Peter Hablützel war jahrelang Personalchef beim Bund, auch unter dem damaligen Finanzminister und heutigen UBS-Präsidenten Kaspar Villiger. Heute schreibt Historiker Hablützel kritische und stark beachtete Bücher über den Finanzplatz.
Als Hablützel am Samstag das Interview des Tages-Anzeigers mit Ex-UBS-CEO Oswald „Ossie“ Grübel las, lupfte es ihm den Hut. Grübel fabriziere „Geschichtsklitterung, die nicht unwidersprochen bleiben“ dürfe, sagt Hablützel.
„Diese Weissgeldstrategie ist unbrauchbar“, haute Grübel auf den Tisch. Und zielte direkt auf Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf und deren bilateralen Steuer-Verhandlungen mit EU-Ländern,
Das Echo war mit fast 300 Leserkommentaren gewaltig und zeugte von Goodwill für Grübels direkte Sprache. „Was glauben Sie, was Frankreich, was Italien machen werden?“, zog der Ex-Big-Banker vom Leder. „Die fangen mit dem Deutschlandabkommen an. Und wollen mehr. Dann kommen die Deutschen wieder und sagen: Moment, das wollen wir auch. Diese Politik ist unüberlegt. So wird der Finanzplatz schrumpfen, und zwar viel stärker als andere Finanzplätze.“
Die Rede von einer „ethisch korrekten“ Weissgeldstrategie treibt Ossie offenbar zum Wahnsinn. „Es ist dumm, dies zu sagen, ohne zu wissen, wie wir es umsetzen. Wir sollten Leute einbeziehen, die das Geschäft wirklich verstehen.“ Andere Artikel hauten in die gleiche Kerbe.
Ossie Grübels Rundumschlag bringt mit Peter Hablützel eine bekannte Stimme und einen ausgewiesen Kenner des Finanzplatzes auf die Palme.
In einem Essay, das Hablützel übers Wochenende für Inside Paradeplatz geschrieben hat, bietet der Historiker mit seiner Kenntnis der langjährigen Entwicklung des Bankenplatzes Ex-Bigshot Grübel die Stirn.
„Oswald Grübel outet sich als Gegner einer Weissgeldstrategie der Schweiz“, beginnt Hablützel, und fährt dann fort. „Das ist sein gutes Recht und erstaunt mich wenig. Man darf aber nicht Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf allein die Verantwortung für diesen wichtigen Strategiewechsel zuschieben. Der Bundesrat hat schon am 16. Dezember 2009, damals noch mit Hans-Rudolf Merz von der FDP an der Spitze des Finanzdepartements, den Bericht <Strategische Stossrichtung für die Finanzmarktpolitik der Schweiz> verabschiedet. Zusammen mit Nationalbank und Finanzmarktaufsicht und nach intensiven Gesprächen mit der Bankiervereinigung kam die Regierung zum Schluss, dass unversteuerte Gelder längerfristig weder im Interesse der Schweiz noch der Banken seien.“
Historiker Hablützel nimmt statt der Politik die Banken, die heute aus Angst vor Prozessen noch so gerne Daten offenlegen, in die Pflicht. „Die Aufweichung des Bankgeheimnisses, die Herr Grübel so bedauert, ist nicht das Verdienst der Politik, sondern das Werk der Banken selber. Wenn Schweizer Banken aufgrund ihrer rechtswidrigen Hehlerdienste eine Verurteilung durch amerikanische Behörden befürchten, setzen sie alles daran, den sonst so hoch gelobten rigorosen Schutz von Bankdaten über das Vehikel internationaler Verträge auszuhebeln. Die eigenen Interessen sind ihnen wichtiger als die Interessen ihrer Kunden. Das war 2008 und 2009 bei der UBS der Fall, und das ist heute wieder der Fall bei CS, Wegelin und weiteren Privatbanken und zur Schande des öffentlichen Bereichs auch bei den Kantonalbanken Basel und Zürich. Eine Weissgeldstrategie würde uns vor solchen Peinlichkeiten bewahren.“
Im Unterschied zu Grübel verteidigt Hablützel das Berner Konzept mit der Abgeltung. „Dass eine Abgeltungssteuer anstelle des automatischen Datenaustauschs etwas kosten würde, war schon lange abzusehen und sollte Herrn Grübel nicht erstaunen. Das Zinsbesteuerungsabkommen von 2003 zwischen der EU und der Schweiz konnte die Kritik nur vorübergehend etwas dämpfen; die Entstehung der Vermögen blieb weiterhin steuerfrei. Bundesrat Villiger äusserte im Vorfeld dieses Abkommens, es könnte der Schweiz im Steuerstreit mit der EU eine Verschnaufpause von höchstens zehn Jahren verschaffen. Villigers Einschätzung hat sich als richtig erwiesen. Leider hat aber der Finanzplatz Schweiz die Pause nicht genutzt, um sich auf Geschäftsmodelle ohne Steuerhinterziehung einzustellen.“
Null Verständnis hat Hablützel für Ossies Interpretation der UBS-Rettung im Subprime-Debakel. „Am Schluss des Interviews geht Grübel auf die Krise der UBS 2008 ein und spricht, von den Journalisten des Tages-Anzeigers unhinterfragt und unwidersprochen, von einer <Rettung, bei der sich unnötigerweise der Bund an der UBS beteiligte>. Das ist starker Tobak, den Grübel hier anzündet. Die Spitze der UBS hatte den Bund im Herbst 2008 um Hilfe gebeten, weil sich die Bank am Kapitalmarkt nicht mehr finanzieren konnte. Sie war insolvent, und da die SNB nach den Materialien zu Nationalbankgesetz Artikel 5 nur bei Liquiditätsproblemen, nicht aber bei Insolvenz Hilfe bieten darf, musste der Bund sechs Milliarden Schweizerfranken aus Steuergeld einschiessen.“
Die Hilfe von Bern und Nationalbank sei entscheidend gewesen, meint Hablützel. „Dieses Darlehen in Form einer Pflichtwandelanleihe zählte sofort zu den Eigenmitteln der UBS, weshalb die Bankenkommission in einem Gutachten behaupten konnte, die Bank sei solvent; es handle sich bloss um ein Liquiditätsproblem. Damit durfte die Nationalbank ihre 60 Milliarden der eigens gegründeten Auffanggesellschaft zur Verfügung stellen, welche die illiquiden (<toxischen>) Risikopapiere der UBS übernahm. Das war eine juristisch brillante, ökonomisch und politisch aber heikle Übung, zu der sich Bundesrat und Nationalbank bereit erklärten. Die Sache ist für den Bund ja auch gut ausgegangen.“
Big Grübel entpuppe sich als lernunfähig, geht Hablützel am Ende in die Gegenoffensive. „Aber wenn im Nachhinein von einem <unnötigen> Engagement gefaselt wird, entspricht das nicht den Tatsachen. Kennt Grübel diese Tatsachen nicht, hat er sie vergessen oder verdrängt? Oder will er die existenzielle Krise der UBS vom Herbst 2008 etwa beschönigen? <Die Rettung (…) hat von der Psychologie her bei allen im Lande etwas ausgelöst, der Bevölkerung, der Politik aber auch bei den Banken.> Diese Feststellung Grübels teile ich, allerdings nicht seine negative Einschätzung, die Rettungsaktion sei als Anfang vom Ende des erfolgreichen Finanzplatzes Schweiz zu sehen. Die Probleme unseres Finanzplatzes liegen in seinem rasanten Aufstieg begründet. Der Erfolg hat viele Banker unvorsichtig und arrogant werden lassen. Wer die Politik in der Not zu Hilfe ruft und sie gleichzeitig beschuldigt, hat nicht eben viel aus der Krise gelernt.“
Peter Hablützel kann man unter peter@habluetzel-consulting.ch erreichen. Von ihm erscheint demnächst ein nächstes Werk über den Schweizer Finanzplatz.
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Die beliebtesten Kommentare
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Hatte Historiker Hablützel schon jemals bei einer Bank einen Führungsjob inne?
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Wie’s scheint hat Oswald Grübel nicht nur Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis – er muss wohl sehr vergesslich sein von „sogenannter“ Rettung der UBS zu schwafeln – als hätte diese nie stattfinden müssen. Und es ist absurd dass solche Aussagen in einem Interview nicht sofort hinterfragt und richtiggestellt werden.
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Warum bloss reisst O. Gruebel das Maul so verdammt weit auf? Hat da jemand vielleicht Angst, dass seine eigene Steuervergangenheit ans Licht kommt? Eigentlich erstaunlich, dass noch niemand diese Buechse der Pandora geoeffnet hat…
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Abgeltungssteuer: Die technische Umsetzung (Schaffung einer Aufbau- und Ablauforgani- sation) bei den einzelnen Banken zur Erhebung/Überweisung der Steuerbeträge erfordert geeignetes integres Fachpersonal (inkl. Kommunikationsstelle zur betr. CH-Behörde), Büros, IT, Telekommunikation, usw. Eine gewaltige Bürokratie wird ungeahnt hohe Mittel verschlingen.
Die Gefahr neu entstehender Informations- lecks „nach aussen“ ist latent. Ausländische Steuerfahnder werden vermehrt in der CH herumschnüffeln. EWS und ihr Verwaltungsapparat haben juristisch wasserdichte Ausführungsbestimmungen zu erlassen, nach Vernehmlassung bei den betr. Banken, der Finma und SBVg. Streitereien über die Interpretierung einzelner Paragraphen mit den Steuerbehörden der Vertragsländer sind vorprogrammiert. Die mächtigen Finanzhaie in London, auf den Channel Islands, Bahamas, in New York, Delaware, Miami, Singpore, Hong Kong, usw. lachen sich schon jetzt hämisch ins Fäustchen….
Der Ursprung aller Krisen auf dieser Welt:
Wer zu rasant zu viel will, fährt gegen die Wand und zerschellt. Und alle Erdenbe- wohner leiden darunter! Nicht so die „Big Bankers“ dank ihres eifrig gescheffelten Mammons ! -
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Bezüglich der UBS-Rettung hat sich Ossi gewiss vertan, aber bei seiner Einschätzung der „Verhandlungskünste“ von EWS liegt er voll richtig.
Bezüglich der UBS-Rettung hat sich Ossi gewiss vertan, aber bei seiner Einschätzung der "Verhandlungskünste" von EWS liegt er voll richtig.
Abgeltungssteuer: Die technische Umsetzung (Schaffung einer Aufbau- und Ablauforgani- sation) bei den einzelnen Banken zur Erhebung/Überweisung der Steuerbeträge erfordert geeignetes…
Warum bloss reisst O. Gruebel das Maul so verdammt weit auf? Hat da jemand vielleicht Angst, dass seine eigene Steuervergangenheit…