Die europäische Finanzkrise ist das Produkt fehlgeleiteter Fiskalpolitik. Dahinter stehen Politiker, welche in demokratischen Prozessen ihre Wahl-Klientel mit Ausgabefreudigkeit solange bei Laune halten, bis der sprichwörtliche Krug wegen finanzieller Überlastung birst. Es geht um die Erkenntnis nicht erfüllbarer Leistungsversprechen durch den Staat.
Die Festlegung der BVG Mindestverzinsung bringt schnelllebige Schlagzeilen. Wer ausser Spezialisten weiss noch, dass der Bundesrat Anfang Oktober entschieden hat, den BVG Mindestzins von 2 auf 1.5 Prozent zu reduzieren? Auch die Politisierung der zweiten Säule führt zu kollektivem Wunschdenken und vernebelt den Blick auf die ökonomische Realität.
Bei Leistungsprimatkassen sind Renten ins Verhältnis zum letzten versicherten Lohn gesetzt. Das gibt dem Versicherten eine hohe Sicherheit über die Rentenhöhe nach der Pensionierung und gewährleistet mit der AHV die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise. Inflationseffekte sind automatisch berücksichtigt. Die Finanzierung dieser Leistungen ist anspruchsvoll und kann Arbeitgeber stark belasten. Kein Wunder, dass Firmen dieses Risiko nicht wollen.
Das vorherrschende Beitragsprimat ist die ideale Antwort auf die Risikovermeidungsstrategie von Firmen und öffentlich-rechtlichen Arbeitgebern. Hier definiert bei der Pensionierung das angesparte Kapital (inklusive Ertragsgutschriften) – und nicht Prozente vom letzten Lohn – zusammen mit dem Umwandlungssatz die Rente. Theoretisch kann ein Beitragsprimat ähnliche Leistungen erzeugen, wie das Leistungsprimat. Praktisch ist das aber nie der Fall. Während in Leistungsprimatkassen das Risiko vor allem beim Arbeitgeber liegt, so verschiebt sich das Rentenrisiko im Beitragsprimat komplett hin zum Arbeitnehmer.
Sinkende Leistungsziele sind programmiert
Der politisch festgelegte BVG Minimalzins ist Wunschdenken und hat mit Kapitalmarktrealitäten nichts gemeinsam. Die risikolosen Zinsen (Eidgenossenrenditen) liegen für die nächsten 10 Jahre unter einem Prozent, bei Laufzeiten unter 5 Jahren kommt per Saldo nichts heraus. Abzüglich Transaktionskosten, Depotführungsgebühren und andern Belastungen resultiert bestenfalls eine jährliche Verzinsung für das nächste Jahrzehnt von 0.5%. Pensionskassen haben Leistungsziele von 3.5 bis 4.5 Prozent. Die Finanzierungslücke ist eklatant. Sind Erträge tiefer als Leistungsziele, dann sinken Deckungsgrade, was bei Unterdeckung zu Sanierungsmassnahmen führen kann. Ist das angesparte Kapital im Verhältnis zu den Sparbeiträgen gross, was bis auf junge Pensionskassen in der Regel der Fall ist, dann lösen auch höhere Sparbeiträge das Problem der Unterdeckung nicht. Die Diskussion von Leistungssenkungen ist über den Euphemismus der ‚wohlerworbenen Rechte‘ tabuisiert . Wenn diese Rechte denn wohlerworben wären, dann erübrigte sich die Deckungsgrad-Diskussion.
Die Hoffnung ist verbreitet, der Kapitalmarkt werde die Probleme schon lösen. Dem ist leider nicht so. Nehmen wir grosszügig an, die Rendite von Obligationen und Immobilien (ObIm) sei 1.5%. Diese Anlagen kombinieren wir mit Aktien (AK). Wie hoch sollte der jährliche Aktienertrag sein, um eine PK-Zielrendite von 4% zu erreichen? Bei 90% (80%, 70%, 60%,50%) ObIm und 10% (20%, 30%, 40%, 50%) AK braucht es von den Aktien jährlich 26.5% (14%, 9.8%,7.75%, 6.5%) Ertrag um die Zielrendite zu erreichen. Aktienrenditeannahmen im Bereich 6 bis 7% können in einer Welt tieferer ökonomischer Wachstumsraten – die Reduzierung der Staatsverschuldung wird das Wachstum im nächsten Jahrzehnt spürbar reduzieren – argumentiert werden.
Für die aktive Generation ist im Beitragsprimat die Fortführung der gewohnten Lebenshaltung in Frage gestellt. Diese trägt das Anlagerisiko für sich und die Rentner erst noch selber. Sinnvolle Minimalanlageziele wie die Erwirtschaftung von positiven Realerträgen werden nicht einmal diskutiert. Der Lebensstandard nach der Pensionierung hängt aber nicht von den Wunschvorstellungen politischer Akteure ab. Weder der Bundesrat, noch das paritätische Organ, noch die Berater bestimmen die Kapitalmarkterträge der Zukunft.
Der risikolose Zins sichert die Renten der Zukunft bei weitem nicht. Die fundamentale und letztlich nur von jedem Einzelnen zu beantwortende Frage lautet: Will ich mit Sicherheit absehbar weiter sinkende Rentenansprüche oder ziehe ich eine mit Unsicherheit behaftete höhere Rente vor? Zu dieser Frage besteht heute praktisch kein Wahlrecht. Die Konsequenzen wird der Versicherte spätestens bei seiner Pensionierung vollständig alleine zu tragen haben.
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