Urs Aerni, Buchautor und -vermarkter, ging vor Wochenfrist auf die Raiffeisenbank Lenzerheide. Er stellte sich als Kunde vor, zückte die Identitätskarte und fragte nach einem Zahlungseingang auf seinem Konto bei der Raiffeisen Lägern-Baregg. „Sorry, das geht nicht“, meinte die nette Raiffeisen-Frau im Skiort.
Willkommen in der IT-Steinzeit der Raiffeisen, der ambitionierten dritten Kraft von Swiss Banking, die mit der Notenstein Privatbank die Vermögensverwaltungsszene aufzumischen versucht.
Der Sprecher in der Raiffeisen-Zentrale in St.Gallen bestätigt, dass die gut 300 über das ganze Land verteilten Raiffeisen-Banken keine direkte IT-Beziehungen untereinander hätten.
„Unsere Banken betreiben ihre eigene IT“, sagt Franz Würth. „Ein Mitarbeiter einer bestimmen Kasse kann nicht auf ein Kunden-Konto bei einer anderen Raiffeisen-Bank zugreifen.“
Würth, ein langjähriger Raiffeisen-Manager der Gruppe, begründet den Anachronismus mit dem Rechtskleid. „Das sind rechtlich unabhängige Genossenschaften mit den entsprechenden Freiheiten.“
Kunde Aerni versteht die Welt nicht mehr. „Die Dame sagte mir, sie brauche die Konto-Nummer, um weiterzufahren. Schauen Sie doch im System nach, hier, mein Name, Adresse, Führerausweis, antwortete ich. Doch da war nichts zu machen.“
Raiffeisen-Sprecher Würth erklärt, wie Banking im 21. Jahrhundert bei der grossen Raiffeisen funktioniert. „Wenn jemand seine Konto-Nummer an einem Raiffeisen-Schalter nennt, fragt der Angestellte telefonisch bei der Raiffeisenbank nach, die das Konto führt. Bei genügend Guthaben erfolgt die Auszahlung.“
Für Notfälle seien Auszahlungen bis zu einer Obergrenze von ein paar Hundert Franken ohne Rückfragen möglich. „Wenn Lenzerheide am Samstag Morgen offen hat und Lägern-Baregg nicht, dann können 500 Franken auf eigenes Risiko ausbezahlt werden.“
Offline-Banking wie aus dem Bilderbuch. Bei der Raiffeisen-Gruppe ist die IT nicht ständig aktiv, sondern kommt wie in den 1990er Jahren erst nach Telefon und Auszahlungen zum Einsatz.
„Wenn der Kunde sein Geld bei einer Dritt-Raiffeisenbank bezogen hat, erfolgt eine Ausgleichszahlung innerhalb des Raiffeisenverbunds“, erklärt Sprecher Würth. „Das Konto der auszahlenden Bank wird gutgeschrieben, jenes der Konto führenden Kasse belastet.“
Die 300 unabhängigen Banken hätten alle eine IT-Eigenentwicklung der Raiffeisen-Gruppe im Einsatz, betont Würth. „Doch diese IT-Systeme sind nicht gekoppelt.“ Das Ganze funktioniere einwandfrei, sagt Würth.
Das „IT by hand“ der Raiffeisengruppe birgt Risiken. Unter der Führung ihres CEOs Pierin Vincenz ist der Verbund in den 10 Jahren von 2002 bis 2011 schneller gewachsen als die meisten Schweizer Konkurrenten.
Unter Vincenz stieg die Bilanzsumme um fast 70 Prozent auf 156 Milliarden Franken. Damit führt Vincenz‘ Raiffeisen hinter den beiden Grossbanken UBS und CS das Feld der Verfolger an.
Mit dem schnellen Wachstum wachsen die Risiken. Wie will die Zentrale mit einer IT, die in über 300 Einzelteile zerlegt ist, einen raschen und zuverlässigen Überblick über das Gesamtrisiko der Gruppe haben?
Insbesondere bei den Hypotheken segeln die Raiffeisenkassen seit Jahren hart am Wind. Mit aggressiven Preisen erobern sie Marktanteile zulasten der Grossbanken.
Die Risikoüberwachung sei kein Problem, beruhigt Raiffeisen-Sprecher Würth. Jede Einzelbank würde separat revidiert.
Zudem gäbe es Limiten im Asset-and-Liability-Management. Dort wird die Bilanz gesteuert und sichergestellt, dass die Fristigkeiten zwischen Aktiven – also Krediten – und Passiven – den Spareinlagen – im Lot sind.
Buchautor und langjähriger Raiffeisen-Kunde Urs Aerni interessieren die Beschwichtigungen nicht. „Mir ist der Kragen geplatzt“, sagt er. „Meine Mitgliedschaft in der Raiffeisengenossenschaft kündige ich ebenso wie mein Konto.“ Der Grund sei der Service. „Da gehe ich lieber zur Alternativen Bank, die machen mir einen professionelleren Eindruck.“
Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Herr Aerni hat ganz offensichtlich das Geschäftsmodell von Raiffeisen nicht verstanden und will es auch nicht verstehen. Das ist zwar sehr schade, aber somit ist er bei den beiden Grossbanken sicherlich besser aufgehoben.
Ich wiederum kann das Geschäftsmodell der UBS und CS nicht verstehen. Wann schreiben Sie jetzt einen Bericht über mich??? -
Vielleicht ist in diesem Fall nicht nur die Bank in der Steinzeit, sondern auch der Kunde. Evtl. sollte man Herrn Erni mal das Stichwort „Onlinebanking“ erklären, damit er seine Zahlungseingänge nachschauen kann ohne Schalterangestellte nerven zu müssen und falls er Geld benötigt, sollte er sich eine Debit- oder Kreditkarte anschaffen um zu seinem Ziel zu kommen. Eigentlich komisch, dass die Beziehung Erni-Raiffeisen nicht funktioniert hat – denn 2x Steinzeit müsste doch super passen…
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Lieber Herr Aerni
Haben Sie sich auch schon ueberlegt das Geld, welches Sie an Ihren Veranstaltungen auf steinzeitliche Art bar „einsammeln“ sich auf das Konto ueberweisen zu lassen. Waere fuer alle beteiligten Parteien die sicherere und viel einfachere Loesung.
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Hat der Kunde Aerni auch schon von Bancomaten gehört??
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Siero
Bancomaten ist eine Sache. Die Marketing Abteilung sollte Herrn Aerni den Internet access und das ebanking installieren. Raiffeisen hat ein bestens gesichertes ebanking programm das ihm jederzeit eine online konultation seines Kontos erlaubt.
J
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Lieber Herr Aerni
Sie sprechen wie mein geliebtes Grosi, welches ihr Sparschweinchen irgendwo an einem Schalter schlachten lassen möchte.
August Kamber -
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Vielleicht sollten wir Aerni eine Mastercard spenden, damit er auch in Hinterpfupfigen Geld abheben kann.
Oskar -
Viel Spass bei Risk-Management. Soll mir man jemand erklären, wie das Grüppchen die Risiken im Griff haben soll. Die Bombe tickt …
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Aufgrund der Gruppenbilanz und Erfolgsrechnung gehe ich davon aus, dass die Zahlen vorhanden sind. Aufgrund des Bankundengeheimnisses, dürfen jedoch keine Namen ausgetauscht werden.
Man bedenke: ein riesen Vorteil in der heutigen Zeit der Datendiebe!
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Das alles ist kein Zufall, sondern Teil des geheimen Security-Konzepts der Bank, das auf einem bewährten militärischen Grundsatz aufbaut: „Kenntnis nur wenn nötig“! Anders als bei den grossen Konkurrenten CS und HSBC bleibt dank der dezentralisierten Informatik der Schaden im Falle eines Datenklaus in engen Grenzen. Ebenfalls minimiert sind die operative Risiken bei Systemausfällen (Stichwort: NEMP). Da die Raiffeisen mittlerweile als „too big to fail“ gilt, sind das nicht zu unterschätzende Vorteile!
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Das finde ich einen tollen Kommentar, da er davon zeugt, dass Sie keine Ahnung von IT haben: Es ist möglich Systeme zu bauen, wo nur gewisse Zonen für gewisse KuBe zugänglich sind. Mittels (elektronisch und manuell oder automatisch) Ausnahmegenehmigungen könnte dann auf die gewünschten Daten zugegriffen werden. Die Ausnahmen könnten auch problemlos in einen Journal geführt werden.
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Die Kube’s sind ja nicht das Problem, sondern die IL-Angestellten. Wer klaute denn jeweils immer alle diese Kundendaten
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….es gab auch ‚mal einen kleinen Raiffeisen Bankverwalter auf dem Lande, welcher Flugzeuge in Afrika finanzierte.
Er ist den so genannten Nigeria-Betrügern auf dem Leim gekrochen: Raiffeisen musste ca. 8 Mio abschreiben und die Genossenschaft wurde zwangsfusioniert.
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…ist doch alles halb so schlimm!
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Buchautor Aerni sieht die Sache falsch. Wir können froh sein, dass die Genossenschaften unabhängige IT Systeme fahren. So hat nicht jedermann Zugriff auf alle Daten in der Schweiz und die Kunden sind gegen Datenmissbrauch besser geschützt.
Aerni polemisiert ohne die Sachlage genau zu durchschauen.
August Kamber -
Wenn eine Bank expandiert und zu den Großen gehören möchte, dann soll der Service mithalten. Die Dame in Lenzerheide war nicht imstande, auch nur eine Auskunft über einen erwarteten Eingang auf mein Konto zu geben. In Zürich ging ich mal mit viel Kleingeld, das ich an einer Veranstaltung erhalten habe, zu einer Raiffeisen-Filiale. Ich bat, dieses reale Geld auf mein Konto zu überweisen. Erstens wollten die das gar nicht zählen und entgegen nehmen und zweitens, nur gegen eine Gebühr. Ich wähnte mich als Kunde im falschen Film.
In Zofingen wollte ich auch bar erhaltenes Geld durch einen Bühnenauftritt auf mein Sparkonto in der Filiale einzahlen. Die mussten mindestens drei Telefonate tätigen, bis ich mein Geld los wurde.
Das ist Steinzeit und Kundenunfreundlich. Wäre die Raiffeisen noch so wie sie war, hätte ich mehr Verständnis aber wenn diese Bank ein Allerweltsgebahren aufweist und ein Globalplayer sein möchte, dann sehe ich nicht nur Gefahr für die Sicherheit samt Haftung, sondern erwarte auch gleich einen Service, wie es andere anbieten.
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....es gab auch 'mal einen kleinen Raiffeisen Bankverwalter auf dem Lande, welcher Flugzeuge in Afrika finanzierte. Er ist den so…
Wenn eine Bank expandiert und zu den Großen gehören möchte, dann soll der Service mithalten. Die Dame in Lenzerheide war…
Das finde ich einen tollen Kommentar, da er davon zeugt, dass Sie keine Ahnung von IT haben: Es ist möglich…