Die Schweiz öffnet die Daten-Schleusen, die Antwort aus den USA kommt postwendend: Ein New Yorker Staatsanwalt hat soeben zwei weitere Schweizer Vermögensverwalter angeklagt.
Einer packt nun aus. Gut 60, Zürcher, 10 Jahre lang bei der UBS im US-Team, seit 2003 selbstständig und mit Kundengeldern bei der Bank Wegelin, die ebenfalls angeklagt ist.
„Ein Freund überzeugte mich, zur UBS ins Amerika-Offshore-Team zu kommen“, beginnt der Mann seine Erzählung. „Ich sagte ihm, dass ich zwar die USA kenne, weil ich lange dort war, aber eben als Winterthur-Versicherungsmann und nicht als Banker. Doch das spielte denen keine Rolle.“
1993 stiess der Mittvierziger zum damaligen Bankverein. Die kleinste der 3 Grossbanken hatte einen Ableger an bester Adresse in Manhattan. Wie ein Magnet zog der Ort viele vermögende Amerikaner an, die ein Konto in der Schweiz wollten.
Unser Mann wurde von seinen Chefs ins kalte Wasser geschmissen. „Hier hast Du 400 Amerikaner-Kunden, geh sie besuchen, berate sie, bringe neues Geld! Das waren die Anweisungen.“
Von Risiken und Nebenwirkungen war keine Rede. „Wir hatten null rechtliche Schulung, nie wurden wir aufgeklärt über irgendwelche Gefahren. Reisen und Beraten vor Ort war schlicht und einfach Teil des Jobprofils. Und gemessen wurden wir alle am Neugeld, das wir an Land zogen.“
Dass Reisen und Finanzberatungen auf US-Boden zur Kernaufgabe der US-Offshore-Banker gehörten, belegt der langjährige UBS-Mann mit einer Passage aus seinem Abschlusszeugnis von Mitte 2003.
Dieses hatte der damalige Offshore-Leiter der Region Americas bei der UBS unterzeichnet, ein Generaldirektor, der vor 4 Jahren den USA ins Netz gegangen war und als Kronzeuge der Ankläger entscheidend für den Fall der Grossbank und damit das Ende des Schweizer Bankgeheimnisses war.
Unter der Passage „Zu seinen Aufgaben gehörten im Wesentlichen“ heisst es im Zeugnis: „Betreuung und Beratung bestehender Kunden sowie die Reisetätigkeit in das Betreuungsgebiet.“ Weiter steht: „Akquisition von Neugeldern aus dem bestehenden Kundenstamm“.
Die schriftlich festgehaltenen Aufgaben im Abschlusszeugnis eines langjährigen Kundenberaters zu einem Zeitpunkt, als die UBS längst in einen weit reichenden Steuer-Zusammenarbeitsvertrag mit den USA namens Qualified Intermediary (QI) eingewilligt hatte, sind brisant.
Von oberster Generaldirektoren-Stelle wird darin bezeugt, dass die Berater im Wissen der UBS ihre Amerika-Kunden mit Vermögen zwischen ein paar Hunderttausend Dollar bis zu mehreren Millionen auftragsgemäss besuchten und vor Ort zu mehr Business animierten.
Nur einmal sei ein kurzzeitiges Reiseverbot verhängt worden, erinnert sich der angeklagte Vermögensverwalter, der seine letzten Kunden abgegeben und sich aus dem Geschäft zurückgezogen hat. Das sei einige Zeit nach Einführung des QI-Systems 2001 gewesen.
„Das gab etwas Aufregung, aber die legte sich schnell, und danach reisten wir wie vorher“, sagt der Ex-Banker in einem Telefongespräch von gestern Abend, wenige Stunden, nachdem er von der Anklage der Amerikaner gegen ihn erfahren hat.
Niemand habe Fragen gestellt, und vermutlich habe die oberste UBS-Führung auch keine Offshore-Banker gewollt, die ihr Tun hinterfragt hätten, meint der Mann.
Es habe ein implizites und – wie in seinem Zeugnis zum Ausdruck komme – auch explizites Verständnis existiert, dass man mit diesen Kunden und ihren unversteuerten Geldern Geschäfte betreiben könne.
Dass es sich um Steuersünder handelte, sei allen klar gewesen. „Von meinen 400 Kunden, die ich zur Betreuung zugewiesen erhalten habe, hatte eine einzige Familie ihr Vermögen den Behörden gemeldet. Der ganze Rest war schwarz.“
Die US-Strafbehörden werfen dem Schweizer sogenannte Kompensationszahlungen vor. „Das war Alltag“, sagt der Vermögensberater. „Einmal rief mich eine Amerikanerin an, sie war seit Jahrzehnten Kundin bei uns. Sie sei im Spital in Boston und brauche dringend ein paar Tausend Dollar. Die organisierte ich ihr, indem ich vor Ort Gelder von anderen US-Kunden entgegennahm, der Frau bar aushändigte und die entsprechenden Konti in der Schweiz gutschrieb beziehungsweise belastete.“
Kompensationszahlungen gehörten zum kleinen Einmaleins des Schweizer Offshore-Geschäfts. Vermutlich nicht nur bei der UBS, vermutlich nicht nur bis 2003. Sondern bis weit in die Neuzeit.
Dass die oberste Leitung der UBS im Bild war, darauf deutet eine Episode mit dem damaligen Chef des Private-Bankings der UBS hin. „Out of the blue rief mich Georges Gagnebin zu sich ins Büro“, berichtet der Vermögensverwalter. „Er sagte: ‚Sie sind ja schon der unkonventionellste Banker, den ich je gesehen habe.‘ Dann berichtete Gagnebin, wie er mich in den USA im Versteckten beobachtet hätte, als ich einen Amerika-Kunden umarmt und wie einen Freund behandelt hätte.“
Alle wussten alles. Und schwiegen. Bis Bradley Birkenfeld, der Whistleblower mit eigener Agenda, sein Insider-Wissen den US-Sheriffs verriet. Danach brach die Schweizer Festung in „no time“ ein. Entsprechend gross war der Knall.
Persönlich zur Kasse kommen fast nur untere Chargen. Mit Ausnahme eines hohen UBS-Generals sind bisher vor allem Fussvolk-Banker angeklagt.
Insbesondere entgingen die obersten Köpfe der UBS dank ihrem Friedensdeal vor 3 Jahren einer drohenden Anklage. Entscheidende Schützenhilfe leisteten der Bundesrat und die Bankenaufsicht.
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Ich weiss, man ist es müde darüber zu reden, schreiben, aber gerade darauf zählen gewisse ‚Bankers‘, die uns mit ihrer kriminellen Hehlerei im Ausland den Finanzplatz versaut haben und noch weiter Milliarden, wenn nicht Billionen, Schaden verursachen werden.
Was ist das für ein ‚Rechtsstaat‘ wo solche Schweinereien ungestraft bleiben und man dafür die Regierung, die Politik als unfähig hinstellt, nur weil sie nicht genug darauf vorbereitet ist, diese Drecksuppe der Bankers auszulöffeln?
Jeder Angestellte einer AG hat, unter anderem, die Aufgabe die legitimen Interessen der Aktionäre zu vertreten, Geschäfte im Rahmen von geltendem Recht zu tätigen, Inland und Ausland. Es sollte also nur so hageln von Anklagen und die Schuldigen auch hierzulande im Gefängnis verschwinden. Aber nein, dafür findet man sie auf den Golfplätzen dieser verdrehten Demokratie. -
Die UBS haben nicht nur Ihre eigenen langjährigen Kunden verraten und in den „Wind rausgehängt“ sondern auch Ihre langjährigen Mitarbeiter in den „Wind rausgehängt“ um Ihre eigene Haut zu retten.
Selbstverständlich wusste das Top-Management genau um die Praktiken und haben diese stillschweigend akzeptiert. Solange hier grosse Gewinne reingefahren wurden hat niemand Fragen gestellt. Heute haben selbstverständlich alle eine weisse Weste und haben Mühe sich an die Vergangenheit zu errinnern. Es bestehen gewisse Gedächnislücken.
Dies war systemimmanent und wurde genauso bei anderen relevanten Banken derart praktiziert.
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Stillschweigend? Hmmm.
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Natürlich kommen nur die unteren Chargen dran. Die Topmanager rennen ja jeweils nach Bern, erzählen dort das Märchen von „einige wenige kriminelle Mitarbeiter“ und stiften das Parlament zu 4450er-Abkommen und Gruppenanfragen-Abkommen an, um sich selber zu retten.
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Hinzu kommt, dass auch CH-Regional- und Retailbanken (z.B. Basler KB) Jahre nach dem Inkrafttreten der QI-Verträge und nach der UBS-Affaire immer noch frisch und fröhlich unversteuerte US-Kunden eröffneten.
Im besagten Fall wurde immerhin ein Volumen von CHF 500 Mio aquiriert, welche jedoch angeblich die Bank bereits wieder verlassen hätten…
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Na klar, was habt Ihr denn gedacht?,etwa dass ein Kurer, Ospel, Rohner ‚drankämen. – Ne, die geniessen friedlich die Früchte der abgezockten Millionen (erhalten für das angebliche Risiko, das sie zu tragen hätten, welches ja nun die unteren Chargen für sie tragen…) – Eine krumme Welt!
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Wahrscheinlich hat darum der OPUP im lauwarmen US-Geschäft der UBS den höheren Lohn als der Konzernchef.
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Na klar, was habt Ihr denn gedacht?,etwa dass ein Kurer, Ospel, Rohner 'drankämen. - Ne, die geniessen friedlich die Früchte…
Hinzu kommt, dass auch CH-Regional- und Retailbanken (z.B. Basler KB) Jahre nach dem Inkrafttreten der QI-Verträge und nach der UBS-Affaire…
Natürlich kommen nur die unteren Chargen dran. Die Topmanager rennen ja jeweils nach Bern, erzählen dort das Märchen von "einige…