Offiziell herrscht Freude. Die neue Raiffeisen-Privatbankentochter Notenstein sei gut gestartet, versicherte Notenstein-CEO Adrian Künzi laut NZZ Online externen Vermögensverwaltern.
Die Zahlen sagen Anderes. Knapp 800 Millionen Franken sind im Februar, dem ersten Notenstein-Monat, abgeflossen, 700 Millionen waren es im Januar, damals noch unter Wegelin. Im März hat sich laut Künzi „nichts Grundlegendes“ geändert.
3 mal 700 Millionen gäbe über 2 Milliarden Asset-Abflüsse bei Wegelin/Notenstein. Auf einen Vermögensbestand von gut 20 Milliarden macht das 10 Prozent.
Wo ein „guter Start“ bei diesen dramatischen Abflüssen sein soll, bleibt Künzis Geheimnis. Selbst die UBS hatte im schlimmsten Quartal nach der Rettungsübung im 2008 nur rund 5 Prozent verloren.
In der Notenstein-Befehlszentrale in St. Gallen scheinen die Alarmsirenen zu heulen. Dort, im Headoffice von Mutter Raiffeisen, sitzt der Ober-Architekt des Nacht-und-Nebel-Kaufs der gesunden Wegelin-Teile.
Pierin Vincenz, genannt Bündner Macho-Banker, kann sein legendäres Kämpferherz und Showtalent in der brenzligen Lage dringend brauchen. Hält der Massenexodus bei seiner Notenstein Privatbank an, geht seine Rechnung kaum auf.
Teuer wird der Deal sowieso. Knapp 400 Millionen versprach Vincenz den Wegelins, und das für Kundenassets, die auf dem Höhepunkt 2007 bis zu 50 Prozent aus EU-Ländern stammten. Je nach Schwarzgeld-„Verseuchung“ drohen weitere Abflüsse.
Die Nervosität im Raiffeisen-Bunker führt zu eigenwilligen Aktionen. Kunden, die ihre Beziehung zur Genossenschaftsgruppe beenden wollen, werden von Vincenz persönlich bekniet.
Dass der Oberboss selbst in die Tasten greift, mag sympathisch wirken. Gleichzeitig ist es ein untrügliches Zeichen für eine Notlage.
Einer von Vincenz‘ Bittbrief-Empfängern ist Buchautor und Journalist Urs Aerni. Der beschloss nach einem negativen Erlebnis mit der Bank, seine Gelder abzuziehen und die Geschäftsbeziehung zur Genossenschaft aufzulösen.
„Wir anerkennen, wenn Sie als Raiffeisenkunde die Entwicklung der Raiffeisen-Organisation kritisch mitverfolgen“, danken Vincenz und Pius Horner, der Chef des Generalsekretariats, Aerni einleitend für dessen Brief an Vincenz.
Sie würden davon ausgehen, „dass Sie vor allem auf die Übernahme der Notenstein Privatbank AG anspielen“, kommen die Raiffeisen-Topmanager gleich selbst zur Sache.
Es folgt eine detaillierte Rechtfertigung für den Deal. Damit versuchen Vincenz und Kollege Horner schönzufärben, was beim überraschenden Wegelin-Kauf besonders fragwürdig ist.
Es geht um die kurze Prüfzeit. Für die Due diligance blieben Vincenz und seiner Truppe nur rund 10 Tage.
Es macht bis heute den Anschein, dass Vincenz Ende Januar, als sich die Partner der Privatbank von den US-Behörden wegen Steuervergehen in die Ecke gedrängt sahen, Wegelin fast allein aufgrund seines Bauchgefühls und Gott-Vertrauens in die Verkäufer erworben hatte.
Er und seine Leute hätten „diese unternehmerische Opportunität sehr sorgfältig im Rahmen unserer Strategie überprüft“, betont hingegen Vincenz in seinem Brief.
Dann gibt der Raiffeisen-Chef noch eins drauf. „Wir haben Chancen und Risiken intensiv mit dem Verwaltungsrat von Raiffeisen Schweiz diskutiert, der über die Strategie der Raiffeisen Gruppe entscheidet.“
Daraus folgt ein Appell von CEO Vincenz an Sachverstand und Verantwortungsgefühl von Kunde Aerni und wohl weiteren Kunden, die von der Notenstein-Transaktion überzeugt werden sollen.
„Die Chancen für Raiffeisen überwiegen: Wachstum durch den Ausbau unseres Anlagegeschäfts, Diversifizierung unserer Ertragsquellen – die sehr zinslastig sind – und letztendlich die Rettung von 700 Arbeitsplätzen in der Schweiz.“
Das Herz darf für den bodenständigen Vincenz nicht zu kurz kommen. „‚Der Mensch im Mittelpunkt‘ ist nicht nur eine Parole, sondern die Philosophie, die unser Denken und Handeln bestimmt“, redet jener Genossenschafts-Banker einem neuen Altruismus in der Finanzindustrie das Wort, der mit mondäner Villa und Helikopterflügen zu Sportanlässen zu reden gab.
Kunde Aerni war wütend, weil die Raiffeisenbank in Lenzerheide ohne seine Kontonummer nicht in der Lage war, Auskunft über Aernis Kontostand bei einer anderen Raiffeisenbank zu geben.
Die „dezentrale Datenhaltung“ habe bezüglich Datenschutz „erhebliche Vorteile“, nimmt Vincenz diese Steinzeit-IT in Schutz. „Durch Vernetzung innerhalb der Gruppe können die meisten Raiffeisenbanken dennoch Auskünfte erteilen.“ Derzeit würden „nicht alle unsere Banken“ dies nutzen, was bedauerlich sei.
Trotzdem würden sich Vincenz und sein Mit-Unterzeichner der Raiffeisen-Spitze freuen, „wenn Sie Ihren (sic!) Überlegungen, die Bank zu wechseln, nochmals überdenken würden“.
Ein Raiffeisen-Sprecher will Vincenz‘ Schreiben nicht als Zeichen für eine Notlage sehen. „Grundsätzlich nimmt bei Raiffeisen der Angesprochene Stellung, das ist beim CEO nicht anders als bei anderen Mitarbeitern oder Managern“, sagt Stefan Kern.
„In der Zentrale hatten wir vielleicht zwei Dutzend Anfragen zum Notenstein-Deal, hinzu kommen die Vorstösse bei den Raiffeisenbanken, wo wir keinen genauen Überblick haben. Eine Riesenwelle“, relativiert Kern, „war das aber nicht.“
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Die beliebtesten Kommentare
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Herr Hässig, können Sie nicht mal konkret sagen, was Sie an Herr Vincenz so sehr stört? Scheint eine persönliche Aversion zwischen Ihnen und dem „Macho-Banker“ zu sein.
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Wenn bei einer Bank die Besitzverhältnisse ändern, springen immer ein paar Kunden ab.
Wieviele sich mit Notenstein/Raiffeisen anfreunden können, wird man später sehen.
Grosse Synergien gibt es nicht zwischen den beiden Banken, dafür sind die jeweiligen Kundensegmente zu verschieden.
Ich würde sagen, in einem halben Jahr hat sich der aufgewirbelte Staub gesetzt, dann wird man sehen, was bei Notenstein vom ehemaligen Wegelin-Kundenstamm übrig geblieben ist.
Die Äusserungen von Pierin Vincenz bezüglich Finanzplatz/’Weissgeld-Strategie‘ waren jedoch wenig hilfreich, um das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. -
Die Artikel auf insideparadeplatz sind ja meist sehr unterhaltsam und interessant. Aber wegen einem spezifischen Fall, der hier beschrieben wird, gleich auf ein systematisches Beknien der Kunden zu schliessen, ist für mich keine seriöse Berichterstattung.
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Soll mir mal jemand erklären, wie Notenstein Kundengelder im Umfang von 18 Mrd. mit 700 (!) Mitarbeitern rentabel bewirtschaften will. Das Ganze ist doch eine von der Raiffeisen-Zentrale gesteuerte Farce. Sicher ist nur: time will tell.
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Hat unter dem Namen Wegelin anscheinend sehr lange und erfolgreich geklappt – oder ist dir etwas anderes bekannt? Die Hyposwiss (Privatbank der SGKB) betreut 10 Mrd. inkl. SGKB Assets sind wir auf ähnlichem Niveau –> mit noch mehr Mitarbeitern!
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Das sieht eher nach einer „Hetzjadg“ der Medien aus. Sind wir mal ehrlich – welche Alternative gibt es denn zu Raiffeisen? Eine der wunderbaren Kantonalbanken, welche jede Einzelne über eine Private-Banking Abteilung verfügt oder eigene Privatbanken Töchter inkl. Auslandfilialen? Oder eine der Grossbanken?
–> meine persönliche Meinung ist: Für mich als alter und eingefleischter Raiffeisen-Kunde ändert ja gar nichts – profitiere höchstens noch vom Anlage Know-how der Notenstein.
Man bedenke, noch vor nicht allzu langer Zeit, las man auch hier Loblieder auf die Wegelin und deren Anlagestrategien. -
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Ich könnte jetzt sagen: „ich hab’s ja gesagt“ – und das tat ich somit auch. In einem früheren Kommenar habe ich geschrieben, dass selbst geschenkt noch zu teuer wäre für das Geschäft, welches sich die Raiffeisen untder den Nagel gerissen hat, da dessen Assets – die Kunden – nicht von einer hochedlen Privatbank zu einer „Bank für den kleinen Mann“ oder „Bank der Mondopunktesammler“ wechseln werden.
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so what?
so what?
Ich könnte jetzt sagen: "ich hab's ja gesagt" - und das tat ich somit auch. In einem früheren Kommenar habe…
Das sieht eher nach einer "Hetzjadg" der Medien aus. Sind wir mal ehrlich - welche Alternative gibt es denn zu…