Als die Schweiz noch fünf Grossbanken hatte, machte ein geflügeltes Wort die Runde: „Wenn heute eine der Grossbanken konkurs geht, kann man morgen nirgends mehr Brot kaufen.“
Damals war jedermann klar, wie eng die Grossbanken mit der Schweizer Wirtschaft vernetzt sind.
Bis letzten März hat sich die Anzahl der Schweizer Grossbanken auf zwei und seither auf noch eine einzige verringert. Trotzdem tönte es von manchen Schweizer Stammtischen, dass man das Risiko eingehen und die CS in die Nachlassstundung hätte gehen lassen sollen.
Auf die Frage, welches denn genau die Konsequenzen gewesen wären, fehlt bis heute eine klare Antwort.
Der entscheidende Unterschied zwischen konkursiten Banken und Unternehmen anderer Branchen besteht in der deutlich grösseren Schuldnerseite.
Nicht nur Gläubiger verlieren Geld, sondern auch unzählige Hypothekar- und andere Kreditnehmer werden in den Strudel eines Bankkonkurses hineingezogen.
Chat-GPT gibt auf die Frage nach dem Ablauf eines Konkursverfahrens für die Schuldnerseite eines konkursiten Unternehmens folgende Antwort:
„In der Schweiz haben Schuldner von Konkursiten normalerweise eine Frist von 20 Tagen, um ihre Schuld zu begleichen, nachdem sie [per eingeschriebenem Brief vom Konkursamt] eine entsprechende Zahlungsaufforderung erhalten haben.“
Auch wenn die Rückzahlungsfrist im Fall der CS mit Sicherheit verlängert würde, lässt sich unschwer vorstellen, was es für hunderttausende privater und gewerblicher Kreditnehmer bedeutet hätte, ihre Eigenheimhypothek oder den Geschäftskredit auf einen Schlag zurückzahlen oder eine neue Bank suchen zu müssen.
Bei den meisten Hypothekarkrediten wären ausserdem die Schulden mit den Kontoguthaben verrechnet worden.
Zusammen mit der Gläubigerseite, die in der Regel einen Grossteil ihrer Forderungen abschreiben muss, wäre ein Teufelskreis aus Privat- und Geschäftskonkursen entstanden, der die Schweizer Volkswirtschaft in ihren Grundfesten erschüttert hätte.
Und weil die Credit Suisse als sogenannte „G-SIB“ („Global Systemically Important Bank“) nicht nur für die Schweiz systemrelevant war, hätten die Schockwellen auch die internationalen Finanzmärkte erfasst.
Seit Anfang September liegt der Bericht der Expertengruppe „Bankenstabilität“ vor, der sich mit dem „Reformbedarf nach dem Untergang der Credit Suisse“ befasst.
Es lohnt sich, den Bericht eingehend zu studieren, weil er das Problem aus verschiedenen Perspektiven analysiert und eine Vielzahl an Ideen und konkreten Empfehlungen formuliert.
Der Expertenbericht stellt richtigerweise fest, dass zwar die Aufgaben zwischen FINMA, SNB und EFD klar geregelt sind, nicht jedoch die jeweiligen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten.
Offensichtlich operieren die drei federführenden Behörden in einer führungsmässigen Grauzone:
Die SNB wird vom Bankrat beaufsichtigt und ihre Unabhängigkeit wird von Gesetzes wegen geschützt. Sie muss und darf keine Instruktionen anderer Behörden entgegennehmen.
Die FINMA als zweiter wichtiger Akteur ist nur „administrativ“ dem EFD zugeordnet und betont auf der Website ebenfalls ihre Unabhängigkeit.
„Um die hoheitliche Funktion der Aufsicht über die Schweizer Finanzbranche wahrnehmen zu können, ist die FINMA institutionell, funktionell und finanziell unabhängig.“
So kann die FINMA zwar von sich aus die Sanierung einer systemrelevanten Bank initialisieren, allerdings kann sie dabei von der Nationalbank ausgebremst werden.
„Die SNB hat aufgrund ihrer Monopolstellung als „Lender of Last Resort“ jedoch faktisch ein Vetorecht. Sie hat keine Pflicht, Liquidität (…) bereitzustellen und muss sich dafür auch nicht rechtfertigen“, schreibt die Expertengruppe.
Eigentlich müsste klar sein, dass auch ein Vetorecht eine Entscheidungskompetenz darstellt und ohne entsprechende Verantwortung zur Machtkonzentration bei einem der Akteure führen kann.
Dass gemäss Bericht offenbar bis zum heutigen Tag keine gemeinsame behördliche Aufarbeitung durch EFD, SNB und FINMA vorliegt, lässt darauf schliessen, dass es unter den drei Behörden keine gemeinsame Sichtweise der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung gibt.
Die Expertengruppe stellt allerdings ernüchtert fest, dass auch in anderen Ländern „kein optimales und daher universal akzeptiertes institutionelles Modell der Kompetenzverteilung und Zusammenarbeit zwischen Finanzmarktaufsicht, Zentralbank und Finanzministerium existiert.“
Ausgehend von Art. 185 Absatz 3 der Bundesverfassung trifft der Bundesrat „Massnahmen zur inneren Sicherheit“ und kann „Verordnungen und Verfügungen erlassen, um eingetretenen oder unmittelbar drohenden schweren Störungen der öffentlichen Ordnung (…) zu begegnen.“
Dazu gehört mit Sicherheit auch die Gefahr eines volkswirtschaftlichen Erdbebens, ausgelöst durch zehntausende insolventer KMUs und Hypothekarschuldner.
Der Bundesrat selbst formuliert es in einer Stellungnahme zum damaligen Untersuchungsbericht „Insieme“ und hält dabei fest, dass „Verantwortung nicht delegierbar“ sei
Oder wie es Egon Bahr, der ehemalige Bundesgeschäftsführer der deutschen SPD, ausgedrückt hatte: „Kollektive Führung ohne führenden Kopf bedeutet kollektive Schwäche.“
Der Bericht umreisst drei Ideen zur Neuregelung der Zusammenarbeit zwischen EFD, SNB und FINMA. Aus Organisationsperspektive kann allerdings nur eine davon befriedigen:
Die FINMA soll nicht mehr eigenständig eine Sanierung einleiten können, „sondern stellt dem EFD den Antrag für eine Sanierung“.
„Das EFD entscheidet anschliessend nach Anhörung der SNB über die Eröffnung der Sanierung über die systemrelevante Bank.“
Dadurch wird die Oberverantwortung für systemrelevante Banken dorthin verlagert, wo sie hingehört: zum Bundesrat, genauer gesagt zur Vorsteherin des EFD.
Wenn nicht der Bundesrat die oberste Verantwortung trägt für die Risikoprävention gegenüber volkswirtschaftlichen Erschütterungen, wer dann?
Inwieweit der Bundesrat auf ein mögliches Untergangs-Szenario der Credit Suisse vorbereitet war, geht aus dem Expertenbericht nicht hervor.
Die Aussage von alt-Bundesrat Ueli Maurer in einem SRF-Interview vom Dezember 2022, wonach man „die Credit Suisse jetzt einfach ein Jahr oder zwei in Ruhe lassen“ solle, deutet allerdings nicht auf erhöhtes Risikobewusstsein hin.
Dieses wird allerdings mehr denn je erforderlich sein, weil es nur noch eine G-SIB in der Schweiz gibt und deren Top-Positionen in absehbarer Zeit neu zu besetzen sind.
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Die beliebtesten Kommentare
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…..werden ihnen die Notrechtsregierenden der Scheindemokratie schon noch erklären!
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Den grossen Hammer haben offenbar noch die wenigsten gerafft!???
Mit der aufgestockten UBS hat die Schweiz einen „Finanz—Nuklear-Satz“ unter dem A.>>
Im Artikel wurde es kurz angesprochen.
Da ist zum einen jener Teil der Bilanzsumme jenseits der Grenze mit entsprechenden Gewinn und Verlustrisiken.Die verlustrisiken werden laufend, auf dem Hintergrund der Globalen Lage immer grösser!
Der zweite Brocken ist innerhalb der Schweiz, das mit der aberwitzigen Hypothekarverschuldung.
Das Ganze ist so etwas wie eine Wasserstoffbombe.
Irgendeine, dumme Sache, zündet den Konventionellen Auslöser, der wiederum den Uran Satz, mit der Folge das auch noch der Wasserstoff der 3 Stufe fusioniert.
Wuff heisst Superknall.
Wer das Ding rechtzeitig auseinander baut, ist egal, wichtig wäre das Trennen dieser 3 Stufen, den 2 und 3 ergeben die volle Sprengkraft. -
Gut formulierter, informativer Artikel!
Er räumt auch mit der Träumerei vieler auf, die glauben, dass sich mit dem Konkurs einer Bank ihre Hypotheken in Luft auflösten.
Es bleibt zu hoffen, dass sich viele Gedanken für einen globalen Bankenkollaps machen – ein Notfallszenario bereithalten. Meines Erachtens (kein professioneller Investment-Tipp!) bietet die Investition in Silber die einzige vernünftige Versicherung. Brechen alle Balken im Finanzsystem, wird wohl dieses Metall zehn bis hundertmal teurer. Doch es ist immer eine Frage der Zeit. Wenn die wie von Zauberhand geschaffenen Inkasso-Firmen im Fall eines Bankenkollaps anklopfen, ist vielleicht wegen eines fehlenden Marktmechanismus nicht bekannt, wie viel Silber wirklich wert ist. Trotzdem – wenn sich ein Investement in Silber z.B. von 100’000.- nach einer gewissen Zeit in 10’000’0000.- verwandelt und der Staat Edelmetall nicht für illegal erklärt (die Hofberichterstattung, sprich MSM, wird die Edelmetallhalter dann gewiss in der Ecke der Kriminellen verorten), kann man vielleicht die Altschulden (man haftet leider nicht nur mit der Liegenschaft) abzahlen und ein neues Heim kaufen.
Gestern hat v e r m u t l i c h die FED massiv am Schuldenmarkt, Aktienmarkt und Edelmetallmarkt interveniert. Es ist anzunehmen, dass die oberste Maxime war, dem freigewordenen Cash (Abverkauf 10-jährige Treasuries) die drei wesentlichen Fluchtrouten madig zu machen: Gold, Silber und Bitcoin.
Die Zentralbanken haben dank ihres Fiat-Zauberstabes und den ihnen zudienenden Hochfrequenz-Computern der Bullion-Banken unbegrenzt Firepower. Einziges Problem: die Inflation wird durch solche Interventionen nicht bekämpft. Aber sie allein haben es in der Hand, einen globalen Kollaps zu verhindern. Daran erkennt man deren Macht.
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Lieber Markus, Du scheinst Dir ja ein paar richtige Fans angelacht zu haben;-) Das Verrechnen von Schulden mit Kontoguthaben verstehe ich mal „zu hoffen wäre, dass…“. Bilanztechnisch sieht es ja leider anders aus.
Von der politischen Aufarbeitung des Untergangs des CS sollten wir nicht viel erwarten. Denn die Finma wurde vom Parlament als zahnloser Tiger konstruiert und erhält jetzt die ihr zugedachte Rolle als Sündenbock.Interessiert hat das in Bern, sorry, keine Sau. Warum? Weil dem Wähler nicht vermittelbar. Die Marktgläubigen konnten sich nicht desavouieren und mit Notrecht intervenieren, die Bankenkritiker wollten sicher keine Bonus-Bank retten.Also, wie gesagt, auch vom neuen Parlament würde ich hier nicht zu viel erwarten. Es geht wohl eher darum, Schuldige zu finden und sogenannte Massnahmen zu ergreifen, damit alles so bleibt, wie es immer war.
Lieber Gruss & hoffentlich wieder mal auf einen Lunch, Roland -
Wer fehlendes Fachwissen hat, sollte hier keine Artikel publizieren.
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Unglaublich wieder ein neuer Autor, der nichts bringt.
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Bei den meisten Hypothekarkrediten wären ausserdem die Schulden mit den Kontoguthaben verrechnet worden
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Leider nein, wir hatten lange verhandelt, dass wir verrechnen können. niemand hat das im vertrag. -
Echt der Lacher, bei denen die absolut nichts kapiert haben! Keine Frage, stellt man die auf doof kapieren die sowieso nicht, in den man das Katastrophenszenario
…Dadurch wird die Oberverantwortung für systemrelevante Banken dorthin verlagert, wo sie hingehört: zum Bundesrat…
als halb so wilde darstellt, ist ehe Wurst wer dann den Vorsitz hat!
Aber da USA und SEC gerade den Weichspülgang und anschließend die Schleuder anwerfen wird, dürfte dann schon aufzeigen was Sache war!
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Danke sehr für diesen sehr sachlichen und aufklärerischen Bericht. Schlussendlich wird per Notrecht regiert und Verantwortung trägt sowieso niemand, ausser die AT-1 Obligationäre, die sich 17 Milliarden Franken ans Bein streichen konnten – während sich Ermotti, Kelleher & Co. an 100 Millionen Zusatzbonus erfreuen dürfen (just the beginning).
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Schau jetzt in den Spiegel, dann weiß man wer später zur Kasse gebeten wird! USA und SEC Ermittlungen sind schon voll im Gange.
…ausser die AT-1 Obligationäre, die sich 17 Milliarden Franken ans Bein streichen konnten…
In der Börsenwelt spricht man von arglistiger Täuschung was AT1 Schweiz und Sonntags Gesetz betrifft! Verträge per Gesetz aufheben ist schon ein Hammer der Sonderklasse. Vertrauen Schweiz von Kapitalanlegern kurz voll versenkt an einem Sonntag Nachmittag!
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Wenn „schlussendlich per Notrecht regiert wird“, braucht es keine Gesetze.
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Wenn per Notrecht ein neues Gesetz am Sonntag gemacht wird um Notrecht durchzusetzen, dann brauch man keine Verträge mehr machen.
…@Hans Geiger…Wenn “schlussendlich per Notrecht regiert wird”, braucht es keine Gesetze…
Die Verträge sind dann Wurst, da man bei Schweiz als Kapitalanleger kein Vertrauen mehr hat. Was war noch das wichtigste bei Kapitalanleger in der Börsenwelt? VERTRAUEN!
Gesetze der Schweiz sind dann nur eine Farce wie im Fall AT1 total versenken! Wir werden sehen was USA, SEC und Co für Granaten einschlagen lässt.
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Die AT1 – Abschreibung durch die Finma entsprach den Anleihensbedingungen. Nur dass diese (unübliche) Klausel offenbar niemand gelesen hat.
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Dieser Autor kann von mir aus Glasmurmeln sortieren gehen, aber alles, was intellektuell anspruchsvoller ist als das, sollte er besser lassen.
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Und was legitimiert Sie anonym einen derart negativen Kommentar abzugeben?
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Der BR soll auch was unternehmen gegen die 0% Renditen der Pensionskassenvermögen die wegen Krankheit/Invalidität/Arbeitslosigkeit in der Auffangesellschaft ein jämmerliches demütigendes Dasein mit 0% Ertrag fristen. Wärend auf PK Vermögen um die 8% Rendite erziehlt wird, doch das wird eben zu 0 Null Zins weitergegeben. Wird da überhaupt was aufgefangen und wenn ja für wenn und wessen nutzen und wer kassiert am meisten ab?
Danke sehr für diesen sehr sachlichen und aufklärerischen Bericht. Schlussendlich wird per Notrecht regiert und Verantwortung trägt sowieso niemand, ausser…
Dieser Autor kann von mir aus Glasmurmeln sortieren gehen, aber alles, was intellektuell anspruchsvoller ist als das, sollte er besser…
Und was legitimiert Sie anonym einen derart negativen Kommentar abzugeben?