Wie der Bündner Linard Bardill sangen auch wir damals fröhlich auf einer Postifahrt. Und dann, vor unübersichtlichen Kurven und Spitzkehren: Dieser archaische, stolze, fast mythische, die Schweiz einende und verbindende Dreiklang; helle A-Dur, mit der Notation cis, e und a! Und auch heute: „Drei Töne im Dienst einer starken Marke … gehören zur kulturellen Identität der Schweiz“, zu lesen auf der Website von PostAuto Schweiz. Wie ging das Lied doch weiter? „Sone Poschtifahrt isch luschtig, öppemol kli krass ….“ Hatte der Dichter beim Schreiben dieser Verse wohl in die Glaskugel geschaut?
Tatsächlich verlief die Fahrt in den letzten Monaten krass. Die Rede ist von der „illegalen Buchungspraxis in der Spartenrechnung bei PostAuto in den Jahren 2007 bis 2015“, die dazu führte, dass PostAuto zu hohe Abgeltungen für die Erbringung von Dienstleistungen im öffentlichen Verkehr erhielt. Dieser Tage informierten die zuständigen Organe über weitere personelle Konsequenzen, diesmal ging es auch um die Mitglieder der Geschäftsleitung. Das Parlament will sich noch der Sache selbst, aber auch den übergeordneten Rahmenbedingungen der Leistungserbringung im öffentlichen Verkehr annehmen.
Allein für den Bund geht es um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag; und es geht um die „führende Busunternehmung im öffentlichen Verkehr in der Schweiz“. Über 4’000 Mitarbeitende, Fahrpersonal der PostAuto-Unternehmen inklusive, befördern mit über 2’200 Fahrzeugen pro Jahr rund 152 Millionen Fahrgäste. „Die Marke PostAuto verkörpert Zuverlässigkeit, Sicherheit und Vertrauen.“
Genau diese Zuverlässigkeit, diese Sicherheit und dieses Vertrauen sind wiederherzustellen. Nicht im täglichen Dienst auf der Strasse, leistet die Basis doch nach wie vor eine hervorragende Arbeit. Sondern in der Leitung und in der Führung.
Nun gilt es, günstige Voraussetzungen für ein nachhaltiges Gelingen auf breiter Basis zu schaffen. Was kann unterstützen?
Betrachten wir zunächst das System der beteiligten Menschen. Besonders in der Schweiz, mit dem traditionell noch immer hohen Wertverständnis für Arbeit, ist der Verlust der Stelle meist weit mehr als das Wegbrechen der Existenzgrundlage. Die soziale und gesellschaftliche Stellung ist gefährdet; es geht um die Person als Ganzes.
Häufig wird die Situation traumatisch erlebt. Ehegatten, Partner, Kinder, Verwandte und Freunde leiden mit. Die anordnenden Menschen haben ihre Entscheide im Interesse des Unternehmens zu treffen, zu verantworten – und auszuhalten. Auch wenn ihre Gefühlslage vielleicht eine andere ist. Kader und Mitarbeitende der Organisation, unwissend und arbeitsbedingt mehr oder weniger stark in der Betrugsstruktur involviert, haben unter einer neuen Leitung die Altlasten abzutragen und das Unternehmen zurück auf die richtige Strasse zu bringen.
Erlittene Verletzungen müssen geheilt werden. Nicht zu unterschätzen ist der Aufwand für die anstehende Überprüfung und Anpassung der Unternehmens- und Organisationsstruktur sowie der Arbeits- und Unterstützungsprozesse. Detailarbeit ist zu leisten. Dies alles braucht Zeit und Führung – und Kontrolle.
Sie sagen vielleicht, die „da oben“ haben das verdient, sie haben ihre gerechte Strafe bekommen. Aha, jetzt kommt Ethik ins Spiel! Die rechtlichen Belange und Entscheide dürfen wir wohl den zuständigen Behörden und Organen überlassen. Aber bestehen Grundlagen bei PostAuto, damit sich solche Geschäftsfälle – mit drastischen personellen Massnahmen – künftig nicht mehr ereignen?
Mindestens im Leitbild von PostAuto finden wir diesbezüglich keine Inhalte, hier ist Nachholbedarf. Vielleicht Lust auf Benchmarking? Warum nicht auch eine alte, erprobte Führungsschule heranziehen? Eine Führungslehre, die sich primär am Menschen orientiert? Insbesondere leitende Führungskräfte kann die Regula Benedicti, die Benediktsregel, anregen. Kapitel 2, wie der Abt sein soll; es geht um Werte, Vorbild, Verantwortung.
Der Abt ist Vorbild der Gemeinschaft; zwingend verlangt wird Kongruenz von Wort und Tun. Reifegrad und Bildungsstand des einzelnen Mitglieds berücksichtigt er. Der Abt ist zur Selbstbeurteilung aufgerufen. So bewahrt der von allen Mönchen Akzeptierte diese vor dem Auseinanderweichen, weil er durch sein praktiziertes Leben – sein Vorbild – ihre Suche nach Identifikation stillt (Kirchner, 2007, S. 41).
Also Führen durch Vorbild. Wie können Werte für PostAuto lauten, an denen Chefs ihr Führungsverhalten, ihre Vorbildfunktion abgleichen können? Sind es denn wie bei den Benediktinern die – über Jahrhunderte gelebten und überlieferten – christlichen Werte? Oder Werte der Postmoderne, in direkter Abhängigkeit und Funktion des jeweiligen politischen Umfelds oder der jeweiligen Wirtschaftslage?
Dann trägt der Abt die Verantwortung. „Verantwortung verlangt Kontinuität, in der sie sich als ein elementares Merkmal sittlicher Qualität des Führenden beweisen kann.“ (Kirchner, 2007, S. 75)
Und nicht vergessen: „Wer als Verantwortlicher Fehler ignoriert, ignoriert letztlich auch das Heil der anderen.“ (Böckmann, 2011, S. 155)
Wie auch immer: Tü ta to – und gute Fahrt, liebes PostAuto!
Und dann fuhren die gelben Postautos in den Fünfziger-Jahren des 20. Jahrhunderts noch mit Fahrzeugen der Marke Saurer. Damals ein Synonym für Qualität und Zuverlässigkeit wie von einem anderen Stern. Diese Postautos waren tatsächlich Teil der helvetischen Seele. Umso grösser die Schande, die die Post- und Postautoverantwortlichen zu Bern mit ihren Betrügereien über sich gebracht haben !
Dies obwohl sie viel teurer waren als Konkurrenzprodukte. Aber damals hies diese Form von Begünstigung noch Patriotismus. Heute gäbe es dafür eine PUK!
Für die Suchmaschine: subventionsbetrug praktiken
http://www.bfh.simons-moll.de/bfh_1997/XX970360.HTM