Es ist schon erstaunlich: eine Gruppe von Banken, die gemeinsam etwa 10 Prozent der weltweit angelegten Vermögen verwaltet, sieht sich auf verlorenem Posten. Hat die Schweizer Bankenwelt früher ausschliesslich von Schwarzgeld und Diktatorenvermögen gelebt? Wurde dies mit einem sauberen Natur- und Heidiland-Image so geschickt verbrämt, dass man es den netten Schweizern durchgehen liess, bis vor allem Amerika und Deutschland ihre wachsenden Steuerlöcher stopfen mussten?
Ich schlage diese übertriebene Perspektive vor, um zu verdeutlichen, dass das „Swiss Banking“ als Marke in der Vergangenheit gut definiert war und ausgezeichnet funktioniert hat. Elemente dieses Branding waren (aus der Sicht der Ausländer):
- Ein harmonisches Bankengefüge aus globalen und lokalen Banken, jeder mit viel Wissen über die Anlage von ausländischen Geldern. Ob man zur Baser Kantonalbank ging oder zur UBS, zu Vontobel oder zur Migros-Bank: Man kannte sich aus.
- Man traf höfliche Menschen mit der exakten Mischung aus Zurückhaltung und Freundlichkeit. Diese luden zur Besichtigung des privaten Schliessfaches ein, hatten Expertise bei Gold und Schmuck wie auch bei Optionen und Derivaten. Ganz zu schweigen vom guten Bekanntenkreis der Berater, der aus Anwälten, Immobilienspezialisten und Steuerexperten bestand.
- Die Konditionen waren für den ausländischen Kunden zweitrangig. Er/sie akzeptierte zwischenzeitlich sogar Negativzinsen.
Aus und vorbei.
Die Schweizer Politik lässt sich willenlos (so scheint es) vom Ausland manipulieren und gibt Zug um Zug wichtige Positionen auf. Der Margenzerfall im Private Banking tut ein Übriges, Konsolidierung bei Privatbanken ist die Folge. UBS und CS sind durch die Frage der Ausgestaltung des Investmentbanking, aber auch durch die Anforderungen von Basel III belastet.
Nur die Wechselkurspolitik der SNB, gesteuert von Philipp Hildebrand und seinem Team, rettet gerade den Ruf der Schweizer Banker. Zusammen mit der EZB und dem amerikanischen Federal Reserve Board hält er Kurs und wird international als Vorbild für andere Nationalbanken erwähnt, sogar für die EZB.
Diese Leistung – mit den ganz Grossen an einem Tisch zu sitzen – ist trotz der international als schwach empfundenen Schweizer Politik erfolgt. Philipp Hildebrand hat es geschafft, Konsens für einen mutigen Schritt mit unabsehbaren Folgen zu erzeugen und die eingeschlagene Linie beizubehalten. Dieser Mut wird belohnt, und es ihm ist zu verdanken, dass sich die Schweiz gerade (vermutlich) nicht in einer Rezession befindet.
Wie kann sich nun die Schweizer Finanzbranche insgesamt international mehr Gehör verschaffen? Was tun, um häufiger an den wichtigen (Verhandlungs)tischen zu sitzen, wo sich globale Banker mit der Politik treffen (Mumbai, Kuala Lumpur, Hongkong, London, Davos)?
- Am Anfang müsste, wie oben am Beispiel Hildebrand gezeigt, ein „mutiger Kommunikationsschritt mit unabsehbaren Folgen“ stehen. Man könnte offensiv das Thema Weissgeld promoten. Die Zielsetzung könnte sein, das Land mit der grössten Menge weisser Vermögen zu sein. Das bedeutete die Aufgabe nicht nur von Geld, sondern auch von Know-how. Aber es böte Möglichkeiten für Neugeschäfte – siehe Liechtenstein (Neugeldzufluss 2011 vermutlich doppelt so hoch wie 2010.)
- Die Chance auf eine einzigartige Kernbotschaft: das „Swiss Finish“, die härteren Bandagen für UBS und CS, welche auf die Eigenkapitalanforderungen von Basel III zusätzlich gelegt werden. Man sollte dies als Marketingmassnahme auffassen (allerdings als sehr teure!). Da die Weltwirtschaft weiterhin von hoher Volatilität geprägt sein wird, ist die Geldanlage bei einer Bank, welche die Kriterien des Swiss Finish erfüllt (oder besser: erfüllen wird) attraktiver als ein halber Prozentpunkt Zins.
- Der USP: Know-how und Beraterpersönlichkeit. Die Beratungsqualität der Schweizer Berater ist ausgezeichnet, aber sie kann gesteigert werden. Kunden sind informierter und risikobewusster, suchen von daher eine gesteigerte Performance ihrer Geldanlagen. Komplexe Produkte bieten ausserdem höhere Margen.
Wären diese drei Elemente eines neuen Branding ausreichend für die Schweiz, um sich international Gehör zu verschaffen? Ich bin mir nicht sicher.
Es fehlt ein Element, das im früheren Branding enthalten war: die Idee des Risikos, des Nervenkitzels. Typisch am Münchner Hautbahnhof die distinguierte Dame mittleren Alters ohne Gepäck im Frühzug nach Zürich. Wenn man sie auf dem Rückweg abends um 18.16 Uhr ab Zürich HB wieder traf, wusste man Bescheid. Sie hatte diesen Ausflug nach Zürich auf jeden Fall genossen, vielleicht noch kurz bei Feldpausch oder Les Ambassadeurs vorbeigeschaut. Eine „ungefährliche“ Schweiz wäre für sie so attraktiv wie ein flaches Matterhorn. Man wird ihr neue Produkte mit mehr Risiko anbieten müssen. Die Teilnahme an „dark pools“ vielleicht?
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