Die internationale Finanzkrise ab 2007 und die Tatsache, dass seither die Lage der Finanzsysteme in den meisten Ländern bis heute weit davon entfernt ist, gut zu sein, verlangt eine vorurteilslose Überprüfung und Erneuerung des Instrumentariums der Finanzmarktaufsicht. Nach dem Donnerschlag der UBS-Krise hat sich die Schweiz dieser Aufgabe vorbildlich gestellt. Dies zeigt der Bericht über die makroprudenzielle Aufsicht der Arbeitsgruppe Finanzstabilität des Eidgenössischen Finanzdepartements.
Startpunkt ist die Erfahrung, dass die Funktionstüchtigkeit eines Finanzsystems aus zwei Hauptgründen gestört wird. Erstens kann ein Bankensystem durch die Insolvenz einer übergrossen Bank gefährdet werden. Ein Einfrieren der Geld-, Kredit- und Kapitalmärkte und eine Blockierung des Zahlungsverkehrs können die Folge sein. Um die Schäden für die Volkswirtschaft zu dämpfen, sehen sich Staaten häufig gezwungen, Banken zulasten der Steuerzahler zu retten. Die Zentralbanken sehen sich zudem oft veranlasst, die Geldpolitik massiv zu lockern, was auf die Dauer Inflationsgefahren mit sich bringt. Die Schweiz ist dieser ersten Ursache für Systemkrisen mit eindrücklichen Massnahmen begegnet. Dabei handelt es sich um den Abbau der Risiken der sogenannten „Too big to fail”- oder “too interconnected to fail”-Banken.
Der zweite Hauptgrund für einen Systemkollaps ist, dass ein Grossteil aller Banken gleichzeitig von ein und derselben massiven Verschlechterung der Geschäftsbedingungen betroffen werden kann. Zu nennen ist beispielsweise ein starker Einbruch des globalen Wachstums und somit der Exportchancen oder ein Zusammenbruch einer spekulativen Blase im Immobiliengeschäft. Dadurch kann die Solvenz vieler Banken schlagartig so stark bedroht werden, dass das Finanzsystem auch ohne Ansteckung durch eine systemrelevante Bank einbricht. Auch gegen diese Art von Gefahr wurden in der Schweiz Massnahmen ergriffen. Bereits wurde die Eigenmittelverordnung verschärft, die Risikogewichtung wird weiter überprüft, und die Risikoverteilungsvorschriften werden gegenwärtig sowohl hinsichtlich Eigenkapital als auch finanzieller Liquidität überarbeitet. Von der Reform nicht ausgespart bleiben zudem die Abrechnungs- und Abwicklungssysteme für den Handel aller Arten von Finanzinstrumenten.
Besonders auf den durch die Nationalbank zu leistenden Beitrag zur Finanzstabilität zugeschnitten sind das Vorhaben zur Ermöglichung des direkten Zugangs der Nationalbank zu den für die Erfüllung ihrer Aufgabe wesentlichen Informationen und die Einführung eines antizyklischen Eigenkapitalpuffers zwecks Glättung der Kreditrisiken im Bankensektor. Angesichts der Verantwortung, die der SNB erwächst, wenn sie den Banken die zur Aufrechterhaltung des Finanzsystems erforderliche Liquidität zur Verfügung stellt, ist es selbstverständlich, dass sie im Vorfeld von Krisen in Zukunft über einen uneingeschränkten Zugang zu den für die Risikominderung nötigen Informationen verfügen muss. Ebenso selbstverständlich ist es auch, dass die Nationalbank die Kompetenz erhält, während des Aufbaus einer spekulativen Blase im Hypothekarsektor einen Zuschlag auf den Eigenmitteln zu verlangen, um ihn, wenn der spekulative Druck nachlässt, wieder zurückzunehmen.
Selbstverständlich wird es der Nationalbank sachlich nicht leichter als den Marktteilnehmern fallen, den Aufbau und Abbau von Überhitzungen des Hypothekarmarkts zu diagnostizieren. In einem wichtigen Punkt ist die Notenbank den Marktteilnehmern jedoch überlegen. Während letztere den Verlockungen des raschen Gelds erfahrungsgemäss kaum je widerstehen, nimmt die Nationalbank an der Party nicht selber teil, womit es ihr wesentlich leichter fällt, deren Abbruch zur richtigen Zeit einzuläuten.
Noch ein weiteres Argument spricht für die Erweiterung der Kompetenz der Nationalbank. Ohne das Mittel des antizyklischen Eigenmittelpuffers verfügt die Nationalbank nur über das Instrument der Zinsen. Würde es sich in Zeiten eines überbewerteten Frankens wie heute als nötig erweisen, zwecks Verminderung eines späteren Immobiliencrashs und einer damit verbundenen ernsten Schwächung des Finanzsystems zu handeln, bliebe der Nationalbank nur eine Zinserhöhung. Diese würde nicht nur die Bauwirtschaft, sondern sämtliche zinssensitiven Aktivitäten treffen, also beispielsweise auch die Ausrüstungsinvestitionen und die Investitionen in Forschung und Entwicklung. Zudem würde die Zinserhöhung den Wechselkurs des Frankens pushen. Dieses, leider nur zu wahrscheinliche Dilemma wird mit der Einführung eines durch die Nationalbank gesteuerten antizyklischen Eigenmittelpuffers beseitigt.
Kommentare