In Vevey steigt die Temperatur. Am Hauptsitz des Schweizer Food-Giganten Nestlé herrscht Alarmstufe Rot.
Jetzt geht es um den Kopf des Kapitäns. Paul Bulcke, Belgier, wohnhaft im idyllischen Greyerzerland, sein ganzes Berufsleben in den Reihen des wichtigsten helvetischen Konzerns:
Er torkelt.
Der Grund ist ein Torpedo-Abschuss in der heutigen Financial Times (FT). Die Bibel der Global-Manager zitiert Nestlé-Investoren, die unverhohlen Bulckes Kopf fordern.

Bulcke sei verantwortlich „for a period of instability and poor performance“, fasst die FT diese Stimmen zusammen. „Bulcke has lost the respect and the trust of investors“, meint ein gewichtiger Nestlé-Aktionär.
Gestern schloss die Aktie des Top-3-Titels an der Schweizer Börse knapp unter 73 Franken. Ende 2021 hatte der Titel einen Wert von über 127 Franken.
Er liegt in praktisch jeder Pensionskasse.
Die Investoren nehmen Bulcke, der seit 2017 Präsident der Nestlé ist und davor 9 Jahre lang als CEO am operativen Steuer stand, übel, wie er die CEO-Affäre handhabte.

Laurent Freixe, wie Bulcke ein Nestlé-Mann seit Jahrzehnten, hatte seine diversen internen Liebesaffären geleugnet. Diese waren laut Recherchen seit Anfang der 2010er Jahre ein Thema zuoberst im Konzern.
Bulcke kriegte diesen Mai Wind davon, dass Freixe eine Türkin 2023 zu seiner Direkt-Unterstellten gekürt hatte; sie war seine Geliebte.
Der Chairman liess über den internen Meldekanal „Speak up“ eingegangene Kritiken von einem internen Prüfteam untersuchen. Danach gab er Entwarnung.
Ende Juli kam die Geschichte durch eine Story an die Öffentlichkeit. In diesem Moment entglitt Bulcke die Kontrolle.

Am 1. September musste er „seinen“ Freixe unter Abgesang wüster Lieder über Bord schmeissen. Fristlos und ohne Anspruch auf die aufgeschobenen Ansprüche.
Einzigartig in der Geschichte von Nestlé.
Die Vermutung liegt nahe, dass der Präsident das ganze Ausmass der Liebesgeschichten seines CEOs bei seinen Abklärungen ab Mai nicht genau wissen wollte.
Er hatte sich erst wenige Monate zuvor gegen den damaligen CEO Mark Schneider, der 2017 von Peter Brabeck als operativen Spitzenmann installiert worden war, durchgesetzt.

Bulcke setzte Schneider, der Milliarden für Health Science aus dem Fenster geschmissen hatte, überraschend ab, nachdem die Nestlé-Aktie scharf nach unten gefallen war.“
Schnell das Steuer herumwerfen sollte der Franzose Freixe. Back to the roots, lautete das neue Schlagwort von Team Bulcke-Freixe.
Für Bulcke kam die Affäre von Freixe mit der steilen Beförderung der Marketingfrau, mit der er ein Verhältnis hatte, was intern weitherum bekannt war, zur Unzeit.
Bei dessen Kür im Spätsommer 2024 hatte Bulcke Freixes Lust am Business hervorgehoben. „Seine Wissbegier befeuert seine Leidenschaft für Innovation und für einen positiven Wandel“.
Die versteckte Passion des Altgedienten blieb unter dem Deckel.
Freixe war Bulckes Mann, obwohl die beiden nicht als besonders enge Buddys gelten. Doch in ihrer Abneigung gegen Mark Schneider wurden sie Verbündete.

Zudem weiss jeder vom anderen, was der zu verheimlichen hat. Bei Freixe waren es dessen Liebschaften mit jungen Nestlé-Frauen, bei Bulcke gibt der Cailler-Erlebnispark in dessen Nachbargemeinde im Freiburgerland zu reden.
Bulcke schaute bei Freixe weg, das scheint inzwischen klar. Noch mehr: Er liess möglicherweise zu, dass Freixe das Problem mit seiner Direktunterstellten mit einem dicken Abgangs-Scheck für die Frau löste.
Geld der Aktionäre. Den Eigentümern des Unternehmens.

Der Knall führte zu genauem Hinschauen bei den finanziellen Kennziffern. Dass diese in der ganzen Ära Bulcke, seit 2010, als er noch mitten in seiner CEO-Zeit stand, dramatisch nach unten zeigten, war nur für Insider ein Thema.
Die Verschuldung war in dieser Zeit dramatisch nach oben geschnellt, das Eigenkapital hatte sich praktisch halbiert.
Das Business stagnierte. Die Umsätze mäandrierten um 90 Milliarden Franken im Jahr.
Viele Goodwill-Milliarden peppten die Aktivseite der Bilanz auf, auf der Passivseite schlummerten 25 Milliarden stille Reserven auf die L’Oréal-Beteiligung.
Old School, vermeintlich seit den 1980ern vom Tisch. Doch bei Nestlé überlebte das Spielen mit solchen Reserven. Man hatte damit einen „Bancomaten“ zur Stelle.
Dieser half, um die Aktionäre in der Zeit von 2010 bis 2024 mit durchschnittlich 7 Milliarden Dividenden im Jahr und gigantischen Aktien-Rückkäufen über 70 Milliarden bei Laune zu halten.

Es war ein Versüssen auf Pump. Die Bankschulden gingen durch die Decke. Die Nestlé hat sich von einem unsinkbaren Tanker in eine Titanic verwandelt.
Rechnet man den Wert der L’Oréal-Beteiligung heraus, kostet die ganze Nestlé beim aktuellen Kurs 150 Milliarden. 2015 brachte das Unternehmen ohne Clichy-„Kosmetik“ 210 Milliarden auf die Börsenwaage.
Knapp 30 Prozent weniger.
Der SMI stieg in diesen 10 Jahren um gut 50 Prozent. Ohne Nestlé wäre der Schweizer Bluechips-Index noch stärker nach oben gerauscht.
Letzte Lösung der Grosskrise am Lac Léman könnte eine Aufspaltung sein: Nestle Food mit der gut laufenden Kaffee und Kindermilch, Nestlé Pet Care mit dem stabilen Tierfutter.
Der Rest, allen voran Nestlé Health mit dem Food-fremden Medizingeschäft, würde abgestossen, ebenso die Beteiligung an der französischen Kosmetik-Firma L’Oréal.
Mit den reingeholten Milliarden könnte die Nestlé dann schnell ihre schief stehende Bilanz stabilisieren.
Operation Save Nestlé – sie ist dringend, finden die Investoren, die jetzt in der FT mit Lärm Bulckes Sofort-Abtritt fordern. Einer glaubt, dies würde Wunschdenken bleiben.

Andere blasen zum Halali. Sie schiessen erstmals auch gegen den designierten Nachfolger.
Pablo Isla. Der Ex-Chef der spanischen Inditex mit der Erfolgsmarke Zara gehört seit 2018 zum obersten Gremium des Nahrungsmittels-Giganten.
Als „Vice Chairman“ und „Lead Independent Director“ war Isla neben Breixe die entscheidende Figur in der Freixe-Affäre.
Ob es Isla war, der den CEO loswerden wollte, ist nicht bekannt. Klar ist, dass der Spanier aufgrund seines langen Aufstiegs ebenfalls zur alten Garde zählt.
Einer der in der FT zitierten Kritiker legt den Finger auf diesen wunden Punkt. „The board is weak and the new chairman is part of that legacy. They need change, someone external (…) to stop this dynamic.“
Soso, auf der Passivseite schlummern also „stille Reserven auf Beteiligungen“.
Eine „stille“ Reserve auf einem Aktivvermögen entsteht zB dadurch, dass der Kurswert der Beteiligung höher ist als der ausgewiesene Buchwert; die stille Reserve schlummert also in diesem Falle auf der Aktivseite der Bilanz. Reserven auf der Passivität sind ausgewiesen und somit alles andere als „still“.
BWL, Lektion 1: Aktiven gleich Passiven
Lektion 2: wenn Aktiven stille Reserven haben, gibt es auch Reserven im ausgewiesenen Eigenkapital.
Good morning, Wadenbeisser … waren Sie früher in der Revision der CS tätig? – dort stimmte zwar Lektion 1, nur waren die Aktiven wertlos …
Bulcke zeigt ein Führungsversagen. Als Konsequenz muss er zurücktreten- auch wenn ihn das finanziell trifft. Mit seinem Millionen-Lohn darf man auch entsprechende Leistungen erwarten!
immer wieder frage ich mich:
wo sind die aktionäre??
schmeisst so einen sesselkleber
und versager einfach raus!
das selbe gilt auch für uns,
das volk, gegenüber unfähigen
politiker.
Stürzen? – Altershalber gehört DER in den Ruhestand.
Noch gibt es in Veve grosszügigste Tantiemen.
Endlich wird bei diesem Sauludi-Decker mit seiner obermiesen Performance
der Rauswurf forciert. – Kann wirklich nur noch besser werden in diesem chaotischen Saustall namens Nestle !!
Sollten Investoren Vertrauen zu ihrem CEO haben, nur weil der als Kapitän auf ihrem Schiff ist?
Ohenhin suspekt, wenn ein Linkedin-Profil „he/him“ (bzw. „she/her“) umfasst.
der aktienkurs sinkt weiter weil nestle als strategie bisher einzig „mehr werbung machen“ hat. das ist einfach zu schwach und zu wenig angesichts der tektonischen veränderungen im markt, insbesondere im tonangebenden us-markt.
Bulke war schon als CEO eine Katastrophe. Einmal mehr erweist sich die Unsitte, das ein CEO automatisch in den VR als dessen Präsident nachrückt, als verhehrend. Fehlentwicklungen werden so perpetuiert. Bereits mit Brabeck hat das Verderben seinen Lauf genommen.