Der Fall ist Hervé Falciani hoch drei. Waren es beim Datendieb der Genfer HSBC 3’000 Schwarzgeld-Kunden, die aufflogen, könnte es beim Schweizer Coutts-Ableger ein Vielfaches sein.
1’000 Kartons mit Daten beschlagnahmten deutsche Zöllner Ende Mai in Hamburg, die auf der Durchreise von der Karibik nach Genf in die dortige Coutts waren.
Ob es sich tatsächlich um einen Zufallsfund handelt, ist fraglich. Für die Coutts Schweiz spielt das keine Rolle mehr. Sie ist im Elend.
Der Ableger der königlichen Privatbank aus England wird zum Paradebeispiel eines dramatischen Niedergangs, der zum Mahnmal für alle Auslandbanken auf dem Finanzplatz zu werden droht.
Unverkäuflich, belagert, obsolet – so präsentiert sich die Lage rund um die Schweiz-Tochter der grossen Royal Bank of Scotland mit gegen 1’000 Mitarbeitern und 15 Milliarden Kundenassets.
Mit Heerscharen von externen Beratern suchten die Coutts-Chef letztes Jahr nach einem Ausweg, als sie mitten in den US-Steuerdisput gerieten. Da erkannten sie, dass es keinen Easy-way-out gibt.
Sie mussten über 100 Millionen für Rechtsfälle und anderes abbuchen, und sie warteten auf Weichenstellungen aus dem Mutterkonzern.
Doch dort waren die Schweizer Coutts-Statthalter respektive ihre schlingernde Privatbank nur noch das fünfte Rad am Wagen.
Die verstaatlichte Royal Bank of Scotland (RBS), die neben der UBS und der AIG zu den grossen Pleitefällen der Finanzkrise zählt, kappte die direkte Führungslinie zu ihrer Tochter.
Der Grund: Die RBS-Führung hatte den Heimmarkt England ins Zentrum gestellt. Alles, was nicht direkt mit Kunden und Geschäften auf der Insel zusammenhing, landete auf dem Prüfstand.
Nun könnte bald ein Entscheid fallen. Übermorgen ist die RBS-Generalversammlung in Edinburgh.
Sollte „UK first“ konsequent umgesetzt werden, dann hätte die Coutts Schweiz kaum mehr eine grosse Zukunft innerhalb des Finanzmultis. Ihr Dasein wäre gefährdet.
Die Coutts-Chefs in Zürich verfielen in den letzten Monaten, seit die grosse Strategieübung in der Zentrale am Laufen ist, in wilde Hektik.
Ausdruck der Verzweiflung war eine Werbekampagne, die völlig losgelöst vom Geschäftsverlauf und von den Strategiefragen im Mutterhaus in der Luft hängen blieb.
Da und dort ein schwarzes Inserätchen mit goldener Coutts-Schrift und dem Versprechen eines Weltklasse-Private-Bankings brachte im besten Fall nichts, im schlechtesten sorgte es für Ironie.
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So wie jetzt. Der Daten-Vorfall in Hamburg lässt die Schweizer Coutts als Saftladen erscheinen. Ein solches Malheur darf nach all den Krisen rund um Schweizer Vermögensverwalter nicht passieren.
Als die HSBC ihrem Ex-Informatiker Falciani erst auf die Schliche kam, nachdem dieser sich mit reichen Kunden aus dem Staub gemacht hatte, kassierte sie eine schwere Rüge der Aufsicht.
Der Fall Coutts wiegt schwerer. Hier zügelt eine Bank, die viele Jahre lang im grossen Stil Gewinne mit Schwarzgeld erzielt hat, auf amateurhafte Art und Weise sensible Daten auf einem Frachtschiff.
Derzeit fände „ein Umzug von Unterlagen von den Cayman Islands in unser bestehendes Dateneinlagerungszentrum statt“, meinte eine Sprecherin gegenüber der „Welt am Sonntag“ lapidar.
Kann passieren, scheint die Stellungnahme auszudrücken. Pech gehört zum Spiel.
Tausend Kisten mit geheimen Kundendaten landen bei den deutschen Fahndern, und Coutts sieht dies als Courant normal?
Die Reaktion ist ein Abbild der internen Zustände. „Bei der Coutts herrscht das nackte Chaos“, sagt ein Insider.
Die Guten gehen, andere wie der neue Vontobel-Russland-Chef, der zuvor von Coutts zur Deutschen Bank Schweiz (DBS) gewechselt hatte, landen bei der Konkurrenz.
Zürcher Headhunter sprechen von „vielen Top-Beratern“ von Coutts, die wechseln wollten. Derweil werden Coutts-intern die paar wenigen Neu-Verpflichtungen – aktuell sind zwei angekündigte Russland-Topshots von der DBS – grossspurig vermeldet.
Das Hin und Her um Stars und Teams kann nur schlecht überdecken, wie stark es tatsächlich brennt bei der Bank ihrer Majestät.
Vor Monatsfrist erhielten die Coutts-Mitarbeiter dicke Post von ihrem Zürich-Chef, Alex Classen. „Datenlieferung an das U.S. Department of Justice“ war sein Brief überschrieben.
Wie dabei üblich begann alles harmlos.
„Werte Kolleginnen und Kollegen“, meinte Classen einleitend. „Die Coutts & Co. AG (Coutts) nimmt an dem vom U.S. Department of Justice (DoJ) (…) veröffentlichten (U.S.-Programm) teil“, hiess es.
Dazu, so Classen weiter, müsse die Bank Namen von Mitarbeitern offenlegen. Beigefügt war ein 2-seitiges Schreiben unter dem Titel „FAQ-SOS Employees“, also wichtige Fragen und SOS für Mitarbeiter.
Dort steht, dass „keine Bankkundendaten“ offengelegt würden. Das war noch kurz vor dem Daten-GAU von Hamburg.
Betroffene Mitarbeiter könnten sich gegen ihre Offenlegung wehren. Doch Priorität habe etwas anderes.
„Es besteht ein erhebliches öffentliches Interesse der Schweiz an der Erledigung des Steuerstreits (…)“, rief Coutts-CEO Classen seine Leute zum Stillhalten auf.
Denn: „Für die Übermittlung der Daten sprechen (zudem) Interessen der Bank selbst wie auch weiterer involvierter Personen, beispielsweise der Kunden und Mitarbeitenden der Bank.“
Widerstand sei zwecklos, gab Classen kaum kaschiert den Tarif durch.
„Sie können versuchen, der Bank mittels gerichtlicher Klage die Übermittlung der Daten verbieten zu lassen“, hält er fest. Dann würde ein Gericht entscheiden.
Daten würden aber auch so über den Teich gehen.
„Sie betreffende Angaben werden im Fall einer Klage einstweilen geschwärzt übermittelt. Andernfalls werden bzw. können Ihre Angaben später übermittelt werden“.
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Die beliebtesten Kommentare
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Die fahren das Ding an die Wand.
Unglaublich aber tragisch -
Was tut man als angelsächsische Grossbank, wenn man beim Bescheissen erwischt worden ist und in grosse Schwierigkeiten gerät? Man lagert den faulen Bereich in die Schweiz aus (das Land mit den laschesten Kontrollen).
Mit ausgelagert werden die dümmsten Banker, die für brisante Akten einen billigen Schiffstransport auf einem rostigen Kahn suchen. -
Interessant !
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bank ist nicht gleich bank, sieht man mal wieder ganz klar. ein wesentlich ruhigeres leben geniesst gerardo grasso bei der slk bucheggberg…. keine mails am Handy und überhaupt nur 50 davon pro Woche.
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Ich bin überzeugt, dass dies alles noch viel schlimmer wird. Die HR-Abteilungen in den Banken werden auf das Minimum reduziert und mit „Yes Sir-Girls“ dekoriert und jeder Head of irgendetwas rekrutiert direkt via social media ohne die geringste Ahnung zu haben was da teilweise angeboten wird. Wenn ich den CV von Falciani anschaue und daran denke, dass dieser Leugner als IT-Spezialist angeheuert wurde, wird mir elend. Nur weiter so, die meisten Banken haben es immer noch nicht begriffen und heuern massenhaft Ausländer an.Was hingegen bei der Coutts abgeht ist an Stümperhaftigkeit kaum zu überbieten.
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…… zeigt das nur, das zu viel Geld flottiert und daher noch so grosse Stümper in den Banken den Markteintritt wagen können. Es wird Zeit für eine nachhaltige Marktbereinigung, und vor allem, dass die Geld ist geil Mentalität in den Banken ein Korrektiv erfährt.
Die Steuerbehörden und Aufsichtsbehörden sollten noch viel härter zulangen und diesen Sumpf austrocknen, genauso wie es mal einen ordentlichen Crash braucht, damit die Menschen aufwachen.
Es wird immer verrückter , was in der Finanzbranche abgeht.
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Diese Geschichte erinnert mich stark an das Märchen von 1000 und 1 Nacht. Vor 2 Jahren redete man von 1000 Namen auf einer Daten-CD nur spricht man von 1000 Kartons. Ein 40 Fuss Standard Schiffscontainer hat ein Volumen von 66m3. Eine Standardzügelbox für Akten ein Volumen von 84 Liter. Die Rechnung ist einfach gemacht: in 2 Container passen 1571 Kartons. Rechnerisch. 1000 klingt aber besser. Einmal soll Coutts verkauft werden (mit entsprechenden Fakten) wenige Wochen später ist die Bank wieder Wertlos und unverkäuflich und jetzt öffnen sich gemäss Inside Paradeplatz sogar neue Daten-Dimensionen. Vielleicht ein „Wurmloch“ in ein Paralleluniversum? Möglicherweise und wenn das so wäre, dann bin ich überzeugt, dass der Ausgang des Wurmlochs in der Kanalisation unterhalb des Paradeplatz zu finden ist. Da kann ich nur sagen: Einmal spülen bitte.
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Öffnet endlich die Augen! Wie konnte die Schweiz ohne Rohstoffe, die sich gut verkaufen liessen, zu solch hohem Wohlstand kommen? Natürlich durch solche Machenschaften…. Oder glauben noch einige an das Märchen von guter Service-Qualität (causa Sarasin-Maschmeyer docet!)?
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@Rossi
Siehe Google:
„Schweizer verdanken Spitzenstellung ihrer Industrie“
(Artikel in führender Deutscher Zeitung) -
Ein bisschen detailliertes Report:
Ausser, dass die Banca Monte dei Paschi di Siena S.p.A. (MPS, 1472) als die älteste noch existierende Bank der Welt gilt.
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Ist die Coutts Bank denn eine Schweizer Bank mit Schweizer Wurzeln ? Nein ! Dann dürfte für diese Bank und ihre Kunden auch das CH-Bankkundengeheimnis nicht wirklich etwas bedeuten
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Nicht? Coutts kaufte in 2004 die Bank von Ernst und kam mit dem Erwerb der damaligen Handelsbank überhaupt in die Schweiz. Der Name mag wohl für Ihre Ohren fremdländisch klingen, die Bank ist es aber nicht.
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No comments.
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Vielleicht kommt es der RBS gar nicht ungelegen, wenn sie so den „unsauberen“ Teil des Geschäftes loswerden kann.
Für die RBS geht es um viel mehr, als um die leidigen Deutschen und Schweizer mit Schwarzgeldgeschäften. RBS will wieder eine führende Britische Bank werden und dafür werden alle notwendigen Massnahmen ergriffen.
Nur was London nützt ist relevant (davon könnten die Schweizer etwas lernen).Dazu passt auch, dass Coutts in London nichts mit Coutts in Zürich zu tun hat. Die „Royals“ wollen nichts mit schmutzigen Geschäften zu tun haben („how shocking“).
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Den anderen Teil (das US Portfolio) hat Coutts ja bereits letzten Herbst einem scheinbar ahnungslosen Liechtensteiner verkauft (Kaiser Partner).
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Im Artikel ist von 1000 Kisten gefüllt mit Dokumenten die Rede. Das ist nicht wenig. Ich frage mich aber, ob der Transport der Dokumente – so sie sensitive Informationen enthalten – mit einem Schiffscontainer – notabene via ein Land (Deutschland) das durchaus Grund hat, sich solcher Dokumente zu bemächtigen – zu verschicken. Ein Flugzeug zu chartern wäre sicher teuerer gewesen, aber… Kann man wirklich so dumm sein?
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Herr Beobachter61, in Cayman gibt es eben Leute (Trustangestellte etc.) wie hier, die man bewusst auch dumm hält, denen die grossen Zusammenhänge nicht erklärt werden und dann ist eben eine solche Aktion auch heute möglich!
Uebrigens British Airways offerierte Direktflüge mit einer Boeing 777 von Cayman nach London und dann in die Schweiz und dies bereits 1997. Damit wurde die USA „umflogen“ und die Dokumente etc. in London blieben „im Transit“. Lösungen sind vorhanden, aber eben …..!
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Coutts hatte nie eine Bank auf den Cayman Islands. Es handelt sich „nur“ um eine Trust Company, welche Foundations und Trusts für Coutts Kunden betreute. Diese wurde geschlossen und darum wurden wahrscheinlich auch die Dokumente transportiert. Natürlich ist
so etwas ärgerlich, aber die deutschen Kunden sollten sowieso steuerkonform sein per Ende Jahr. Also alles nur halb so schlimm.
Ich frage mich nur wieso der Coutts Insider im Russland Desk noch bei der Coutts ist. Ist er vielleicht nicht so ein Topshot, dass er irgendwo anders einen Job bekommt?-
Herr Albon, die Trustgesellschaft verwaltet Trusts und Companies in den Caymans d.h.die durch sie verwalteten Trust und Offshoregesellschaften wie z.B. eine Gesellschaft in den BVI, Guersey etc. unterhalten überlicherweise Bankkonten bei diversen Schweizer Banken und natürlich auch in anderen Steueroasen. Diese konfiszierten Dokumente werden mit grosser Sicherheit auch auf andere Schweizer Banken zeigen, die eben die „Steueroptimierung etc bis zur Geldwäsche“ begünstigten. Damit ist das Problem grösser als HSBC – Falciani usw. Das kann zu einer gewaltigen Aufdeckung führen, die nach dem Dominosteinprinzip funktioniert! Das ist nicht ärgerlich, das ist wirlich Schei….!
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ja ruedi, jemand der eine schweizer bank verrät sollt hier nichts schreiben oder?
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Herrlich!
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Was tut man als angelsächsische Grossbank, wenn man beim Bescheissen erwischt worden ist und in grosse Schwierigkeiten gerät? Man lagert…
Coutts hatte nie eine Bank auf den Cayman Islands. Es handelt sich "nur" um eine Trust Company, welche Foundations und…
Herr Albon, die Trustgesellschaft verwaltet Trusts und Companies in den Caymans d.h.die durch sie verwalteten Trust und Offshoregesellschaften wie z.B.…