Enthusiasmus und seinen Biss für die Kunst zu verlieren beginnt.
Seine Reaktion auf die Schliessung der Galerien und der Museen durch den Corona-Virus fiel denn auch wenig überzeugend aus. Ganz im Gegensatz zur Galerie Hauser&Wirth, die mit einer bemerkenswerten Online-Präsenz und einer digitalen Verkaufsplattform auftrumpfte.
10 Prozent der Erlöse sollen der WHO zur Verfügung gestellt werden. Damit zeigt die Galerie psychologisches Geschick und ein soziales Gewissen in unliebsamen Zeiten.
Im Ranking von „Art Review“ kommt Hauser&Wirth auf Platz 3. Auf dem 5. Platz liegt der unmittelbare Widersacher David Zwirner, ein deutsch-amerikanischer Galerist.
Diese beiden Galerien werden Larry Gagosian beerben wollen. Wann? Vielleicht in 5 Jahren, wenn Gagosian seinen achtzigsten Geburtstag feiern kann.
Gagosian ist noch heute beim Volumen mit weitem Abstand in Front. Seine Verkäufe beziffert man mit rund einer Milliarde US-Dollar. Das Doppelte, was Zwirner umsetzt.
Der aus Oberuzwil in der Ostschweiz stammende Iwan Wirth wird ähnlich eingestuft. Aber die beiden Youngster holen auf und haben die besseren Ideen und den grösseren Schwung beim Handeln. Ein Kopf an Kopf-Rennen.
Sowohl Wirth als auch Zwirner fehlt es nicht an Ehrgeiz, Geld, Macht, Härte und Geschick, Larry Gagosian als zukünftiger Champion der Megadealers zu beerben. Es wird ein Hauen und Stechen zwischen Zwirner und Iwan Wirth geben.
Sie kennen sich als ehemalige Geschäftspartner zu gut. Auch ihre Schwächen. Iwan Wirth hat das bessere, weil breiter abgestützte Geschäftsmodell und die höhere soziale Intelligenz als David Zwirner.
Man kann deshalb davon ausgehen, dass die Galerie Hauser&Wirth den Thron des Champions der Megagaleristen tatsächlich besteigen wird.
Niemand weiss,wie lange die Corona-Krise dauert und wann eine gewisse Normalität im Kunstmarkt einkehren wird. Dieser steht vor einem Härtetest, wie es ihn in dieser Form noch nie gab.
Die grossen Häuser wie Sotheby’s und Christie’s sowie die breit aufgestellten Topgalerien mit Dependancen in den USA, Grossbritannien und Hongkong müssen sich auf neue Formen der Präsentation und des Verkaufes einstellen.
Virtuelle Räume mit „Online viewing rooms“ und digitale Verkaufsplattformen werden vermehrt Einzug in den Kunstmarkt halten. Obwohl diese Verkaufsformen noch in den Kinderschuhen stecken, werden sie in Zukunft das Geschehen mitbestimmen.
Der Druck kommt auch von der Käuferseite her. Die Kunstsammler sind heute viel jünger als früher und mit dem Internet aufgewachsen. Sie haben keine Schwierigkeiten mit der Technologie.
Der Kunsthandel hat in diesen Sinne eines grossen Nachholbedarf und einen entsprechenden Lernprozess vor sich.
Für den Kunsthandel bringen die Internetauftritte geringere Fixkosten und grössere Reichweiten mit sich. Der Handel ist unabhängiger vom Besuch der Klienten. Mit der neuen Technologie kommt der Handel zum Kunden und nicht umgekehrt.
Das horrende Preisniveau in der modernen Kunst wird sich, wenn überhaupt, höchstens im äusserst kleinen Topsegment mit Ach und Krach halten können. Neue „Weltrekorde“ im Preisniveau bei den Kunststars wie beispielsweise Jeff Koons ähneln in Zukunft einer Fata Morgana.
Eine Abkühlung des Marktes hat schon letztes Jahr stattgefunden. Sotheby’s verzeichnete 2019 einen Umsatzrückgang auf noch 4,8 Milliarden Dollar, von 5,3 Milliarden im 2018.
Bei Christie’s ging es von 7 Milliarden Dollar auf 5 Millarden runter.
Der wichtige chinesische Markt büsste laut Onlinedienst Artprice.com rund 9 Prozent ein. Der gesamte Umsatz im internationalen Kunstmarkt belief sich im letzten Jahr auf rund 57 Milliarden Dollar.
Von der Käuferseite her gibt es gleichfalls eine schonungslose Selektion. Die Zahl der Klienten, die willens sind, für ein Kunstwerk gewissermassen jeden Preis zu bezahlen, wird deutlich schrumpfen.
Die Galeristen werden markant mehr gefordert sein. Wer sich den veränderten Rahmenbedingungen nicht schnell und flexibel genug anpassen wird, kommt unter die Räder.
Gewinnen wird des Rennen im Topsegment, wer dem Klienten den richtigen Stallgeruch vermitteln kann. Dazu gehört das auf Lifestyle getrimmte Produkt von Hauser&Wirth.
Eine Rundumbetreuung wie im distinguierten Private Banking bei Highend-Klienten: Das ist Hauser&Wirth, die mit ihren 9 Galerien einen Lebensstil mit Charme und Klasse offerieren.
Verbunden mit Internationalität und Grosszügigkeit. Der Kernbereich im Somerset eingerahmt in eine bukolisch verträumte Szenerie. Iwan Wirth ist heute nicht nur Galerist, sondern vor allem auch Gastgeber.
Sein Hotel „The Fife Arms“ wurde von der „Sunday Times“ zum Hotel des Jahres gewählt. Königin Elizabeth II. schaute dort auch schon vorbei.
Sodann besitzt Iwan Wirth eine schnelle Auffassungsgabe und eine ansteckende Freude am Handel. Er ist ein unerschrockener, geduldiger Verkäufertyp mit der richtigen Dosis an Schlitzohrigkeit und an unbedingter Entschlossenheit.
Die ganz grossen Abschlüsse werden weiterhin nicht über das Internet getätigt, sondern über den persönlichen Kontakt und das begleitende Betreuungspaket.
Das von Hauser&Wirth offerierte Lifestyle-Produkt erhöht die Bindung zum Klienten und vergrössert die Abschlussquote. Als Lohn winkt der Thron der Nummer 1 der Galeristen. Prost.
Das Magazin vom Tages-Anzeiger publizierte kürzlich eine lange Story zu Iwan Wirth und dessen Aufstieg, siehe „Der Kunstfarmer“.
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Wenn man schon so einen so langen „Bericht“ (oder wie man das nennen soll was das ist) schreibt über Hauser & Wirth, wäre z. B. die Person Ursula Hauser-Fust erwähnenswert gewesen.
Die damalige Teilhaberin an Fust, bevor die Firma an Coop ging und die so die Sammlung begründete:
https://www.tagblatt.ch/nachrichten/kultur/Die-Sammlerin-Ursula-Hauser-kehrt-zurueck;art41,2891912Und vieles andere wie etwa die Person Friedrich Christian Flick.
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So, nun ist die Stunde gekommen, sich tiefschürfende Gedanken über Kunst zu machen. Vor Corona hat man sich ja auch schon mindestens 5 Minuten mit Bildender Kunst auseinander gesetzt.
Nun zu zeigen, dass man sich mit Kunst und Kunstblasen auskennt.
Dass man schon immer gewusst hat, dass van Gogh sich ein Ohr abgeschnitten aber gute Kunst gemacht hat.
Dass Jeff Koons kein Fussballspieler ist und keine Ahnung von Kunst hat.
So einfach ist das, und übers Geldwaschen ist man auch noch bestens im Bild. Nur schon das Schwarze Quadrat von Malewitsch zeigt doch, mit welchem Geld dieses Bild seinerzeit erstanden wurde… -
Also ich kann an Iwan Wirth nur Gutes finden. Immerhin hat er mich reich gemacht.
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Ob die beworbene Galerie auf diese Art Kunden bekommt?
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Na ja dieses kleine Corona-Zwischentief im Kunstmarkt wird sicher bald wieder aufgefüllt mit den Billionen, mit denen die Zentralbanken aktuell die Märkte fluten.
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Wenn die Aktienmärkte ausgelutscht sind, die Immopreise auch zu hoch, dann wird halt wieder in Sammlergegenstände und Kunst investiert, auch wenn die Preise völlig irreal sind, wenn die Superreichen nicht mehr wissen wohin mit dem Geld, dann kauft man sich halt auch mal so ein überdimensionierten Metallkarnückel von Koons für 100 Kisten oder noch ein paar Stufen höher den „Salvator Mundi“ – den Erlöser der Welt (gerade in Corona Zeiten ein beliebtes Sujet) für schlappe 450 Mio – man gönnt sich ja sonst nix.
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Irgendwo muss die viele Kohle der wenigen ja investiert werden – wieso nicht in Oil on Canvas. -
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Lieber Herr Rolf Neff,
In der Kunst geht es heute darum aufzufallen, Intellekt über Gefühl und Intuition zu stellen sowie sich ausdrücklich über das Empfinden normaler Menschen zu erheben.
Darüber, wie das System zu überwinden wäre, lohnt es sich auszutauschen. Alles Gefasel im bestehenden Kontext, wie Kunstpreise, Goldpreise und Börsenkurse, binden nur die Aufmerksamkeit und lenken ab vom dem Wandel, der unebdingt nötig ist. Solange ein Großteil der Bevölkerung durch Transferzahlungen ruhig gehalten oder noch reicher gemacht wird, kann es keine geordnete Veränderung und das Anwachsen einer kritischen Masse geben. Wer versteht, dass sich das aktuelle System in Abwicklung befindet und bereit ist den Blick nach vorne zu richten, wird auch den zunehmend totalitär agierenden Staat in Verteidigung der Deutungshoheit verstehen, ansonsten bestünde bereits jetzt Chaos auf den Strassen.
Herzlich -
Netter Gefälligkeitsbeitrag. Man sollte besser mal die Steuerpraktiken von Iwan Wirth untersuchen mit seinen Trusts in Guernsey und Konten bei gewissen Schweizer Privatbanken. In diesem Business sind die Geldflüsse immer noch völlig intransparent. Auch dank freundlicher Mitwirkung von CH und FL Anwälten u. Treuhändern.
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etwas wirr: was ist mit Ranking no. 2 und 4….die wären wohl nicht dort wenn sie zu vernachlässigen sind ? Und … eine ‚Abkühlung‘ bezw. Umsatz!rückgang signalisiert nicht zwingend Wertverlust.
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Drei Anmerkungen zu einem Artikel, der einem möglicherweise etwas ratlos zurück lässt:
Das Volumen im Kunsthandel, das zu Waschaktionen genutzt wird, ist beträchtlich.
WHO-Spendenaktionen sind eine peinliche Anbiederung an einen verfehlten Zeitgeist – etwas das wirkliche Unternehmer, die sich Kunst leisten könnten, eher abschreckt.
Wirtschaftskonsulenten (das steht so da) nannten sich früher dubiose Einzelne, die Vermögen fragwürdiger Herkunft an Banken in der Schweiz, Dubai, oder wo es halt angenommen wird, vermittelten. -
die kunst des seins…oder die kapitala der unkunst
ist kunst ohne künstliches geld überhaupt möglich,
oder beruht dieses nür auf künstlicher marketingpolemik.die kunst besteht in der kunst des künstlich gekünstelten
wortkunst sexkunst lifeart artgerecht ausarten…….÷ +/- blütenzauber -
Was geschah eigentlich mit der Kunst der Präraffaeliten, die in ihrer Entstehungszeit, die sich ab 1840 als die zukunftsweisende Richtung einer neuen und genialen Kunst verstanden und auch die akademische Malerei ihrer Zeit ablehnten. Die bekannten britischen Präraffaeliten wurden damals in einer weit höheren Preisklasse gehandelt als die aufkommenden Impressionisten von Paris. Was kostet heute ein Renoir und was kostet einer der berühmtesten Präraffaeliten wie Millais. Eine riesige Preisdifferenz zwischen den beiden. Beim Kauf lebender Künstler ist das Risiko eines Totalausfalls besonders riesig. Der gleiche Künstler, der heute mit höchsten Preisen bis zu einer Million US$ gehandelt wird, kann in 50 Jahren nur ein paar Tausend Dollar wert sein. Der Kauf von heutiger Kunst ist ein Roulette. Er hängt ab von der Konjunktur und noch mehr von der Mode. Bei allseits anerkannter und beliebter Künstler der Vergangenheit wird Preis von Konjunktur bestimmt und viel weniger von der Mode.
Wenn in der Rezession die heutige Kunst auch in den Preisen stabiler sein will, braucht sie staatliche Aufträge. Ein gutes Beispiel für die Förderung der Kunst durch den Staat ist die „Works Progress Administration“ von Franklin Roosevelt in den 30er Jahren. Als schlechtes Beispiel gilt die Nazi-Zeit, wo Künstler der Blut-Boden Kunst extrem gefördert wurden, deren Werke in vielem nur noch als Brennmaterial von Wert sind. Auch die klügsten und hervorragendsten privaten Galeristen können sich der Konjunktur und der Mode nicht entziehen, was auch für ein Genie wie Bruno Cassirer galt. -
Kunst und Antiquitäten konnten bisher auch fiskaltechnisch sehr interessant sein. Gehandelt wird zu Liebhaberpreisen, die kaum definierbar sind. Viel Schwarzgeld ist geflossen und die Zollfreilager lassen grüssen. Das ist nun auch vorbei, die Steuerbehörden und Regulatoren gehen zum Teil massiv auf den Kunsthandel und die Sammler los.
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Jeder handelt mit den Trophäenstücken und Artefakten seiner Zeit:
https://de.wikipedia.org/wiki/Jacques_Goudstikker
https://de.wikipedia.org/wiki/Bruno_Lohse
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Ist eine Spende an eine korrupte Organisation wie die WHO wirklich eine gute Marketing-Idee? Wahrscheinlich kommt es auf die Geisteshaltung der Kunden an.
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WHO korrupt?
Das ist nur der Vorname!
Schlafstube,innkompetent,verantwortungslos der Nachname!
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Der „Kunstmarkt“ ist schon längst zum Geldwäschermarkt verkommen. Alles andere ist billige Ablenke.
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Der Kunstmarkt ist die grösste Blase, die geschaffen wurde; da verblassen alle anderen Märkte. Die Investoren dürfen sich erfreuen einer aufgeblasenen Clique ein schönes Leben bereitet zu haben, verkaufen können sie Ihre „Schätzchen“, wenn überhaupt, nur noch zu Bruchteilen des Einstandspreises.
Die Mär von der „Asset Class“ ist mit den Geschichten der Gebrüder Grimm gleichzusetzen. -
Inhaltlich 1:1 kopiert aus dem Artikel aus Das Magazin von vor ca 2 Wochen…ist das Journalismus???
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@ tom raber
der reale journalismus ist mit dem goldstandart gestorben….
den westlichen zivilisationen wird nur noch von zwei agenturen die welt erklärt, der rest is ‚local manufacturing‘ im namen des nato atlantischen und federalistischen auges. unser riese ringier ist hier nur ein mitteloser zwerg und gehört dem us. ’springer’stiefel an.reuters und associated press sind unsere welt und gedanken fenster; der rest ist fake, aluhut, verschwörung.
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Ich finde IP sehr gut aber mit den Autoren Geiger, Stöhlker, Zeyer und jetzt Neff hat er eine denkbar schlechte Wahl getroffen. Die sind wie Natalie Rickli, sich überall vordrängen, sinnlos plaudern ohne konkrete Leistung. Und natürlich nachtäglich hätten sie alles besser gemacht.
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Grossgalerien zusammen mit Grosssammlern im Einklang mit den bedeutendsten Kunstmuseen bestimmen was Kunst ist und wie die aussehen muss und diktieren den Preis. Globale Massenware für Superreiche die keine Ahnung haben was Kunst. Durch den Corona-Virus ist die Individualität neu entstanden. Die Kunst-Grosskaufhäuser gehören der Vergangenheit an.
Gunther Kropp, Basel -
Jetzt auch noch Advertorials Herr Haessig?
Der „Kunstmarkt“ ist schon längst zum Geldwäschermarkt verkommen. Alles andere ist billige Ablenke.
Der Kunstmarkt ist die grösste Blase, die geschaffen wurde; da verblassen alle anderen Märkte. Die Investoren dürfen sich erfreuen einer…
Ist eine Spende an eine korrupte Organisation wie die WHO wirklich eine gute Marketing-Idee? Wahrscheinlich kommt es auf die Geisteshaltung…