Die Leonteq-Spitze atmet am 15. Februar 2022 auf. Intern-Revisor EY sei Dank. „Issue Report: Investigation of allegations related to the Paris Branch“, lautet deren 17 Folien starker Bericht.
Unter „Executive Summary“ halten die EY-Untersucher das Entscheidende zuoberst fest: „For all relevant trades, no indication of money laundering or tax evasion practices was found.“
Damit ist der Fall für die Leonteq-Chefs erledigt. Wir haben alles richtig gemacht, brauchen keine Remedur, keine Massnahmen.
Wirklich? Whistleblowers im Risk und Compliance der Leonteq Paris hatten bei 11 untersuchten Transaktionen hell aufleuchtende Lampen entdeckt.
Alle 11 Deals waren über den heutigen Chef von Leonteq Middle East gelaufen, und bei allen waren intransparente Gegenparteien in der Karibik und der Schweiz involviert.
Plus: Bei allen, ausschliesslich, tauchten Strukturen mit Vehikeln auf, die typischerweise für Steuerumgehung oder sogar Geldwäscherei eingesetzt werden.
Statt diese Vorwürfe effektiv unter die Lupe zu nehmen, entliess Leonteq im Oktober 2021 einen der Whistleblower.
Dieser trifft sich in Kürze mit seiner Ex-Firma vor einem Pariser Arbeitsrichter. Im Worstcase muss ihn Leonteq wieder anstellen.
EY, die personell aufs engste verbandelt ist mit der Leonteq, hielt in ihrem Bericht von Februar 2022 immer wieder die Möglichkeit von Vergehen fest.
Bezüglich zwei Transaktionen von Frühling 2021, welche vor Monatsfrist zu einer Aufsehen erregenden Story in der Financial Times geführt hatten, hält EY als interner Revisor in seinem Management Summary beispielsweise fest, es sei
„möglich, dass (die BVI-Partnerin) die Distributions- und/oder Sub-Distributions-Vereinbarung mit Leonteq“ verletzt habe.
Doch dann folgt gleich im nächsten Satz die Entwarnung: „No evidence supporting these indications or (Middle East Team’s) involvement in the breach could be found.“
Das entdeckte Problem umgehend entschärfen – ein Vorgehen, das sich wie ein roter Faden durch den ganzen Untersuchungsbericht von EY zugunsten der Leonteq-Topetage durchzieht.
Bezüglich vier ebenfalls aufgetauchter Transaktionen von Frühsommer 2020, bei denen wiederum der heutige Chef des Middle East Teams intern bei der Leonteq federführend war, steht:
„Given the suspicious similarities in the participation of two (Leonteq) counterparties (…) a coordination between these two counterparties is possible.“
Dann wird der Verdacht, dass eine Umgehung oder gar Geldwäscherei vorliegt, noch lauter, weil wohl zwei französische Vermögensverwalter in den Vertrieb der vier Deals involviert gewesen wären, wie EY schreibt.
Die EY-Leute kommen selbst zum Schluss, dass die ganze Sache gegen Vorgaben verstossen hatte. „In this context, (die Gegenparteien) breached the distribution and/or sub-distribution agreement with (Leonteq) by sub-distributing into France.“
EY geht gleich noch einen Schritt weiter. „A collaboration of (Middle East Team) with the respective parties involved cannot be fully excluded nor evidenced.“
Der Chef des Teams habe ausgesagt, er habe mit den „two counterparties“ physische Treffen abgehalten, „but no proof thereof exists“.
Also keine Beweise, ob die Aussagen des Leonteq-Strippenziehers, der jährlich Millionen an Erträgen für seine Firma einspielt, korrekt agierte oder nicht.
Und doch schreibt EY mit keinem Wort, dass den Vorwürfen der Whistleblower gegen die Leonteq, deren Middle East-Chef und weitere Involvierte auf den Grund gegangen werden müsse.
Im Gegenteil, man lässt es einfach bei den Fragezeichen bewenden – was es der Leonteq-Führung erlaubt, auf die EY-Untersuchung zu verweisen und sich selbst als clean and proper zu gebärden.
„Es wurde kein Verstoss gegen die gesetzlichen Bestimmungen festgestellt“, betont ein Sprecher der Struki-Boutique. Schuld hätten wenn überhaupt die Partner in der Karibik oder sonstwo.
„Die Finanzintermediäre, mit denen wir zusammenarbeiten, müssen vertragliche Standards einhalten, einschliesslich der geltenden Gesetze und der Pflichten gegenüber ihren Kunden.“
„Wir kontrollieren und setzen diese Standards im Rahmen unserer Geschäftsverpflichtung durch. Stellt Leonteq einen Verstoss fest, ergreifen wir die nötigen Massnahmen, inklusive der umgehenden Einstellung der Vertriebsbeziehung.“
Umgehend die Beziehung beenden? Danach sieht es nicht aus.
Die Karibik-Firma, die bei den beiden Transaktionen von Frühling 2021 aufleuchtete, heisst Ladoga Capital mit Sitz auf den British Virgin Islands (BVI). Diese ist inzwischen liquidiert worden.
Als die Whistleblower der Ladoga im Sommer 2021 auf die Spur gekommen waren, entbrannte Leonteq-intern eine hitzige Debatte über die Frage, ob die Leonteq der Finanzfirma per Brief kritische Fragen zu den beiden Deals stellen sollte.
Warum liefen die Transaktionen über die BVI, wenn doch der Käufer der beiden Leonteq-Strukis in Lille in Frankreich zuhause ist?
Warum dieser Umweg über die Karibik? Und weshalb hat innerhalb der Leonteq der Middle East-Teamleiter die BVI-Minifirma als Gegenpartei ins Trading-System eingegeben?
Der von einem der Whistleblower vorgefertigte Brief an die Ladoga wurde nie abgeschickt. Am 5. Oktober 2021 rief ihn stattdessen ein Personalchef der Leonteq Zürich an.
You are fired, teilte er dem Franzosen mit.
Die Entlassung kontrastiert mit einer vom zuständigen Compliance-Chef der Leonteq früh geäusserten Befürchtung. Seine Angst sei, „that (die BVI-Firma) was not involved in this trade … that Dubai talked to (die französischen Gegenparteien)“.
Der gleiche Compliance-Manager wollte dann aber in seiner Aussage zuhanden des EY-Untersuchungsberichts nichts mehr von seiner einstigen Angst reden, wonach die BVI-Firma nur dem Schein nach involviert gewesen war.
„(D)ue to lack of e-mail and phone record evidence, this is speculation“, floss seine Meinung dazu in den Bericht ein. Entsprechend schreibt EY in ihrem Bericht auf Folie 17 unter „Possible Distribution Schemes in Connection with Investigated Trades“ als „Scenario 3“:
„Due to lack of e-mail and phone record evidence, this possible scenario cannot be confirmed.“
Nur: Ein einziger Anruf bei der Pariser Vermögensverwalterin i-Kapital, die zusammen mit dem Leonteq-Middle-East-Chef im Zentrum der ganzen Angelegenheit steht, würde genügen, um den oben gezeichneten Ablauf zu verifizieren oder falsifizieren.
Ein Anruf, eine Frage: Was ist Eure Rolle im ganzen Konstrukt? Weder EY noch Leonteq griff zum Hörer.
Der Fall scheint nun trotz EY- und Leonteq-Dementis Fahrt aufzunehmen. Mehrere Behörden, darunter solche in Frankreich, stellen Fragen.
Auch der Schweizer Regulator ist im Bild.
„Die FINMA äussert sich wie üblich nicht zu Einzelheiten ihrer Aufsichtstätigkeit oder möglichen Abklärungen und Verfahren“, meinte ein Sprecher auf Anfrage.
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Die beliebtesten Kommentare
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EY merkte es beim Skandal um Private Equity Holding nicht. Kein Wunder, sie hatten noch Beratungsmandate mit einem riesigen Umfang, der jenen des Revisionsmandates weit übertraf – behaupteten aber trotzdem, sie seien unabhängig. Eine blanke Lüge.
Und EY merkte es auch beim Skandal um Wirecard nicht, weil die EY-Revisoren nicht selbst prüften, sondern sich die Belege – teilweise Bildschirmdrucke statt Bankbelege – von der geprüften Gesellschaft geben liessen – völlig absurd.
Und so merken sie es auch hier bei Leonteq nicht. Sie merken es halt nie. Aber das kostet dann etwas mehr.
Ist doch egal, kräht sowieso kein Hahn danach, ob die Testate faul sind, weil die Finma alles toleriert. Man dreht sich einfach auf die andere Seite und macht weiter. Aktuell arbeiten sie sich an der Begründung ab, weshalb ein Grossaktionär der Credit Suisse, dessen oberster Chef missliebige Journalisten töten, zersägen und grillieren lässt, Gewähr für einwandfreie Geschäftsführung bietet.
Nur bei Wirecard gibt es noch etwas Aktivität, denn da läuft in Deutschland ein Strafverfahren gegen die Revisoren. Ganz phantastisch: die Revisionsunterlagen wollte EY nicht einmal der neuen Geschäftsführung von Wirecard herausgeben. Warum? Wegen des Revisionsgeheimnisses. Dieses verbiete es, so EY, Informationen über Gesellschaft und Revision an Dritte herauszugeben. EY verstieg sich zur Behauptung, das Revisionsgeheimnis gelte nicht zugunsten der revidierten Gesellschaft, sondern zugunsten des Managements, das EY mandatierte, also zugunsten der Betrüger. Huereluschtig.
Stuss? Klar, aber auch egal, denn es geht nur darum, die Verfahren endlos in die Länge zu ziehen, Verwirrung zu stiften, bei den Behörden für Personalwechsel zu sorgen und zu hoffen, dass irgendein Fehler passiert.
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Typisches Beispiel einer intransparenten Filzokratie von gleichgesinnten Abzockern.
Um es noch besser zu verschleiern und zu vertuschen, macht man’s ganz einfach länderübergreifend. Es erschwert dadurch die Zuständigkeiten der einzelnen Aufsichtsbehörden
Ich frage mich, wie lange haben diese Struki Buden noch eine Daseinsberechtigung?
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Warum stellt Leonteq keinen Prüfpfad für die Transaktionen zur Verfügung?
Warum befragt Leonteq I-Capital nicht zu ihrer Beteiligung an den Transaktionen?
Warum ergreift Leonteq keine Maßnahmen gegen seine Mitarbeiter und die fehlbaren Parteien?Warum geben Leonteq und Ernst & Young keine Informationen heraus, wenn sie nichts zu verbergen haben?
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„Warum geben Leonteq und Ernst & Young keine Informationen heraus, wenn sie nichts zu verbergen haben?“
Geschäftsgeheimnis, Gesetze, Regularien etc. zum Beispiel? Thought about your post much?
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Ihre Bemerkung ist interessant, aber es gibt eine beängstigende Lücke…
Die Untersuchung der FT liefert offensichtlich weitere Informationen und beweist, dass Leonteq entgegen seiner Behauptung nichts unternommen hat. Leonteq und Ernst & Young müssen daher lediglich zeigen, dass der Prüfpfad, den sie von den Transaktionen haben, diesen neuen Erkenntnissen standhält.
Wenn sie dies nicht tun, liegt es daran, dass sie es nicht können, d. h. sie verheimlichen die Wahrheit !!!
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Das Gesetz scheint es zuzulassen – beschämend, dass der Gesetzgeber Hintertüren einbaut, welche solches Tun billigen. Aber wundert es uns? Die Herren (und Damen) der oberen 10000 die hier am Ruder sind profitieren davon. Der kleine Mann sagt: Vetternwirtschaft – dazu benötigt man kein Studium an einer HSG (wo man solches nicht lernt, sondern obengenanntes) sondern nur Menschenverstand. Und der fehlt ab einer bestimmten Stufe der Hirnwäsche um Macht, Einfluss, und Geld.
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„Das entdeckte Problem umgehend entschärfen – ein Vorgehen, das sich wie ein roter Faden durch den ganzen Untersuchungsbericht von EY zugunsten der Leonteq-Topetage durchzieht.“
Nein, LH. Es wird sicher kein „entdecktes“ Problem entschärft. Ich nehme an, es werden Risiken gelistet und dann wird gesagt, dass man nichts finden konnte, d.h. dass das Risiko nicht eingetroffen ist. Oder? Könnten Sie den EY Bericht nochmals lesen und den Artikel aktualisieren? Danke!
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Also ich sehe gute Kunden werden sehr gut Behandelt. Alle Banken sind ja Kunden von solchen Sicherheit Firmaen. Es dibt keine neutrale Stellen wo das kontrollieren.
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Die Spannung steigt mit jedem Beitrag.
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Lukas bei all der Hetzerei, nimm Dir wenigstens die 2min um den Text nochmals durchzulesen. Dein Parade-Stück heute:
„Der Fall scheint nun Fahrt trotz EY- und Leonteq-Abschwächungen Fahrt aufzunehmen. Mehrere Behörden, darunter solche in Frankreich, stellen fragen.“
Ja Leute genau das seid ihr Luki wert. Knappe 2min um den Bullshit in die Tasten zu hauen.
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Logisches Resultat einer bezahlten Revision. Hast was Anderes erwartet???
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So läuft das eben hier mit der scheinheiligen Doppelmoral der vielgepriesenen Eigenverantwortlichkeit.
Und dies ist nur die Spitze des Eisbergs.
Warum stellt Leonteq keinen Prüfpfad für die Transaktionen zur Verfügung? Warum befragt Leonteq I-Capital nicht zu ihrer Beteiligung an den…
EY merkte es beim Skandal um Private Equity Holding nicht. Kein Wunder, sie hatten noch Beratungsmandate mit einem riesigen Umfang,…
Typisches Beispiel einer intransparenten Filzokratie von gleichgesinnten Abzockern. Um es noch besser zu verschleiern und zu vertuschen, macht man's ganz…